Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Laurentius, 10. August 2023
Die Rückmeldungen einiger aufmerksamer Leserinnen und Leser, der Förster und eigene Beobachtungen machen den heutigen Beitrag zu ein paar interessanten vogelkundlichen Beobachtungen im Vinschgau in den letzten Monaten möglich.
Der Schwarzstorch
Da ist zunächst die Beobachtung eines Schwarzstorches (Ciconia nigra) am 28. und 29. April auf dem Frühjahrszug von den Laaser Mösern im Bereich der
Schgumser Schwefelquelle zu vermelden. Der Schwarzstorch brütet in den feuchten und wasserdurchsetzten Altwäldern Nordosteuropas und in den nordischen asiatischen Ländern mit Mooren und Seen. Aus den ornithologischen Jahresberichten der Südtiroler Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz 2021 und 2022 kann man entnehmen, dass der Schwarzstorch im Jahr 2021 nur zweimal gesichtet und gemeldet worden ist (13.3. Lajen, 19.9. Neumarkt), während es 2022 vier Sichtungen waren (27.4. Bozen und Kalterer See, 1.5. Schluderns, 17.10. Tisens, 20.10. Bozen Flughafen).
Steigt der Wiedehopf in die Berge?
Auch der Wiedehopf (Upupa epops) ist ein Zugvogel, zudem ein Höhlenbrüter, der den Viehweiden, Wasserwalen und Altholzbeständen im Kastanienbaumklima gefolgt ist. Neu ist eine Beobachtung auf der Höhe des Göflaner Marmorbruches am 16. Juli, also von der Baumgrenze auf 2.000 Metern Meereshöhe. Vom Wiedehopf ist bekannt, dass er auf den Weiden in den Kuhfladen nach Insektenmaden gestochert hat. Viehweiden und Rinderdung fehlen in den tiefen Lagen der Talsohle heute nach der Umstellung der Landwirtschaft auf den Obstbau weitestgehend. Es könnte sein, dass sich der Wiedehopf die Almweiden während der Almsömmerung der Weidetiere als Nahrungsnische erschließt und in die Höhe ausweicht.
Verbesserte Lebensraumangebote
Als ökologische Bereicherungen haben sich schon nach kurzer Zeit die Ausweitung der Etsch zwischen Eyrs und Laas und die Anlage eines Laichteiches in der Au und im Schilfgürtel der Schgumser Möser südöstlich von Tschengls erwiesen. Auch die Ausweitung des Rambaches in seinem Unterlauf zwischen Laatsch und Glurns ist zwar ebenfalls auf einen kurzen Abschnitt beschränkt, aber ein wertvoller Beitrag in einem neuen Verständnis von Gewässerökologie.
Am erwähnten Abschnitt der Etsch westlich von Laas habe ich zur Zugzeit im Frühjahr 2021 einen kleinen Trupp von 5-6 Gänsesägern (Mergus merganser) beobachten können.
Im stufenweise abgemähten Schilfröhricht der Schgumser Möser im vormaligen Munitionslager des Militärs nordöstlich von Tschengls konnte ich 2021 im Herbst den Purpurreiher (Ardea purpurea) beobachten. Der Graureiher (Ardea cinerea) scheint sich stabil niedergelassen zu haben. Fast allabendlich kann man ihn am Laaser Himmel beobachten, wenn er jetzt im Sommer seinen Aufenthalt vom Jagdgebiet an der Etsch zu seinem Schlafbaum ändert.
Neuankömmling Höckerschwan
Sowohl im vorigen und im heurigen Jahr haben mir Leser der Miniaturen Fotos von den Höckerschwänen (Cygnus olor) mit Jungen geschickt, welche sie am Haidersee aufgenommen haben. Die Zahl der Jungschwäne nimmt von 2021 auf 2022 zu. So majestätisch sich die Schwäne präsentieren, ökologisch sind die Neuankömmlinge kein Segen für die anderen Arten am Haidersee ist: Schwäne sind sehr dominant, konkurrenzstark und territorial. An den inneralpinen Binnenseen werden sie schon fast invasiv. Für den Erhalt der Biodiversität anderer Schwimmvögel wie Haubentaucher oder Reiherenten nicht sehr vorteilhaft!
