Dienstag, 22 Januar 2013 00:00

„Zuerst sollte man zusammen bauen, dann kann man heiraten“

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Der Vinschgerwind hat mit Elke Ladurner und Stephan Marx vom Schlanderser Architekturbüro marx/ladurner ein Gespräch über Architektur, über die Zusammenarbeit zwischen Bauherren,  Architekt und Handwerkern gesprochen und welchen Stellenwert - auch finanziell - Architekten in Südtirol haben.

Fotos: Magdalena Dietl Sapelza

s26_0635Vinschgerwind: Beginnen wir mit einem Rollentausch: Wie würden Sie als Bauherr Ihren Architekten wählen?
Elke Ladurner: Ich glaube als Bauherr würde ich den Architekten anhand von Bauten, die er realisiert hat, auswählen. Ich würde mir anschauen, was er geplant hat und in einem zweiten Moment das persönliche Gespräch suchen. Das gibt Aufschluss darüber, ob man auch menschlich zurechtkommt. Es kann vorkommen, dass der Architekt zwar tolle Gebäude plant, aber menschlich die Chemie nicht stimmt.

Stephan Marx: Jeder, der baut gibt eine Menge Geld aus, deshalb zahlt es sich sicher aus, mehrere Bauten anzuschauen.  Wenn man als Vergleich hernimmt, wieviel Zeit zum Beispiel bei einem Autokauf investiert wird, dann stimmt das Verhältnis nicht. Das Problem ist – und das ist typisch für Südtirol – dass Architekten und auch Handwerker aufgrund mündlicher Empfehlungen ausgesucht werden. Dies ist an sich ja nicht schlecht, aber nicht professionell. Was für den einen passt, muss der andere noch lange nicht gut heißen. Aber natürlich muss die menschliche Ebene zwischen Architekt und Bauherr auch passen, das ist schon klar.

Das zeigt sich aber oft erst im Laufe der Zusammenarbeit.
Stephan Marx: Das stimmt, prinzipiell sollte es aber passen.
Elke Ladurner: Die Erfahrung, die wir machen, ist die, dass Bauherren am Anfang der Bauphase beeinflusst sind durch eine Vielzahl von Journalen und Bildern. Im Laufe des Baues kristallisieren sich durch Gespräche die eigenen Befürfnisse heraus und es ergibt sich eine klare Vorstellung darüber, wie sie selber wohnen wollen. Bei Paaren kann es durchaus zu Diskussionen kommen, wenn man erkennt, dass die Vorstellungen des Partners unterschiedlich sind.

Also ist Bauen auch eine Kompromisssuche?
Elke Ladurner: Ja, oft schon.
Stephan Marx (lacht): Bauen könnte man als Teil der Ehevorbereitungsseminare einführen, dann kommen die Paare drauf, ob’s passt. Oder man baut erst zusammen und wenn das überstanden ist, kann man auch heiraten.

Themenwechsel. Gute Architektur zeichnet sich für Sie aus durch ....
Stefan Marx: Zurückhaltung. Gute Architektur ist für mich Zurückhaltung, das ist eh am schwierigsten zu erreichen, sich selbst als Architekt zurückzuhalten.

Vinschger Architekten und ihre Bauten genießen in Südtirol und darüber hinaus Anerkennung. Ist der Vinschgau ein gutes Umfeld, in dem Architektur gedeihen kann?
Stephan Marx: Das kann man prinzipiell schon sagen. Dass der Vinschgau allerdings architektonisch eine Vorreiterrolle genießt, das ist nicht mehr der Fall. Was progressive Architektur angeht, hinken wir Vinschger Architekten im Vergleich zum Rest von Südtirol nach. Vielleicht haben wir aber auch einen Sprung weiter gemacht und tendieren dazu, bewusst zurückhaltend zu sein. Außerhalb des Vinschgau wird aber zur Zeit mehr Geld in Architektur investiert.
Elke Ladurner: Man denke nur an die neuen Kellereien oder Villen.

Zusammengefasst heißt das, der Vinschgau ist Schlusslicht, was architektonische Vorzeigegebäude betrifft.
Stephan Marx: Da muss man aufpassen. Ich spreche von Prestigeobjekten. Man könnte es auch so sehen, dass der Vinschgau in seiner Zurückhaltung eine Vorreiterrolle einnimmt. In den vergangenen Jahren war Südtirol davon geprägt, sich gegenseitig zu übertrumpfen. Viele waren zum Studieren im Ausland und von einer internationalen Architekturausrichtung beeinflusst. Zurückgekommen um das Erlernte anzuwenden, wurde in vielen Fällen außer Acht gelassen, was wirklich passend ist und was nicht.

Eine architektonische Sturm- und Drangzeit, also?
Stephan Marx: Ja genau, die endet jetzt so langsam und Südtirol kann sich mit dem erarbeiteten Selbstbewusstsein der vergangenen Jahre die Frage stellen: Welche Architektur wollen wir hier überhaupt? Die Schweitzer zum Beispiel haben sich diese Frage schon viel früher gestellt. Durch die Einberufung eines Gestaltungsbeirates wurde diese Diskussion auch in Südtirol gefördert.

Wie würden Sie Ihren Baustil beschreiben?
s28_0610Elke Ladurner: Wir gehen bei jeder unserer Bauaufgaben auf das direkte Umfeld ein. Jedes Projekt erfordert eine individuelle Vorgangsweise. So entsteht  jedes Objekt in Relation zur jeweiligen Situation.

