Schloss Kastelbell - Es ist schon erstaunlich, dass der Vinschgau im Jahre 1923 drei Künstler hervorgebracht hat, welche die Bildhauerei nicht nur in unserem Tal sondern in ganz Südtirol geprägt haben. Die Rede ist von Friedrich Gurschler, geboren am 8. Februar 1923 in Schnals, Martin Rainer, geboren am 7. April 1923 ebenfalls im Schnalstal und Karl Grasser, geboren am 23. Dezember 1923 in Kortsch.
Ihre Jugend war geprägt vom Krieg, deshalb konnten sie erst spät an die Grödner Kunstschule in St. Ulrich gehen. Danach besuchten sie die Akademie der Bildenden Künste, Grasser in Wien, Gurschler in Nürnberg und Rainer in München.
Vergleichen kann man die drei Bildhauer nicht. Jeder ist eine eigene Persönlichkeit. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Jeder hatte seinen eigenen Duktus und jeder hatte seinen authentischen, unverkennbaren Stil gefunden. Das ist wohl das Schöne und Wertvolle.
Der Stil eines Bildhauers hängt unter anderem auch vom Material und von der Technik ab. Es macht nämlich einen Unterschied, ob der Bildhauer an Holz, Stein, Marmor, Bronze oder Kupferblech herangeht.
Friedrich Gurschler war ein Perfektionist, er wollte perfektionieren. Gurschler legte großen Wert aufs Detail, war detailverliebt. Motiv für seine Arbeiten war seine unmittelbare Umgebung (Mensch, Natur). Von seiner Naturverbundenheit und der Ehrfurcht vor der Schöpfung, was ihm zeitlebens Grundlage für sein Tun war, zeugen unter anderem seine sehr expressiven und ausdrucksstarken Tierplastiken (z. B. Panther-Bronze).
Für Karl Grasser war Religion im Werk immer ein großes Anliegen. Mag sein, dass Grasser, ebenso wie Gurschler, stilistisch manchmal noch ein wenig an die Romanik angelehnt war, aber auch er hatte seinen eigenen Stil. Unverkennbar ist Grassers Ausdruck der Hände und Gesichter in seinen Holzschnitten. Das Frische und Spontane läßt die Oberflächen fast schon lebendig erscheinen. Das ist nicht Naturalismus, das hat einen eigenen Ausdruck und erscheint schon ein wenig modern.
Fast schon abstrahiert erscheinen die Arbeiten Martin Rainers. Sein zarter, filigraner Stil hatte auch mit der Technik des Kupferblech treiben zu tun. Rainer hatte das Kupferblech in die Perfektion getrieben und mit dieser Technik hatte er auch den Plastiken seinen persönlichen Stempel aufgedrückt (z.B. Mönche auf dem Dorfbrunnen in Karthaus/Schnals, Modell in Kupferblech).
Ohne Gurschler, Grasser und Rainer wären die heutigen Bildhauer sicherlich nicht da, wo sie heute sind. Wenn heute auch ein anderer Zeitgeist herrscht, auf Gurschler, Grasser und Rainer konnte man aufbauen.
Peter Tscholl
Anlässlich des 100. Jubiläums zeigt das Kuratorium Schloss Kastelbell unter Obmann Gerold Tappeiner die Ausstellung „geboren 1923“. Die Eröffnung fand am 29.05. statt. Es werden rund 100 Werke der drei Künstler gezeigt, aufgeteilt in vier Themenkreise. Die Ausstellung ist bis zum 25. 06.2023 zugänglich. Öffnungszeiten 14 – 18 Uhr Dienstag bis Samstag und 11 – 18 Uhr sonn – und feiertags.
Lois Anvidalfarei aus Abtei, Alta Badia, gehört heute wohl zu den bedeutensten zeitgenössischen Bildhauern Europas. Er schreibt: „Als ich Schüler in der Kunstschule in St. Ulrich war, bin ich ihren Werken begegnet, später hatte ich das Glück alle drei persönlich kennen zu lernen. Ihre bäuerliche Herkunft, ihre einfache Erscheinung und die Art und Auffassung an den Skulpturen und Papierarbeiten heran zu gehen, verbindet sie und steht mir als Bildhauer und Zeichner sehr nahe. Die Geradlinigkeit, ihr Glaube, dazu auch eine geerdete Naivität in ihren Arbeiten, gemeint als gebürtiges, ursprüngliches Tun, abseits des Kunstbetriebs, unbeeinflusst von den gängigen Kunstrichtungen, zeichnet sie aus. Sie haben zweifelsohne die Kunstlandschaft in Südtirol geprägt“.
Lois Anvidalfarei, am 04.04.2023