Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 

Kultur: Zeit und Wind

geschrieben von
Der Vinschgau ist zwar eher bekannt wegen seiner vielen Bauten und Kunstwerke aus der „romanischen“ Zeit, jetzt aber bietet sich mit der Gotik ein neuer Schwerpunkt an. Der Rückgriff auf die Franken (sinnvoller als der Begriff „Gotik“ wäre die Bezeichnung „Kunst der Franken“) und ihre keltischen Wurzeln ist aufregend und muss erst noch entschlüsselt werden. Mit farbigem Glas zum Schein und zum Schrein der Wahrheit - Reste sind noch in der Kapelle von Schloss Tirol erhalten. Sonst aber ist vieles von der Gotik verschwunden, auch durch die „Säuberungen“ der Aufklärung. Der Vinschgau ist zwar eher bekannt wegen seiner vielen Bauten und Kunstwerke aus der „romanischen“ Zeit, jetzt aber bietet sich mit der Gotik ein neuer Schwerpunkt an. Der Rückgriff auf die Franken (sinnvoller als der Begriff „Gotik“ wäre die Bezeichnung „Kunst der Franken“) und ihre keltischen Wurzeln ist aufregend und muss erst noch entschlüsselt werden. Mit farbigem Glas zum Schein und zum Schrein der Wahrheit - Reste sind noch in der Kapelle von Schloss Tirol erhalten. Sonst aber ist vieles von der Gotik verschwunden, auch durch die „Säuberungen“ der Aufklärung.

Viele Jahre lang zerrte der Vinschger Wind an den ­großen Zeigern der Malser Turmuhr, deren Gewichte noch händisch aufgezogen wurden. Vier Turmknechte wechselten sich jeden zweiten Tag P1030460P1030487ab, bei starkem Wind musste eingegriffen werden. Die Turmknechte mussten nachhelfen, indem sie in die großen Gewichtszylinder einen Stein dazulegten oder herausnahmen. Man musste dem ablaufenden Räderwerk gut zureden, damit der Mechanismus im Sinne der genauen Zeitmessung arbeitete. Für die Turmwächter gab es über dem Glockenstuhl eine kleine Schlafstätte mit gemauertem Ofen und einer Kochgelegenheit.
Das Nordfenster des Malser Turmes ist mit reichem gotischen Maßwerk ausgestattet. Der Turm sollte auch wesentlich höher werden. Dann kam aber ein „neuer“ Wind aus dem nahen Engadin und zwar die ­Reformation. Unter ihrem Einfluss wollte man nichts mehr wissen von der katholischen Macht- und Prunksucht und begnügte sich als Abschluss des Turmbaues mit einer gemauerten Pyramide.
KulturHansDer Glockenstuhl in Schlanders beeindruckt durch vier, reich mit gotischem Maßwerk versehenen Schallfenster, in denen sich die intelektuelle Spielfreude der ­Gotik mit den vielen geometrischen ­Formen entfalten konnte. Ausgangspunkt ist oft der Fisch, das christliche Symbol schlechthin. Die Buchstaben des griechischen Wortes „ichtys“ für Fisch enthalten ein kurzgefasstes Glaubensbekenntnis: „Jesus, der gesalbte Sohn Gottes, ist unser Erlöser.“
Dreiblatt mit Nonnenköpfen, Fischblasen mit zwei Nonnen­köpfen, Zweischweif ... oft lässt die Terminologie an sich bewegende Fische denken.
Im Südfenster der Michaelskirche von Schlanders drehen sich Fischblasen. Kühn sind die Deutungen: Sich drehende Zwillinge im Mutterleib, Yin und Yang.
Symbolische Schmuckformen beherrschen das spätgotische Maßwerk: Dreipass, Vierpass und P1030471Fünfpass ... Aufstrebendes und Varia­tionen zur Dreifaltigkeit.
Durch Überlappung von zwei gleich großen Kreisbögen entsteht in der Aussparung eine Fläche in Fischform. Die Fischblase dient nicht so sehr dem Schwimmen, sondern ermöglicht den Fischen das Schweben im Wasser. So ähnlich fühlen sich Besucher im Glockenstuhl, wenn das Sonnenlicht im Maßwerk zu leuchten beginnt.
vesica piscis fischblaseRechts: Eine kleine im Maßwerk des Ostfensters erkennbare Glocke erinnert an die Zeit, als den Turmknechten bei der Wandlung „von unten“, also vom Priester Zeichen zum Einsatz für das Läuten der Glocken gegeben wurde.
Hans Wielander

Gelesen 2389 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 22 24

titel Vinschgerwind 21-24

titel vinschgerwind 20-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.