Frau Rosina ist als Mundartdichterin, als Autorin von Einaktern und als Theaterspielerin weit über Taufers i. M. hinaus bekannt. Heute lebt sie zurückgezogen, verfolgt aber das Leben nach wie vor mit wachem Geist. Sie ist seit jeher kulturinteressiert und weiß viel zu erzählen.
von Magdalena Dietl Sapelza
Untern Kini geborn, untern Mussolini aufgwochsn unt untern Hitler Schual gongen.“ Mit diesen Worten bringt Rosina die Erinnerung aus ihrer Kindheit auf den Punkt. „Unt i bin olm gearn Schual gongen“, ergänzt sie, „sell isch für miar di scheanscht Zeit gwesn.“ Sie war die jüngste von vier Kindern einer Zimmermanns- und Bauernfamilie. Eine leise Erinnerung hat sie noch an eine versteckte Deutschstunde. „Norr isch’s Viva il Duce leiser gwortn unt ’s Heil Hitler lauter“, betont sie. In der Kriegszeit sei das Essen rationiert gewesen, man habe aber nie Hunger gelitten, erklärt sie. „I hon obr a nimmr gwisst, wia a Tschugglat schmeckt.“ Noch gut erinnert sie sich an den „Weißen Sonntag“ 1945 und an den Riesenknall beim Abwurf einer Bombe am unteren Berg und kurz darauf einer weiteren auf Schweizer Seite. Bei Kriegsende erschrak sie über die amerikanischen Panzer, die die Fensterscheiben erzittern ließen. „Oa Soldot isch sou schworz gwesn wia dr Tuifl“, beschreibt sie. Die Amerikaner, die im Hotel Lamm einquartiert waren, seien aber recht nett gewesen und irgendwann im Herbst verschwunden. Rosina hätte gerne eine höhere Schule besucht, doch sie wurde daheim gebraucht. Bei den Klosterfrauen lernte sie das Nähen, bei der Mutter das Kochen. Eine Saison lang verkaufte sie Postkarten in einem Kiosk auf dem Umbrailpass und sie führte den Haushalt ihrer Tante in Taufers. Sie liebte das Theaterspielen. Beim Wildererstück „Der Geist vom Waldbach Schrofen“ verliebte sie sich in den Regisseur Bruno Spiess. Er war 13 Jahre älter als sie. Da die Verbindung nicht gerne gesehen wurde, trafen sie sich heimlich. „Wo di Liab treibt, isch koa Weg z’weit“, lacht sie. „Obr drhoam hobm si toun wia aus.“ Nachdem sie schwanger geworden war, heiratete das Paar und teilte sich die Wohnung mit der Großfamilie in seinem Elternhaus. „Di Leit hobm di Hänt zommgschlogn, unt hobm gsogg, deis konn nit guat geahn“ erinnert sie sich. „Ober miar hobm norr olm guat gschoffn.“ Für ihren Schwiegervater formulierte sie oftmals Briefe, was als Übung für ihre spätere schriftstellerischen Tätigkeiten zugute kam. Ihr Mann verdiente den Lebensunterhalt als gelegentlicher Waldarbeiter und Schmuggler, denn es gab keine anderen Arbeitsmöglichkeiten. Rosina versorgte den Haushalt und kümmerte sich um ihre Kinder. „Mit 30 Johr hon i schun sechs Kindr kopp“, sagt sie. Die Windeln wusch sie im Bach der 500 Meter entfernten Schmiede. Das Wasser holte sie aus dem „Plurwaal“. Denn erst viel später konnte der Wasseranschluss bezahlt werden. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich, nachdem Bruno eine Anstellung beim Straßendienst erhalten hatte. Die Familie lebte daraufhin mehrere Jahre lang im roten ANAS-Haus am Dorfeingang, im so genannten „Loch“ und kehrte erst 1970 wieder in Brunos Elternhaus zurück. Dort kümmerte sich Rosina dann um die Schwiegereltern. „In Loch hots inz guat gfolln, wenn a dr Weg in Dorf inni a weit gwesn isch“, erklärt sie. Rosina pflegte die Geselligkeit, spielte Theater, als die Kinder größer waren, und begleitet ihren Mann, wenn er mit seiner Ziehharmonika auszog, um in Gasthäusern aufzuspielen. „Ohne miar isch er schun a oft af Gaude gwesn“, schmunzelt sie. Immer wieder griff Rosina zur Feder. Sie begann Alltagsgeschichten aufzuzeichnen und auch die Kriegserzählungen ihres Mannes. Sie schrieb Gedichte im Dialekt, veröffentlichte diese in Lokalzeitungen und schloss sich den Vinschger Mundartdichter:innen um Wilhelmine Habicher an. Geschickt verfasste sie Geschichten vom „Banklhuckn“ und lustige Einakter. Diese führte sie dann zusammen mit dem Tauferer Theaterspieler Adelbert Spiess jahrelang mit Erfolg auf vielen Bühnen Südtirols auf. Über 20 Jahre lang führte Rosina Gäste durch das Pfarrmuseum in der St. Michaelskirche. „Di Reformiertn sein gonz schorf af inzere Heilige“, lacht sie. Und sie leitete das Beten für Verstorbene. Auch sie selbst hatte den Tod ihrer Lieben zu beklagen. 2006 starb ihr Mann, 2012 verlor sie ihren Sohn Hansjörg und 2017 ihre Tochter Christine nach schwerer Krankheit. „Wenn Kindr vor oam sterbm, kimmp olz aui, wos ma moant folsch gmocht z’hobm“, betont sie.
Noch heute schreibt Rosina Beiträge für das Gemeindeblattl und vereinzelt auch Gedichte und Episoden aus dem Alltagsleben von einst und jetzt.
Seit Kurzem lebt sie zurückgezogen. Ihre Beine lassen sie im Stich. Dankbar ist sie für die Hilfe ihrer Familienangehörigen, die sich rührend um sie kümmern. Und dankbar ist sie auch für jeden Besuch. Denn sie „hoangortet“ gerne. Sie kann aus Erinnerungen schöpfen, die weit über denen aus ihrer Kindheit unter Mussolini und Hitler hinausgehen.