Das Forscherteam Heimo Prünster und bauforschung-tirol (Barbara Lanz und Sonja Mitterer) untersucht im Auftrag des Landesdenkmalamts alle Gebäude und die Außenanlagen der Drususkaserne in Schlanders. Prünster ist freischaffender Architekt und beschäftigt sich seit ca. 15 Jahren mit der Aufarbeitung des Kulturerbes des Vallo Alpino in Südtirol und leitet ein Forschungsprojekt zu diesem Thema. bauforschung-tirol ist ein interdisziplinär besetztes Team aus freien Büros, das seit mehr als 20 Jahren im Bereich von Ortsbildschutz und Kulturlandschaft, Baugeschichte und Baudenkmalpflege aktiv ist.
Vinschgerwind: Sie arbeiten im Auftrag des Landesdenkmalamtes und führen derzeit Untersuchungen an der Bausubstanz der Drususkaserne in Schlanders durch. Warum? Was ist das Ziel dieser Analysen und Recherchen?
Heimo Prünster: Die Gesamtanlage der Drususkaserne in Schlanders wird bauhistorisch untersucht, um im Hinblick auf künftige Planungen den historischen Bestand berücksichtigen zu können und im Vorfeld Fragen zu klären, die für die Planung von Bedeutung sind. Die Untersuchung zielt auf die Klärung von strukturellen, stilistischen und funktionalen Zusammenhängen des Baugefüges mit zugehörigen Oberflächen und baufesten Ausstattungen. Sie dient neben der Dokumentation des historischen Bestandes auch der Überprüfung bauhistorischer Wertigkeiten zur Ausweisung schützens- und erhaltenswerter Bauteile und als Grundlage zur Beurteilung durch Ämter und Behörden.
Vinschgerwind: Zu welchem ersten Zwischenergebnis sind Sie gekommen?
Heimo Prünster: Nach Begehung und detaillierter Begutachtung des Kasernenareals sowie nach Abgleich des Bestandes mit den bisher ausgehobenen historischen Plänen und Fotoaufnahmen lässt sich sagen, dass der Originalbestand von 1936 nahezu unverändert erhalten ist. Sowohl die Außenanlagen mit Umfassungsmauern, wie die einzelnen Gebäude selbst sind trotz der durchgehenden Nutzung seit den 1930er Jahren zu großen Teilen, sogar bis hin zu den Ausstattungen wie Fenster, Türen, Geländer, Böden, usw. kaum verändert. Auch die ursprüngliche Nutzung der Gebäude und der einzelnen Räume ist heute noch deutlich abzulesen.
Vinschgerwind: Wie reiht sich die Drususkaserne Schlanders in diese Militärarchitektur ein? Was ist das Besondere daran?
Barbara Lanz: Für den Kasernenbau des italienischen Heeres gab es sehr genaue Vorgaben, auch die Drususkaserne wurde danach errichtet. Die effektive Größe der Anlage richtete sich nach der Art und Größe der Truppe, die am jeweiligen Ort untergebracht werden sollte, meistens ein Regiment. Die Kasernenanlage von Schlanders entstand in einem ländlichen Gebiet, das vorher keine solchen Großstrukturen kannte, das war sicher ein Wendepunkt in der Dorfgeschichte.
Sonja Mitterer: Die Drususkaserne besitzt Alleinstellungsmerkmale, die sie von gleichartigen Anlagen im Südtiroler Kasernenbestand unterscheiden. Die Hauptfassade der Palazzina Comando und der Vorbereich mit dem repräsentativ gestalteten Treppenaufgang sowie das Kommandogebäude des übergeordneten Divisionskommandos in Meran weisen einzigartige Gestaltungen auf.
Vinschgerwind: Das eine ist die Bauforschung, die andere Seite, die erforscht wird, geht über diese technische Seite – wenn so will – hinaus und ist die menschliche Seite. Die Spuren der „Bewohner“ werden aufgenommen, menschlichen Schicksalen nachgespürt. Welche ersten Ergebnisse gibt es auf dieser Ebene?
Sonja Mitterer: Die Arbeiten hierzu sind noch im Gange. Es ergibt sich jedenfalls ein sehr vielfältiges Bild mit sehr verschiedenartigen Schicksalen, Freude und Leid, Freundschaft, Liebe und Vielem mehr. Das Positive scheint aber bei Weitem zu überwiegen.
Vinschgerwind: Vor dem Hintergrund der ersten Ergebnisse und aus Sicht der Bauforschung: Was sagen Sie zu den Abrissplänen der Gemeinde Schlanders?
Barbara Lanz: Wir sehen all diese Strukturen als eine Ressource, deren Inwertsetzung und Nutzung noch kaum begonnen hat. Kasernen und Bunker sind wie Burgen und Festungen ein historisch gesehen noch junger, aber sehr wichtiger Bestandteil unserer Landesgeschichte, der die Einzigartigkeit unserer Identität im Grenzgebiet deutlich macht. Wer würde schon auf die Idee kommen, kulturelle Highlights wie unsere Schlösser für ein Wohnbauprojekt zu schleifen?
Heimo Prünster: Langfristig gesehen ist eine Nachnutzung einer Kaserne in zweierlei Hinsicht vorteilhaft: Erhaltung eines Kulturerbes und ressourcenschonende Nachnutzung.
Die Gebäude sind teilweise 100 Meter lang und bis zu vier Geschosse hoch. Nicht nur produziert ein Abriss Unmengen an Bauschutt, es wurden hier keineswegs billige Materialien verwendet oder billig gebaut. Für die Mauern wurden Steine aus der Umgebung verwendet, für die Böden in der Palazzina Comando sogar Marmor.
Vinschgerwind: Wie würden Sie bzw. die Arbeitsgemeinschaft das Kasernenareal bespielen?
Heimo Prünster: Das Areal umfasst mit ca. 3,5 Hektar eine riesige Fläche, auf der weit mehr Platz haben kann als eine reine Wohnnutzung. Vielmehr könnte man eine Mischnutzung zwischen Büros, Wohnungen, Infrastrukturen anstreben und auch die umliegenden Strukturen einbinden, z. B. Werkstätten für die Gewerbeschule schaffen. Die einfache modulare Gebäudestruktur mit wenigen Binnenstrukturen, die großen Raumhöhen und auch der allgemein gute Erhaltungszustand erlauben definitiv eine flexible Umnutzung.
Interview: Angelika Ploner