Buchbesprechung
Dominik Barta:
Vom Land.
(Zsolnay Verlag, Wien 2020, 176 S.)
Ganz schön hart für uns auf dem Dorfe, wie die Schriftsteller*innen das Landidyll in die Mangel nehmen. Dominik Barta (geb. 1982) schreddert es in seinem Debütroman komplett. Als Messpunkt wählt er Theresa, Mutter und Oma, die sich nicht mehr wohl fühlt in Ehe, Dorf und Familienverband. Sie wendet sich ab von dem aus Gewohnheit Ertragenen. Was in Pielitz (fiktives Dorf in Oberösterreich) im Argen liegt, fühlt sie vor den anderen. Keines ihrer Kinder hat einen glücklichen Lebensweg eingeschlagen, Sohn Max bereitet mit „der Bewegung“ den Rechtsruck vor und ist als Ekelpaket mit brauner Gesinnung gezeichnet. Tochter Rosalie ist einem notorischen Ehebrecher verfallen, einzig Enkelsohn Daniel bringt etwas Freude. Als mutiger Kerl baut er sich mit dem syrischen Flüchtlingsjungen Toti ein Baumhaus im Wald und eine Freundschaft auf. Im Dorf erfahren die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft wenig Akzeptanz, doch Toti beeindruckt sogar Großvater Erwin, einen knorrigen, aber liebenswürdigen Bauern. Keine Sorge, Kitsch hat in diesem Roman keinen Platz, eher legt sich Ratlosigkeit über Pielitz. Ein schwelender Konfliktherd nach dem anderen geht in die Luft. Der Roman liest sich in einem Zug, wobei er dann stockt, wenn Gewalt droht. Barta macht deutlich, was passiert, wenn Menschen das Wertesystem des guten Zusammenlebens verabscheuen und die Angst vor dem Fremden in Hass umkehren. Alles, was nicht passend erscheint, wird abgeschoben. So auch ein Sohn von Theresa. Er hat sich nach Wien abgesetzt und analysiert die Lage nüchtern von außen in der Ich-Perspektive. Die Provinz im Brennglas – und schon treten die Bruchlinien der guten Gesellschaft zutage. Einziger Hoffnungsschimmer: Die Jungen scheinen es besser zu machen.
Barta baut auf Vielstimmigkeit, was dem Roman Abwechslung verleiht, aber auch die ein oder andere hölzerne Stelle. Die Dialoge hingegen sind herausragend. Ein Anti-Heimatroman, der es in sich hat.
Maria Raffeiner