Das Brutgeschäft 2023 der Bartgeier
Bekanntlich gibt es in Südtirol derzeit fünf Paare von Bartgeiern (Gypatus barbatus), die sich allesamt im Vinschgau gebildet haben. Alle fünf Paare haben im laufenden Jahr eine Brut gezeitigt. Nachstehend fasse ich die Brutdaten 2023 nach Paaren zusammen. Diese Zusammenfassung ist mir möglich, weil mir die Förster Philipp Bertagnolli (Parkstation Martell), Klaus Bliem (Forststation Schlanders) und Hubert Stillebacher (Parkstation Stilfs) die Beobachtungsdaten zur Verfügung gestellt haben.
Das Marteller Paar hat seit 2015 bis 2023 in neun Jahren neun Junge zum Ausfliegen gebracht. Damit ist sein Bruterfolg 100 %. Der Jungvogel 2023 „Bergl-Martell“ hat am 7. Juli das Nest verlassen. Vom Marteller Paar ist das Weibchen als „Temperatio“ identifiziert. Dieser Vogel war bei der Freilassungsaktion im Jahr 2006 in der künstlichen Horstnische im Marteller Schludertal als nicht ganz flügges Junges freigesetzt worden. Temperatio ist demnach jetzt 17 Jahre alt und hat eben 2015 in dieser Verpaarung im Alter von neun Jahren sein erstes Junges erfolgreich aufgezogen. Temperatio hat nach Erreichen der Geschlechtsreife mit seinem Paarpartner in das Tal seiner Freilassung zurückgefunden. Diese Heimatverbundenheit wird in der Verhaltensforschung als Patrophilie bezeichnet. Der Partner von Temperatio ist genetisch noch nicht identifiziert. Er stammt aber jedenfalls aus einer Naturbrut im Freiland, weil er nicht beringt ist.
Das Bartgeier-Paar Oberland Reschen hat zwischen dem 6. und 9. Februar mit der Brut begonnen. Ein fraglicher Schlupf kann um den 14. Mai vermutet werden. Im Horst konnte in der Folge aber kein Jungvogel beobachtet werden. Der Brutmisserfolg ist wahrscheinlich auf die heftigen Interaktionen mit Steinadlern und Kolkraben zurückzuführen. Der männliche Paarpartner ist dank der aufmerksamen Beobachtungen des Grauner Jagdaufsehers Stefan Folie 2022 als „Kilian“ identifiziert, der Bartgeier Nr. 790 der als Jungvogel aus Gehegezucht 2014 im Debanttal im Nationalpark Hohe Tauern freigelassen worden war.
Das Bartgeierpaar Planeil/Matsch ist im Jahr 2022 von Planeil nach Matsch übersiedelt. Der Brutbeginn 2023 ist mit dem 1. Februar festsetzbar. Der Schlupf des Jungvogels ist zwischen dem 23. März und dem 7. April erfolgt. Die Brut war erfolgreich: Der Jungvogel ist am 6. Juli ausgeflogen. Der männliche Paarpartner ist „Haristrafu“, der Bartgeier 556, der 2008 im Martelltal freigelassen worden war.
Das Paar Pfossental hat mit der heurigen Brut am 4. Jänner begonnen, der Schlupf ist zwischen dem 28. Februar und dem 5. März erfolgt. Der Jungvogel ist erfolgreich aufgezogen worden und hat am 17. Juni den Horst verlassen. Ein Vogel des Paares Pfossental ist entweder Voltoi, der Bartgeier 494, freigelassen in Martell im Jahr 2006 oder Louis, der Bartgeier 364 mit Freilassung im Jahr 2000.
Das Paar Trafoi hat seine Brut zwischen dem 3. und 7. Jänner 2023 begonnen und der Jungvogel ist am 1. Juli aus dem Nest geflogen.
Mönchsgeier-Sichtungen
Zu den Bartgeiern gesellen sich seit zwei Jahren einzelne Exemplare von Mönchsgeiern (Aegypius monachus). Den ornithologischen Jahresberichten der AVK 2021 und 2022 kann man entnehmen, dass in Südtirol bisher sieben Beobachtungen dieser Geierart gemacht und gemeldet worden sind. 2022 ist Klaus Bliem in Planeil ein fotografischer Beleg dieser Vogelart gelungen.