Das Zusammenspiel im Dreieck Bauherr – Architekt – Handwerker ist oft ein ungenügendes. Woran liegt das ?
Elke Ladurner: Bei diesem Dreieck geht es um ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Der Bauherr legt den Kostenrahmen fest, der Architekt verfolgt einen ästhetischen-funktionalen Anspruch und der Handwerker betrachtet die handwerklich-technische Seite, die es auch zu berücksichtigen gilt. Früher hatte der Architekt den Ruf, dass er alles bestimmt ohne wenn und aber. Wir sind jetzt die Generation, die diskutiert und gemeinsam eine Lösung sucht. Ich würde dieses Dreieck gar nicht so ungenügend beschreiben. Natürlich muss man sich als Architekt auch die Zeit nehmen, das Produkt, das man im Kopf hat, den Bauherren zu erklären.
Stephan Marx: Da gibt es ein Kommunikationsproblem. Durch die lange und intensive Beschäftigung mit der Materie von Seiten des Architekten klafft eine Lücke zwischen Architekt und Bauherr. Viele Dinge sind für uns Architekten logisch, die für den Bauherren nicht leicht nachvollziehbar sind. Es erfordert Fingerspitzengefühl, diesen Umstand zu erkennen, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, das Gedachte an den Bauherren weiterzugeben. Aber es gibt Aspekte in der Architektur, die unerklärlich bleiben sollten.

Das heißt, Bauherren müssen ihrem Architekten einen Vertrauensvorschuss geben?
Stephan Marx: Genau, das ist das grundsätzlichste überhaupt. Das müsste man im Vertrag festschreiben können.

In Architektenkreisen stellt man sich oft die Frage, ob der Beruf des Architekten unter Wert verkauft wird. Was glauben Sie?
Elke Ladurner: Wenn wir unser Honorar mit dem unserer Kollegen im Ausland vergleichen, dann liegt es deutlich tiefer, was bei wirklich professioneller Arbeit eine Unterbezahlung zur Folge hat.
Stephan Marx: Jetzt muss ich politisch werden. In Südtirol ist das Problem, dass von ganz oben die Meinung herrscht, dass der Architekt zuviel verdient. Diese Meinung beeinflusst viele. Seit Monti sind die Honorare liberalisiert. Das heißt, dass der Preispolitik keine Grenzen gesetzt sind. Die Gemeinden übertrumpfen sich gegenseitig mit dem größten Abschlag auf Kosten der Architekten. Momentan ist alles in der Schwebe, die öffentliche Hand hat kein Instrument wie Projekte abgerechnet werden. Südtirol könnte da im Rahmen der Autonomie in Zukunft einen eigenen Weg gehen, aber daran scheint die politische Elite kein Interesse zu haben. Auf politischer Ebene haben die Architekten ein miserables Image. Unverständlicherweise, denn Südtirol behauptet sich in der Architekturszene im Ausland durch herausragende Projekte.

Wie wird das Honorar genau berechnet.
s27_0602Stephan Marx: Da gibt es ganz unterschiedliche Bemessungsarten. Es gibt ein Prozentsatzsystem, ein Pauschalsystem, ein Stundensystem. Es gibt eine Studie der Eurac, die besagt, wir Architekten verdienen im Schnitt deutlich weniger als unsere Technikerkollegen.

Themenwechsel: Öffentliche Wettbewerbe am Beispiel der Weiskugelhütte. Ihr Projekt ist an zweiter Stelle gereiht worden, hinter jenem von Thomas Höller und Georg Klotzner aus Meran, das Titanzink als Hülle vorsieht. Von einem Protzbau war die Rede, von einem Bunker: die Polemiken schienen nicht abreißen zu wollen. Verständnis dafür?
Stephan Marx: Die Diskussion wurde zum Teil sehr oberflächlich geführt.
Elke Ladurner: Das Ganze hat einen Stellenwert bekommen, der ihm gar nicht zusteht.
Stephan Marx: Es ist schwierig über ein Projekt urteilen, das vor dem unseren gewonnen hat. Prinzipiell finden wir die architektonische Lösung des Baukörpers eine gute. Aber die Standortfrage des Gebäudes am Bauplatz berücksichtigt den Wind nicht. Wenn wir als Vinschger Architekten etwas wissen, dann ist es, von wo der Wind kommt, um darauf zu reagieren.
Elke Ladurner: Ja, das ist richtig. Es hat ja beim alten Projekt schon eine ausgesetzte Terrasse gegeben, die nicht genutzt wurde. Die Leute setzten sich lieber in den Bereich der geschützten Mulde, wo kein Wind ging.

Auf welches Ihrer Projekte sind Sie besonders stolz und warum?
Stephan Marx: Stolz ist ein falscher Ausdruck. Es gibt bei einigen Projekten eine Tendenz, welche es wert ist, sie weiter zu verfolgen. Wenn man eines nennen will, dann die Pfarre in Tabland. Hier haben wir den alten Stadel stehen gelassen. Die Idee, diesen stehen zu lassen, ist aus dem Umfeld heraus entstanden und wir haben Altes und Neues verbunden, uns in Zurückhaltung geübt und haben an den gegebenen Bauformen weitergebaut.
Elke Ladurner: Es ist ein ständiges Suchen nach dem richtigen Weg. Wir wollten nichts Neues, Fremdes hineinstellen, sondern in Zusammenhang mit dem Vorhandenen bauen. Wir haben uns in der Formensprache untergeordnet, um das Gefüge nicht zu zerstören.

Was wäre Ihr Traum? Was würden Sie gerne einmal bauen?
Stephan Marx und Elke Ladurner (lachen beide): eine Schutzhütte.


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