Gastbeitrag von David Schönegger- skepTisch
Brauche ich zusätzliche Vitamine?“ Das ist eine Frage, die sich auch Südtiroler:innen stellen und dann zu Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) greifen. Ob in Kapselform, als Brausetabletten oder kleine Fläschchen - das Angebot ist groß. In Deutschland und Österreich wächst der Absatz, von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten jährlich, sodass NEM bereits einen beträchtlichen Anteil am Umsatz in den Apotheken ausmachen. Die deutsche Verbraucherzentrale gibt an, dass 51% der deutschen Bevölkerung glauben, dass Nahrungsergänzungsmittel die Gesundheit fördern. Doch tun sie das wirklich?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) weist darauf hin, dass der Großteil der Deutschen gut mit Vitaminen versorgt sei und in den meisten Fällen eine Ergänzung durch Vitamin- und Mineralstoffpräparate keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Das bestätigt auch die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Allerdings verweisen sowohl die DGE als auch die AGES auf Ausnahmen in besonderen Lebenssituationen. Dazu zählen zum Beispiel Schwangerschaft oder Hochleistungssport. In diesen speziellen Fällen sollten die Vor- und Nachteile mit dem Arzt oder der Ärztin des Vertrauens besprochen und individuelle Entscheidungen getroffen werden.
Leider findet man viele Anbieter, auf deren Internetseiten Vitaminpräparate als Allheilmittel angepriesen wer-den. Ob für stabile Knochen, glatte Haut, ein starkes Immunsystem oder mehr Energie im Alltag - die Hersteller versprechen das passende Präparat. Die Wirkung ist meist nicht nachgewiesen.
Welche Probleme bringt die Einnahme von NEM mit sich?
• Wechselwirkungen mit Medikamenten: NEM können die Wirksamkeit von Medikamenten verändern. Zinkpräparate zum Beispiel beeinflussen die Wirkung einiger Antibiotika.
• Überdosierung: Ein weiteres Problem stellt die Dosierung der Präparate dar. Viele NEM sind zu hoch dosiert und überschreiten die täglich empfohlene Dosis um bis zu 300 Prozent. Während bei den wasserlöslichen Vitaminen (C, B-Vitamine) ein Überschuss meist noch über den Harn ausgeschieden werden kann, werden fettlösliche Vitamine (A, D,E,K) im Körper gespeichert. So kann ein Überschuss an Vitamin D in schweren Fällen sogar die Niere schädigen und Herzrhythmusstörungen hervorrufen.
• Mangelnde Kontrolle: Während bei Arzneimitteln vor der Zulassung Daten über ihre Wirksamkeit vorliegen müssen, ist bei NEM nur eine Registrierung notwendig.
Beliebte Präparate
Vitamin C: Eine zusätzliche Ergänzung ist nicht notwendig. Die regelmäßige Einnahme schützt nicht vor Erkältun-gen. Auch die Dauer einer Erkältung wird durch Vitamin C-Ergänzung nur unwesentlich verkürzt (von durchschnittlich 7 auf 6,5 Tagen). Bei Niereninsuffizienz ist von einer Vitamin-C-Ergänzung überhaupt abzuraten, da es sich in der Niere ablagern und diese zusätzlich schädigen kann. Der tägliche Bedarf an Vitamin C kann normalerweise zur Gänze über den Verzehr von rohem Gemüse und Obst gedeckt werden.
Magnesium: Eine zusätzliche Magnesiumzufuhr ist nicht notwendig - auch nicht zur Prävention von Muskelkrämpfen. Bei chronischen Magen-Darm-Beschwerden kann man hingegen nach ärztlicher Absprache eine ergänzende Einnahme von Magnesium erwägen.
Vitamin D: Vitamin D-Ergänzung schützt nicht vor Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jedoch steht das Risiko, in den Wintermonaten an Atemwegsinfekten zu erkranken, im Zusammenhang mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Ob hier eine Ergänzung durch Präparate Schutz bietet, ist unklar. Vitamin D senkt in Kombination mit Calcium das Frakturrisiko durch Osteoporose, allerdings nur sehr gering.
Um obengenannte Risiken für Niere und Herz zu minimieren, sollte auch eine Vitamin-D-Ergänzung nur nach ärztlicher Beratung erfolgen. 5-25 Minuten in der Sonne reichen im Allgemeinen aus, um den Tagesbedarf an Vitamin D zu decken. Dabei sollten das Gesicht und größere Teile von Armen und Beinen unbedeckt sein.
Vitamin B12: Ergänzung ist unter anderem für Menschen, die gänzlich auf tierische Nahrungsmittel verzichten, sinnvoll.
„Bunte Pillen fürs gute Gewissen“, so schreibt die DGE in einer Presseaussendung. NEM sollten nicht als Ausgleich für ungesunde Lebensgewohnheiten wie Rauchen und Bewegungsmangel genutzt werden. Auf Präparate, die in der Werbung und in Apothekenschaufenstern angepriesen werden, darf und kann man gerne verzichten.
David Schönegger
Ein Dank für seine Unterstützung gilt Herrn Prof. Dr. med. univ. Ramon Tasan vom Institut für Pharmakologie, Medizinische Universität Innsbruck