Eine Packung Kekse für dich

geschrieben von
Joy und Faith: Die Freundschaft wurde für beide Frauen eine Lebensstütze, sie haben alles geteilt, einen Lebensabschnitt, Wünsche und Hoffnungen, Essen, Kleidung, Gedanken, Geheimnisse. Joy und Faith: Die Freundschaft wurde für beide Frauen eine Lebensstütze, sie haben alles geteilt, einen Lebensabschnitt, Wünsche und Hoffnungen, Essen, Kleidung, Gedanken, Geheimnisse.

2016 legt das Schicksal bereits in Nigeria den Grundstein für eine Freundschaft,
die so manche Herausforderung in Zukunft meistern muss.

von Barbara Wopfner

Ich möchte den Leser:innen die Geschichte einer Freundschaft erzählen, die immer wieder getrennt wurde und dennoch immer wieder zusammenfinden durfte. Eine Geschichte über Freundschaft die zu Familie wurde.
2017 lernen die beiden jungen Frauen Joy und Faith in Nigeria, unabhängig voneinander, eine „Madame“ kennen. Die „Madame“ ist in Nigeria Teil einer Schleppergruppe, sie hat die Aufgabe Mädchen zu finden, anzusprechen, Freundschaft aufzubauen, Vertrauen zu gewinnen und verspricht ihnen schließlich zum „richtigen“ Zeitpunkt eine bessere Zukunft, in einem neuen – fremden Land. Das Vertrauen der Mädchen ist leicht zu gewinnen. Sie leben zu Hause ohne Aussicht auf eine bessere Zukunft, da kommt ein verlockendes Angebot einer netten Frau gerade gelegen, zu Hause hält sie wenig. Beide Mädchen, Joy und Faith willigen unabhängig voneinander, naiv und leichtgläubig, auf eine ungewisse Reise ein. Sie werden nach Lybien gebracht, zu Fuß und in einem Pickup, über Berge und Täler kommen sie endlich dort an. Einmal angekommen, müde, erschöpft und mittellos, erhalten sie die Botschaft, sie müssen die Reisekosten begleichen. Zum Begleichen der Reisekosten haben beide Frauen kein Geld, somit musste Geld auf jegliche Art und Weise beschafft werden. Zu diesem Zeitpunkt kannten sich die beiden Frauen noch nicht, erst im lybischen Camp bemerkt Joy eine schüchterne, zurückgezogene und verängstigte Faith. Joy beginnt sich um Faith zu kümmern. Sie nimmt sich ihrer an, besorgt ihr Essen und lässt sie nicht mehr aus den Augen. Für Faith ist das Camp wie ein einschüchternder Dschungel, in dem Joy ihr Anker wird.
Im Mai 2017 ist es dann so weit, sie werden auf ein Boot gebracht, es geht in Richtung Europa. 130 Personen auf einem Boot, es gibt keinen Sitzplatz alle müssen stehen. Nach wenigen Stunden wird das kleine Boot, von einem norwegischen Güterschiff gerettet, sie dürfen an Bord in einen Lagerraum, in dem bereits andere Flüchtlinge sitzen, die zuvor gerettet wurden. Schätzungsweise um die 1000 Personen. „Das Schiff hatte Kekse, Unmengen an Keksen gelagert“, erzählt Joy. Für die Überfahrt bekommt jede/r täglich eine Packung Kekse und etwas Wasser. Joy kümmert sich, dass auch Faith ihre tägliche Ration bekommt. Nach 3 Tagen kommen sie in Salerno an. Im Camp erhalten all diese Flüchtlinge eine Nummer, sie verstehen noch nicht für was diese Nummer sei. Bereits am nächsten Tag ist diese Nummer die Zuweisung zum Bus, der sie weiter nach Italien verteilen soll. Zufällig erhalten beiden Frauen die Nummer für den selben Bus und werden nach Bozen gebracht. Es ist Mitternacht als sie dort ankommen, kaum geschlafen, unsicher, kein Wort verstehend werden sie Zimmern zugeteilt. Im Gepäck, viele dramatische Erlebnisse, die so manche schlaflose Nacht hervorrufen. Auch hier wieder: Joy und Faith dürfen gemeinsam ins Zimmer, das sie sich für ein Jahr teilen werden. Joy ist jene, die recht viel in die Hand nimmt, sich schnell zu Recht findet und Faith nicht aus den Augen lässt.
Die Freundschaft festigt sich, im Grunde haben sie nur sich beide. Dann die Nachricht; Faith kommt nach Andrian in ein neues Camp, Mitspracherecht zum Umzug hat sie kaum. Eine Woche später die erlösende Nachricht, auch Joy wird nach Prissian in eine Sammelunterkunft für Familien gebracht, da sie schwanger ist. In dieser Zeit kann sich Joy liebevoll um sie kümmern. Auch Faith wird schwanger, hat jedoch große Probleme. Übelkeit, Geruchsempfindlichkeit, Brechreiz begleiten sie täglich. Joy bekocht sie, mit dem was sie sich wünscht und essen kann. Da das Camp in Andrian kein idealer Ort für Mütter mit Kleinkindern ist, muss Faith nach der Geburt erneut umziehen und sie bekommt einen Platz in einem sozialen Projekt im Unterland. Joy kommt wenig später ins Camp nach Schlanders, wo sie mit ihrem Partner endlich zusammenleben darf. 2020 schließt das Projekt im Unterland und Faith muss zum vierten Mal umziehen. Dieses Mal führt sie der Weg nach Latsch, in das Flüchtlingsprojekt SAI der Bezirksgemeinschaft, das Flüchtlingsfamilien begleitet. Dort darf sie endlich mit ihrem Mann und Vater des Kindes zusammenziehen, es ist nun Oktober 2020. Die örtliche Distanz hat die Freundschaft zu Joy in den vergangenen Monaten nicht geschmälert. Die Nähe zwischen Latsch und Schlanders ist für beide nun eine erfreuliche Nachricht. Im März 2021 bekommt Joy und ihrer Familie die Möglichkeit ins selbe Projekt zu kommen, wie Faith. Die Kinder dürfen heute, wie Geschwister Tür an Tür gemeinsam aufwachsen. Die Freundschaft wurde für beide Frauen eine Lebensstütze, sie haben alles geteilt, einen Lebensabschnitt, Wünsche und Hoffnungen, Essen, Kleidung, Gedanken, Geheimnisse. Sie waren, sind und bleiben füreinander da, in einem neuen Land, in dem sie auf Grund ihrer Hautfarbe so sehr auffallen, obwohl sie das gar nicht möchten.

Gelesen 1128 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 19 24

titel Vinschgerwind 18-24

titel vinschgerwind 17-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.