Buchbesprechung
Thomas Hettche:
Pfaueninsel.
btb Verlag: Berlin 2016. 352 S.
Als Waisenkinder kommen Marie und Christian, beide kleinwüchsig, in die Obhut des preußischen Königs. Er verfrachtet sie auf die Pfaueninsel nahe Potsdam und Berlin-Wannsee. Dort erleben sie eine heitere Kindheit, Thomas Hettche begleitet sie in einer seltsam aus der Zeit gefallenen Sprache. Meist ist Marie vom Erzähler flankiert. Von der Königin als Monster bezeichnet, genießt sie dennoch den Rang des Schlossfräuleins. Wird begafft und begehrt. Währenddessen verwandeln Gärtner aus allen Herren Ländern die Insel in ein schillerndes Refugium. Die Befreiungskriege gegen Napoleon und die Phase nach dem Wiener Kongress ziehen nahezu unbemerkt vorüber. Doch dann steht der Insel einiges bevor: Zu den botanischen Kostbarkeiten sollen exotische Tiere. Marie erkennt, dass dies zum Vergnügungsprogramm des Hofes genauso gehört wie die Zwerge, ein Riese und andere Kuriositäten. Dabei setzt schon bald das große Tiersterben ein, Rilkes Panther blickt benommen auf die Stäbe. Gerne würde Marie der Miniwelt entwischen, doch das gelingt nur ihrem Vertrauten Gustav, der Hofgärtner wird. Später kehrt er zurück und Maries Leben um. Wie die roten Glasscheiben, die sie so faszinieren, zerbersten einige Beziehungen. Alles im Umbruch. In der Stadt tobt die Revolution von 1848 und beginnt die Industrialisierung.
Ein Roman, der gelegentlich kneift wie eine preußische Uniform. Dann bauscht er sich wieder elegant auf und man lässt sich gern für einige Stunden hineinfallen. Historische Figuren und Verläufe sind penibel recherchiert. Wer die Geschichte der Zwergin Maria Dorothea Strakon liest, wird sie, ihre Liebesszenen und die sentimentalen Begegnungen am Ende ihres Lebens eine Weile behalten. Zudem enthält der mehrfach ausgezeichnete Roman eine tröstliche Reflexion über die Zeit. Wohltuende Lektüre, wenn auch etwas üppig.
Maria Raffeiner