Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Lukas Ev., 18. Oktober 2021
Der Klimawandel durch die Erderwärmung ist zum Topthema geworden, das es nunmehr täglich auf die Titelseiten der Printmedien und zur Aufmacher-Meldung der Audiomedien schafft. Und was tun wir gegen den Klimawandel? Was sind wir bereit, an unserem Lebensstandard zu ändern? Dabei wird Klimaschutz binnen einer kurzen Zeitspanne zum akuten Menschenschutz.
Der 2. Südtiroler Klimaplan
In der Debatte unseres Südtiroler Landtages vom 6. Oktober d.J. hat unser Landeshauptmann Arno Kompatscher eingeräumt, dass die Ziele des 1. Südtiroler Klimaplanes 2011-2021 nicht erreicht worden sind. Der 1. Klimaplan „Energie-Südtirol 2050“ war unter Landeshauptmann Luis Durnwalder ausgearbeitet worden und hatte eine Laufzeit von zehn Jahren. Die wichtigsten Vorhaben aus dem Plan von vor zehn Jahren wurden im neuen Klimaplan fortgeschrieben. Dessen Entwurf hat die Landeregierung für Stellungnahmen durch uns Bürgerinnen und Bürger und/oder die verschiedenen Interessensgruppen auf den Weg geschickt. Der Landeshauptmann hat in der Landtagsdebatte zugesagt, dass in den neuen Klimaplan auch die Landwirtschaft und der Verkehr auf der Brennerautobahn aufgenommen werden, die im derzeitigen Entwurf nicht berücksichtigt sind.
Die Südtiroler Klimatreiber
Dem Klimareport 2018 der Europäischen Akademie Bozen ist zu entnehmen, dass in unserem Land Südtirol der Verkehr mit 50 %, unser Heizen mit 38 % und die Landwirtschaft mit 18 % die drei Haupttreiber des Treibhauseffektes sind.
Heute befindet sich eine so große Menge an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre wie zu keinen anderen Zeitpunkt in den vergangenen 800.000 Jahren. 80 % dieser Treibhausgase hat der Mensch in den letzten 150 Jahren verursacht – durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe und durch industrielle Prozesse. Der Gehalt an Kohlendioxid in der Erdatmosphäre in früheren Zeiten kann über einen langen Zeitraum aus der Untersuchung von Eisbohrkernen rekonstruiert werden.
Treibhausgase
Treibhausgase sind Kohlendioxid, Lachgas, Methan, Stickoxide und andere. Methan ist zwanzig Mal treibhausfördernder als Kohlendioxid. Methan entsteht unter anderem bei der Verdauung von wiederkauenden Tieren und großflächig weltweit beim Auftauen von Permafrostböden z. B. in Mooren.
Der natürliche Gehalt an Kohlendioxid in der Erdatmosphäre liegt bei 290 pars per million (ppm). Seit wir Menschen in der Industriellen Revolution mit der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdgas und Erdöl begonnen haben, steigt der Gehalt an Kohlendioxid durch den „menschengemachten“ Treibhauseffekt kontinuierlich an. Der natürliche Treibhauseffekt ist die Zurückspiegelung eines Teiles von Sonnenlicht als Wärmestrahlung an den Luftschichten der Erdatmosphäre. Er macht unsere Erde erst bewohnbar. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt würde auf der Erde eine Oberflächentemperatur von -18° C herrschen. Der natürliche Treibhauseffekt erwärmt die Erde auf +15° C. 1960 lag der Gehalt an Kohlendioxid auf der Erde bei 315 ppm, 2021 liegt er aktuell bei 420 ppm. Und zur nächsten Jahrhundertwende wird er nach optimistischen Prognosen der Klimaforscher bei 550 ppm, nach pessimistischen dagegen bei 990 ppm liegen.
Die Weltklimakonferenz von Paris hat im Jahr 2015 beschlossen, die Erderwärmung auf maximal +1,5° C einzugrenzen und die Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 auf 40 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Im Moment sind wir aber zu einer Erwärmung von 3-4° unterwegs. Die Regierungschefs der G20-Staaten haben die Klimaziele von Paris noch verschärft und der „Green Deal“ der Europäischen Kommission von 2019 sieht vor, die CO2-Emissionen Europas bis 2030 um 55 % zu senken und Europa als ersten Kontinenten bis 2050 klimaneutral zu machen.
In den letzten 100 Jahren ist die Lufttemperatur auf unserer Erde um 0,82° C angestiegen, in den letzten sechs Jahren seit der Pariser Klimakonferenz von 2015 bis 2021 allein schon um weitere 0,4° C. Vom Klimaziel in Paris, die Erderwärmung auf +1,5° C bis zur Jahrhundertwende 2100 einzubremsen, haben wir also schon +1,2° C oder 80 % schon „verbraucht“, ¼ davon allein in den letzten sechs Jahren.
Die CO2-Äquivalente von uns Südtirolern
Wenn man die sogenannte „graue“ Energie für Transport von importierten Gütern dazurechnet, erzeugt jede Südtirolerin und jeder Südtiroler heute 7,5 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. 5 km Autofahren erzeugen 1 kg Kohlendioxid-Emission und diese verursacht z. B. ein Abschmelzen von 15 kg Gletschereis. Ein Molekül Kohlendioxid bleibt in der Erdatmosphäre 120 Jahre bestehen.
Grünes Schrumpfen statt grünes Wachsen
Georg Kaser, der Südtiroler Universitätsprofessor und renommierte Kryosphärenforscher in Innsbruck, Mitverfasser des Weltklimaberichtes im Sachbereich Gletscher und Eis, ist seit Jahren ein permanenter und glaubwürdiger Mahner: „Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nicht entscheidend auf die menschengemachte Erderwärmung reagieren und das +1,5° C-Ziel verfehlen, wird es brandgefährlich!“
Wirtschaft, Technik und Politik versuchen immer noch, auf den Klimawandel (nur) mit technischen Lösungen zu reagieren: Elektro- und Wasserstoffmotoren statt Verbrennungsmotoren, Windkraft und Solarenergie. Technische Lösungen allein werden aber nicht reichen, um den Klimawandel zu bewältigen. Wie hat es doch die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann von der Berliner Tageszeitung TAZ bei den diesjährigen Toblacher Gesprächen drastisch formuliert: „Mit der Natur kann man nicht verhandeln. Die Natur kann permanentes Wachstum nicht mehr tolerieren. Es kann nicht mehr um grünes Wachstum gehen, grünes Schrumpfen ist angesagt: nicht mehr fliegen, nicht mehr mit dem Privatauto fahren, nicht mehr Fleisch essen. Es geht um das Überleben der Menschheit.“