Viele Jahre lang zerrte der Vinschger Wind an den großen Zeigern der Malser Turmuhr, deren Gewichte noch händisch aufgezogen wurden. Vier Turmknechte wechselten sich jeden zweiten Tag ab, bei starkem Wind musste eingegriffen werden. Die Turmknechte mussten nachhelfen, indem sie in die großen Gewichtszylinder einen Stein dazulegten oder herausnahmen. Man musste dem ablaufenden Räderwerk gut zureden, damit der Mechanismus im Sinne der genauen Zeitmessung arbeitete. Für die Turmwächter gab es über dem Glockenstuhl eine kleine Schlafstätte mit gemauertem Ofen und einer Kochgelegenheit.
Das Nordfenster des Malser Turmes ist mit reichem gotischen Maßwerk ausgestattet. Der Turm sollte auch wesentlich höher werden. Dann kam aber ein „neuer“ Wind aus dem nahen Engadin und zwar die Reformation. Unter ihrem Einfluss wollte man nichts mehr wissen von der katholischen Macht- und Prunksucht und begnügte sich als Abschluss des Turmbaues mit einer gemauerten Pyramide.
Der Glockenstuhl in Schlanders beeindruckt durch vier, reich mit gotischem Maßwerk versehenen Schallfenster, in denen sich die intelektuelle Spielfreude der Gotik mit den vielen geometrischen Formen entfalten konnte. Ausgangspunkt ist oft der Fisch, das christliche Symbol schlechthin. Die Buchstaben des griechischen Wortes „ichtys“ für Fisch enthalten ein kurzgefasstes Glaubensbekenntnis: „Jesus, der gesalbte Sohn Gottes, ist unser Erlöser.“
Dreiblatt mit Nonnenköpfen, Fischblasen mit zwei Nonnenköpfen, Zweischweif ... oft lässt die Terminologie an sich bewegende Fische denken.
Im Südfenster der Michaelskirche von Schlanders drehen sich Fischblasen. Kühn sind die Deutungen: Sich drehende Zwillinge im Mutterleib, Yin und Yang.
Symbolische Schmuckformen beherrschen das spätgotische Maßwerk: Dreipass, Vierpass und Fünfpass ... Aufstrebendes und Variationen zur Dreifaltigkeit.
Durch Überlappung von zwei gleich großen Kreisbögen entsteht in der Aussparung eine Fläche in Fischform. Die Fischblase dient nicht so sehr dem Schwimmen, sondern ermöglicht den Fischen das Schweben im Wasser. So ähnlich fühlen sich Besucher im Glockenstuhl, wenn das Sonnenlicht im Maßwerk zu leuchten beginnt.
Rechts: Eine kleine im Maßwerk des Ostfensters erkennbare Glocke erinnert an die Zeit, als den Turmknechten bei der Wandlung „von unten“, also vom Priester Zeichen zum Einsatz für das Läuten der Glocken gegeben wurde.
Hans Wielander