Rabland leidet unter dem Verkehr. Eh klar! Aber unter welchem Verkehr leidet es denn?
Unterm Zugverkehr? Unterm Fahrradverkehr? Unterm Fußgängerverkehr? Nein! Rabland, und mit ihm der gesamte Vinschgau, leiden unterm Autoverkehr! Seit ich in Partschins lebe – das sind nun 31 Jahre – geht es um die Reduktion der Autobelastung in Rabland. Und niemand hat die Lösung gefunden, geschweige, den Autoverkehr vermindert. Alle Planungen sind gescheitert; am Geld, am Grundwasser, an Eigentumsverhältnissen, an fixen Ideen aller Beteiligten.
Und jetzt kommt die Er-Lösung! Die große Umfahrung der Töll mit einem Tunnel von Marling nach Naturns. Die ultimative und innovative, endgültige und zukunftsfähige Lösung!
Ich aber denke mir: In ganz Südtirol leiden wir unterm Autoverkehr! Wenn wir logisch denken würden, sollten wir also diese Belastung reduzieren, wir sollten dafür sorgen, dass weniger Autos zu uns kommen, dass auch wir selbst weniger Autos benutzen müssen bzw. können. Aber nein, mit dieser Megauntertunnelung knien wir uns zum wiederholten Male vor dem Götzen Auto nieder und bauen ihm eine kolossale Struktur! Ja, wir fördern damit den Autoverkehr, der uns so stört. Eigentlich eine Perversität! Oder Masochismus, je nachdem.
Denn noch NIE haben größere Autostrukturen den Autoverkehr vermindert! Nirgendwo in der Welt gibt es einen Beweis dazu! Vielleicht entlastet man das eine oder andere Dorf, aber insgesamt nimmt durch Autostrukturen auch der Autoverkehr zu. Im Jahr nach der MeBo-Eröffnung stieg der Transitverkehr durch den Vinschgau um 7% an! Und tut es seitdem weiter… Eine große Umfahrung der Töll würde den Vinschgau für Mautflüchtlinge auf dem Weg von Südwestdeutschland nach Italien und zurück noch attraktiver machen! Also ziehen wir durch diese „Lösung“ Autos an wie ein Magnet das Eisen! Im Prinzip also eine ziemlich dumme und noch dazu extrem teure Verrücktheit! Ein Kilometer Straßentunnel kostet hier in Südtirol ca. 30 – 40 Millionen Euro! Die Wiederherstellung der gesamten Vinschger Bahn hat damals ca. 100 Mio. Euro gekostet!
Was will ich damit sagen?
Wenn wir Rabland und den Vinschgau entlasten wollen, müssen wir – und auch alle anderen Gemeinden entlang der Strecke Bozen – Landeck, den Autoverkehr verringern; nicht fördern!
Wie können wir das aber tun?
1. Großräumig:
Wir haben Schienen. Wir elektrifizieren gerade die Vinschger Bahn. Wir könnten als Land Südtirol auch die Strecke Bozen Meran mit einem zweiten Gleis ausbauen, wir könnten direkte Züge von München nach Meran und von Verona nach Innichen einrichten. Der Railjet von Bozen nach Wien, den das Land Südtirol mit einer Million Euro pro Jahr fördert, ist seit 2019 eine Erfolgsgeschichte und der Beweis, dass so etwas geht! Es gibt fortgeschrittene Planungen einer Zuganbindung in die Schweiz, damit wären auch Direktzüge von und nach Zürich möglich! Es geht also darum, den touristischen automobilen Individualverkehr auf modernere und klimafreundlichere Verkehrsmittel umzuleiten. Ich denke, ein Drittel der Anreisen können in sehr kurzer Zeit umgeleitet werden, die Gäste sind dazu bereit! Wir könnten Nachtzüge wieder über Südtirol leiten, oder „Kurswagen“ direkt zu uns kommen lassen, alles Dinge, die es vor 50 Jahren (!) schon gegeben hat! Nichts Neues!! Da könnte sich die finanzstarke und politisch schwergewichtige Tourismuswirtschaft schon ins Zeug legen! Leider hat die Landespolitik seit 1989 die Qualität ihrer Entscheidungen ausschließlich in Tonnen Beton gemessen, und da waren Straßen und Tunnels natürlich effektvoller, als neue Züge auf alten Strecken! Software hat den damaligen Landeshauptmann nie interessiert, er hatte keinen Computer, daher war nur gut, was dieser Mann sehen konnte! Wer also heute noch für solche Megastrukturen fürs Auto ist, handelt bewusst gegen die Menschen im Vinschgau! Denn die Abgase bleiben auch mit Tunnel im Tal! Der Vinschgau ist jetzt schon von Autos überlastet: Und da wollen wir noch mehr davon hereinleiten?
2. Kleinräumig
Wie oft wird gesagt und geschrieben, dass der Verkehr - eigentlich: der AUTOverkehr - hausgemacht sei! Ja, klar, das ist er! Wenn ich Straßen baue, werde ich Autoverkehr ernten! Wer in den Gemeinderäten des Vinschgaues benutzt regelmäßig Öffis? Nur der oder die versteht, wie mangelhaft der öffentliche Verkehr immer noch ist! Wer nie Öffis benutzt, sollte in der sogenannten „Verkehrsproblematik“ gar nicht mitreden dürfen! Wie kann ich mit dem Zug schnell zum Brenner und Innsbruck kommen, wenn jeder zweite Zug in Meran 30 Minuten Wartezeit verlangt? Oder wer fährt mit dem Auto ins Kino oder Theater nach Meran, wenn er nach 8 Uhr abends nicht mehr nach Hause kommt? Wer aus den heutigen Gemeinderäten ist jemals nach 20:00 Uhr mit Öffis von Meran in die Dörfer nach Hause gefahren? Öffis sind nicht nur für Touristen oder Schülerinnen; nein, Öffis müssen Autofahrten und Pendlerfahrten ersetzen, und zwar in bequemer und attraktiver Wiese. Aber hätten wir denn im Vinschgau überhaupt Pendlerparkplätze? In manchen Orten schon, in anderen muss eine Gebühr bezahlt werden! Ja, wer soll sich denn da entschließen, den Zug zu benutzen, wenn er noch dafür bestraft wird?
So steht der gesamte Vinschgau, besonders aber die mit über 18.000 Autos täglich am stärksten betroffene Ortschaft Rabland, vor einer großen Entscheidung! Entweder hängen wir uns an die verlockende, aber kurzsichtige Forderung nach der großen und wohl 3 - 400 Millionen Euro Steuergeld teuren Untertunnelung an, oder wir setzen uns konsequent für die Verringerung jenes Übels ein, unter dem wir alle leiden: des Autoverkehrs! Und wenn wir den vermindern, kommen wir auch mit einer viel kleineren und viel billigeren, oberflächigen Umfahrung von Rabland aus! Die gesparten hunderten Millionen geben wir dann für die Verbesserung der Bus- und Zugverbindungen aus!
Sigmund Kripp im Oktober 2021