von Don Mario Pinggera - In der Tat hat die Studie zum Missbrauch durch kirchlich Bedienstete im Bistum München – Freising wenig überrascht. Es war so zu erwarten. Eine neue Qualität bekommt das Ganze allerdings, weil nun zum ersten Male ein emeritierter Papst involviert ist, Benedikt XVI. Äusserst unpassend hat er zunächst reagiert, indem er vorgab, an einer einschlägigen Sitzung im Jahre 1980 nicht dabei gewesen zu sein, in welcher es um einen Priester ging, der sich nachweislich strafbar gemacht hat. Aus der Natur der Sache ist ein mangelndes Erinnerungsvermögen in eigener Angelegenheit in einer solch prekären Situation völlig irrelevant. Benedikt zog es dann doch vor, Farbe zu bekennen, nachdem ein Protokoll eben dieser Sitzung seine Anwesenheit nachgewiesen hatte. Das alles ist starker Tabak und nicht so ohne weiteres zu verdauen. Ist es denn für einen bedeutungsvollen Mann der Kirche so schwer zu bekennen: „Ich habe einen Fehler gemacht!“? Nun wäre es zu kurz gegriffen, Benedikt XVI. alleine in die Verantwortung zu nehmen. Sein Vorgänger, Johannes Paul II. spielt hier nämlich eine bedeutende Rolle. Für ihn gab es Missbrauch in der Kirche schlicht nicht, es passte nicht in sein Bild. So hat er den Chef der „Legionäre Christi“ immer noch in den Himmel gelobt, als dessen sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche bereits bekannt waren. Er dürfte dem damaligen Leiter der Glaubenskongregation, Joseph Kardinal Ratzinger, wohl verboten haben, in Sachen Missbrauch aktiv zu werden. Johannes Paul II. zog es stattdessen vor, Befreiungstheologen in Südamerika massregeln zu lassen, statt wirkliche Verbrecher zu eliminieren. Er zog es vor, mahnende Stimmen, die einfach nachdachten, brutal kaltzustellen. Die Verlustwalze dieses Pontifikates ist lang: Hans Küng, Eugen Drewermann, Befreiungstheologie, die drei oberrheinischen Bischöfe Kasper, Saier und Lehmann, welche 1993 ein gut durchdachtes Papier zu Geschiedenen Wiederverheirateten veröffentlichen wollten, öffentliche Bedenken durch Kardinal König oder Bischof Stecher – all diese wurden einfach abgeschmettert. Anfragen von grossen Ortskirchen wie zum Beispiel Afrika wurden ohnehin nicht gehört. Hätte Johannes Paul II. die eigene Sturheit überwunden und ehrlich kritische Stimmen erhört, wären wir jetzt garantiert nicht dort, wo wir sind! Diktatorisches Gebaren hat sich bisher immer gerächt. Und der Fokus wird sich früher oder später auf Johannes Paul II. richten. Wobei wir das Ganze jetzt ausbaden müssen – nicht mehr er! Spätestens dann wird die Erkenntnis reifen, dass man dem Geschrei von „santo subito“ besser nicht nachgegeben hätte.