In den für die damalige Zeit sehr bescheidenen kleinbäuerlichen Verhältnissen ist Hans Kaufmann 1928 in Laas geboren und dort mit sechs Geschwistern aufgewachsen, eingeklemmt zwischen wirtschaftlicher Ausweglosigkeit und den frostigen Fronten zwischen der Laaser Dorfgemeinschaft und dem italienischen Faschismus, der massiv mit dem Zuzug von italienischen Marmorarbeitern dort eingebrochen war. Die gewaltsamen Übergriffe von faschistischen Schlägertrupps am Karsamstag 1938 („Fatti di Lasa“) haben den Zehnjährigen stark erschreckt. Aus den Kindheitserinnerungen hat er jene wichtige Erfahrung erhalten, die ihn im Erwachsenenalter nach wirtschaftlicher Selbständigkeit und politischer Vorsicht streben ließen, denn er wollte nie mehr bei den Verlierern sein.
Das zweite prägende Erlebnis hatte Hans Kaufmann, als er, gerade 15-jährig, 1943 zum Südtiroler Ordnungsdienst (SOD) kam. Diese Hilfstruppe mit Polizeifunktion war nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1943 gegründet worden. Der jugendliche Hans musste, mit Gewehr bewaffnet, mit älteren Männern die Bahnlinie zwischen Spondinig und der Brücke über den Gadriabach bewachen und dort Kontrollgänge machen. Aber es traf ihn auch, das von den Deutschen übernommene Munitionslager bei Tschengls (Polveriera di Cengles) zu sichern. Dort hat er, nachdem er inzwischen auch auf Frontausbildung in Gröden gewesen war, am 19. März 1945 den Tieffliegerangriff der Amerikaner erlebt und überlebt. Nicht weniger schrecklich blieb ihm der 2. Mai 1945 in Erinnerung, als italienische Männer, die sich als Partisanen verstanden haben, das „Pulverlager“ bei Tschengls überfallen und über wenige Stunden in Besitz genommen haben. Dann kamen aus Italien zurückflutende deutsche Soldaten und die Feldgendarmerie. Sie haben die Partisanen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, gefangen gesetzt und zehn davon am nämlichen Tage außerhalb von Laas erschossen.
Nach dem Krieg stand Hans Kaufmann als knapp 17Jähriger mit den erdrückenden Erfahrungen des Krieges rat- und mittelos da und begann sich mühsam nach Erwerbsmöglichkeiten umzusehen. Bei einer der ersten Nachkriegsmustermessen hat der junge Hans in Bozen die Anlage einer Holzgattersäge gesehen, die ihn faszinierte. So beschloss er, in Laas ein Sägewerk zu gründen. Diesen Plan konnte er 1952 verwirklichen, allerdings hatte er dafür nur 50 Lire zur Verfügung. Außerdem hatte er keine Kenntnisse weder für die Sägewerkstätigkeit, noch für die wirtschaftliche Abwicklung. Aber mit viel Fleiß und Arbeitseinsatz ist daraus ein stattliches und angesehenes Sägewerk entstanden. Bis ins hohe Alter schaute Hans mit Zufriedenhit und Stolz auf sein Lebenswerk, das seine Söhne und sein Enkel, wieder ein Hans, in Laas weiterführen.
Im Jahre 1956 hat Hans mit Anna Sprenger aus Plawenn eine Familie gegründet, mit den Kindern Alois, Inge und Rudi, die alle tüchtig im Leben stehen. Und was im Betrieb mit bescheidenem Lohnschnitt begonnen hatte, wurde um den Schnitt nach Holzlisten für Handwerker und Private und für den Dachstuhlbau ausgeweitet. Außerdem bot sich auch der Holzhandel an. Hans Kaufmann hat Verbindungen geknüpft, die weit nach Österreich und tief nach Italien hinunter reichten, verbunden auch mit persönlichen Freundschaften. Auffällig sind seine jahrzehntelangen Geschäftsverbindungen nach Piemont und nach Kalabrien, wohin er für die Sargproduktion in großem Ausmaß Fichten- und Lärchenbretter geliefert hat.
In den 1970er Jahren hat er mit zwei anderen Vinschgauer Sägewerken in Eyrs den Holzverarbeitungsbetrieb „Holzform“ gegründet, der sich anfangs auf die Anfertigung von Großkisten für die Obstwirtschaft und auf den Holzbinderbau für Dachstühle spezialisiert hatte.
Neben dem erfolgreichen Unternehmerleben hatte Hans Kaufmann auch ein intensives Sozial- und Gemeinschaftsleben. Er war nämlich der Ansicht, dass in seiner Position das Leben ein Geben und Nehmen ist. Deswegen hat er sich in die Gesellschaft eingebracht, aus sozialer Verpflichtung, aber auch um daraus Ansehen zu mehren und Anerkennung zu bekommen. So war er Gründungsmitglied der „Vereinigung der Freiwilligen Blutspender Vinschgaus“, die der Primar am damals neugegründeten Krankenhaus Schlanders, Hans von Elzenbaum, 1958 als eine der Voraussetzungen für die Durchführung von Operationen gegründet hat. Hans Kaufmann hatte gute organisatorische Voraussetzungen für diese Vereinstätigkeiten, denn er besaß als Unternehmer damals bereits ein Auto und ein Telefon. So konnte er im Bedarfsfalle vom Krankenhaus kontaktiert werden. Dann sammelte er die Blutspender an ihren Arbeitsstellen ein und brachte sie mit seinem Auto zur Blutspende nach Schlanders. Fünfzig Jahre lang stand er an führender Stelle des Vereins, von 1958 bis 1978 als Mitglied des Vorstandes und von 1978 bis 2009 als Präsident der Vinschgauer Sektion. Er war es auch, der die Vinschgauer Vereinigung in die staatsweite Blutspenderorganisation AVIS eingeführt hat. In Anerkennung all dieser ehrenamtlichen Tätigkeiten ist er 2006 mit der Verdienstmedaille des Landes Tirol ausgezeichnet worden.
Johann Kaufmann war 1964 Gründungsmitglied der Raiffeisenkasse Laas, deren Aufsichtsratsmitglied er bis 1996 blieb. Von 1980 bis 1990 war er auch über zwei Perioden Mitglied des Gemeinderates Laas, und über 60 Jahre hat er dem Landesverband der Handwerker angehört.
Seine private Leidenschaft galt der Jagd, besonders der Gamspirsch, die er gern auch mit seinen Geschäftspartnern im weiten Alpenbogen betrieben hat. Die örtliche Kollegschaft pflegte er beim Kartenspiel, zu dem er als Besonderheit auch gern mit dem Mercedes vorzufahren pflegte. Bei Hans Kaufmann fällt auf, dass er in allem einen langen Atem und viel Ausdauer gezeigt hat, zuletzt noch bei ausgedehnten Wanderungen. Auch sein Leben konnte er in einer langen Zeitspanne gestalten und genießen, das heuer mit 92 Jahren zu Ende gegangen ist. RIP
Herbert Raffeiner