Ein Fest für die Sinne

geschrieben von

Herbert Taschler, Udo Bernhart (Fotos)
Südtirol. Die junge Bergküche.
Christian Verlag: München 2022. 224 S.

 

Worin besteht die kulinarische Identität Südtirols? Aus dem Besten aus drei Welten. Die traditionellen Bauerngerichte sind nach wie vor beliebt. Wir mögen dampfende Knödel auf dem Mittagstisch genauso wie würzigen Speck auf dem Marendbrettl. So manchem noblen Gaumen mundeten in der Geschichte Gröstl und Brennsupp nicht. Feineres servierte die Küche der Donaumonarchie. Delikatessen wie exotische Früchte und Gewürze, auch Kaffee und Tee fanden ihren Weg ins heutige Südtirol, waren aber den Obrigkeiten vorbehalten. Nachdem das Land zu Italien gefallen war, besonders aber in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg und mit dem einsetzenden Tourismus, begegnete Südtirols Esskultur der Leggerezza der mediterranen und norditalienischen Küche. Und mit ihr mancher Köstlichkeit. Beinahe habe man sich in internationalen Trends á la Toast Hawaii verloren oder sich gar der einfachen Bauernküche geschämt, schreibt Herbert Taschler in seinem informativen Abriss über die Südtiroler Küche. s20_innenseitenGlücklicherweise besann man sich in den 70er Jahren auf das unverwechselbar Regionale. In der „neuen kulinarischen Identität der Südtiroler Küche“ verschmilzt alte Kost mit modernen Verarbeitungstechniken und der italienischen Kochtradition. Lokale Produkte bilden das Herzstück dieser neuen kulinarischen Identität, sorgsam hergestellt vom Bauern/Produzenten, dem wichtigen Partner des Küchenmeisters.

33 Genusstouren
Autor Herbert Taschler ist ein Gastronomiekenner. Aufgewachsen im Pustertal und im Überetsch zuhause, bereist und beschreibt er kulinarische Welten für renommierte Medien. Seine soeben erschienene Publikation stellt in 33 Ausflügen Kochtalente und ihre Betriebe vor, fragt sie nach ihrem Lieblingsgericht, präsentiert ihre Rezepte samt Weinempfehlung der Sommelier:es. Als besonderes Schmankerl schaut Taschler in Wein, Sekt-, Speck- und Käsekeller und stattet Hofbesuche ab. So erkennt man die Basis für die herausragende Küche, wertschätzt aber zudem die fleißigen Menschen dahinter.
Der Vinschger Fotograf Udo Bernhart setzt Menschen und Speisen fabelhaft in Szene. Mehr als eine Einladung zur Degustation.

Vinschger Meister:innen
In der Liga der außergewöhnlichen Küchenchefs und Kulinarik-Unternehmer spielt Chefköchin Evelin Frank. „Beste Qualität und am liebsten alles aus Südtirol“ kredenzt die Eyrserin in Burgstall. „Jung und wild, traditionell und weltoffen“ rockt sie seit 2016 die Küche im Muchele mit peppigen Neuinterpretationen wie Speckknödel 2.0.
Auf dem Weg von Burgstall in den Vinschgau lohnt sich ein Besuch bei Luis Haller, seines Zeichens Chefkoch in den historischen Mauern des Schlosswirt in Algund. Das Foto von seinem Laugenrindbackerl in Lagreinjus spricht wirklich Bände. Wäre eine Sünde, nicht einzukehren.
Der Autor wartet auch mit passionierten Hobbyköchen und ihren Lieblingsrezepten auf, unter ihnen ist Manuel Moro.

Für die hausgemachten Mezzelune darf es eine Kastanienfüllung sein, hergestellt in seiner privaten Küche in Kastelbell. Gemütlich beisammensitzen, ein gelungenes Essen bei einem guten Glas Wein: Pures Vergnügen.
Die junge Bergküche verwendet Kräuter. Trifft sich gut, dass die Marteller Kräuterrebellen Leander Regensburger und Lorenz Borghi an die 40 Bergkräuter, Blüten und Gewürze zu aromatischen Teemischungen vermengen.
Mit Lechner-Kraut und dem Schokoladenhersteller Venustis nimmt Taschler zwei Laaser Genusspioniere in seine Kollektion auf. Thomas Tappeiner schafft mit Frucht- und Likörschokoladen die Liaison zwischen Kakao und heimischem Obst. Experimentierfreudig gießt er Pralinen in Marmorwürfelform und bringt süße Überraschungen auf den Markt. Im Kontrast dazu stellt Lechner-Kraut in dritter Generation Sauerkraut her. Weil nicht mehr in jedem Keller ein Krautfass blubbert, versorgt der Familienbetrieb rund um Herbert und Evelyn Lechner seine Kunden mit dem natürlichen Produkt, das ohne Zusatzstoffe auskommt. Sogar Kimchi aus Vinschger Kobis ist erhältlich, denn Fermentation ist wieder angesagt!

Kaffee ist fest im kulinarischen Gedächtnis verankert. Lange war er Mangel-, eine Zeit lang auch Schmugglerware. Man nannte diese im Dialekt Kuntrawant, wovon Josef Gander aus Prad den Markennamen für seine Kaffeemanufaktur ableitete. Gander veredelt Kaffeebohnen aller Geschmacksnuancen in original Vinschger Röstung. Zum Genießen daheim oder in der stylischen Kaffeebar am Prader Hauptplatz.
Kuntrawant-Kaffee bekommt der Gast auch im Glurnser Restaurant Flurin von Thomas Ortler. Ein junger Schlemmerort in alten Mauern mit monatlich wechselnder Speisekarte, um auf das saisonale Angebot zu reagieren. Hiesige Zutaten verarbeitet die Flurinküche zu überraschenden Kreationen, die zeigen, wie elegant Vinschger Komponenten die Weltküche bespielen.
Zum Mohrenwirt auf dem Burgeiser Dorfplatz ist es nur mehr ein Katzensprung. Frische Produkte aus eigener Landwirtschaft und von nahen Zulieferern stehen auf der Zutatenliste von Chefkoch Roland Prieth. Seit einigen Jahren führt er die Küchengeschicke, kreiert Bewährtes und Neues. Passend zum geschichtsträchtigen Charme des Hauses, das in 14. Generation von Rudi Theiner und seinen Nachkommen geführt wird. Das Credo ihres Küchenchefs lautet: „Was ich mache, muss ich mit Liebe tun, dann bleibt Kochen eine Leidenschaft.“
„Südtirol. Die junge Bergküche“ ist ein Gustostückerl zum Lesen, Betrachten und Gluschten. Aber auch zum Verkosten und Nachkochen!

Maria Raffeiner

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