Rückzug

geschrieben von
Verena Rinner ist die Direktorin des Oberschulzentrums von Schlanders. Rinner sagt, dass es keine  klaren Vorgaben für eine 70-prozentige Anwesenheit von SchülerInnen an den Schulen gegeben hat Verena Rinner ist die Direktorin des Oberschulzentrums von Schlanders. Rinner sagt, dass es keine klaren Vorgaben für eine 70-prozentige Anwesenheit von SchülerInnen an den Schulen gegeben hat

Schlanders/Vinschgau/Bozen - Das Ansinnen, allen SchülerInnen die gesamte Schulwoche Präsenzunterricht angedeihen zu lassen, ist am Schlanderser Oberschulzentrum vom 7. September bis zum 30. September umgesetzt worden. Dann wurde es gestoppt - wegen der Fahrschüler. Ein Rückblick, der Fragen aufwirft.

von Erwin Bernhart

s6 905891 no name Es geht um einen Abschluss. Eine Art Friedensschluss. Das Oberschulzentrum Schlanders ist seit 1. Oktober in einem „normalen“ Schulmodus. Jedenfalls in einem Schulmodus, welcher für alle Oberschulen in Südtirol gilt - nun ohne Ausnahme.
Das Oberschulzentrum in Schlanders hat sich das Schuljahr 2020/2021 etwas anders vorgestellt und das Schuljahr hat auch anders begonnen. Denn es war sowohl der Direktorin Verena Rinner als auch den ProfessorInnen und in der Folge auch dem Schulrat ein Anliegen, den Schülerinnen und Schülern den Unterricht an der Schule anzubieten. Präsenzunterricht für alle - jeden Schultag.
Das wird vor allem aus der Optik des vergangenen Lock-Downs verständlich. Schülerinnen und Schüler waren ab März 2020 auf Fernunterricht angewiesen. Das ist die schulpädagogische Seite. Schülerinnen und Schüler war der Umgang untereinander an der Schule untersagt - staatsweit, südtirolweit, auch in Schlanders. Das ist die soziale, die psychologische Seite.
Dass sich Schulgremien Gedanken darüber machen, wie sie möglichst viel Unterricht in Präsenz anbieten können, ist ein hehrer Gedanke. Denn es gibt viele Schülerinnen und Schüler, die darunter gelitten haben, ohne Gruppe, ohne Klasse und ohne Lehrkräfte gewesen sein zu müssen. Über den psychologischen Druck können Psychologen ein Lied singen. Auch der Druck auf die Eltern war groß, wie die Wortmeldungen während des Lock-Downs bezeugen können.
Welche Überlegungen hat man sich also am Oberschulzentrum von Schlanders gemacht? Und warum ist es anders gekommen, als man sich erhofft hatte?
Die Schuldirektorin Verena Rinner lässt auf Anfrage des Vinschgerwind Überlegungen, Beschlüsse und Umsetzung Revue passieren.

Gegen Schulende habe es geheißen, sagt Rinner, dass im kommenden Schuljahr möglicherweise die Hälfte der SchülerInnen an der Schule sein werden, die andere Hälfte im Fernunterricht. Dieses Szenario wurde zwischen Mai und Juni im Lande diskutiert. Im Oberschulzentrum haben die Schulleitungsteams (Vertreter aus dem Realgymnasium RG, dem Sprachengymnasium SG, der Technologischen Fachoberschule TFO und der Wirtschaftlichen Fachoberschule WFO). bei Planungsdiskussionen Überlegungen angestellt, wie der Präsenzunterricht gestaltet werden könnte. Man hat ein Modell überlegt, dass die SchülerInnen des Bienniums in der Früh an die Schule kommen sollten und die Oberstufe nach der Pause. Der Überlegung zugrunde lag, dass ein Rhythmus gelebt werden könnte, an den sich die SchülerInnen orientieren könnten.

Bei einem Direktorentreffen während der Maturazeit in Bozen, blickt Rinner zurück, seien dann Modelle als Ideen zirkuliert, die eine Woche Präsenz und eine Woche Fernunterricht vorgesehen haben.
Rinner hat dann einen - gewerkschaftlich abgesprochenen - Planungskalender vorgeschlagen. Die ProfessorInnen konnten sich in jeweils eine Planungsgruppe Ende Juni, Anfang oder Ende August eintragen. Die jeweiligen Schulleiter waren bei allen Planungsgruppen dabei.
Die erste Planungsgruppe - auf die drei Schulhäuser aufgeteilt - hat sich mit den Vorschlägen aus Bozen beschäftigt und die Diskussionen sind in eigene Vorschläge gemündet, dass eine konstante Präsenz der SchülerInnen aufgrund der drei Häuser möglich wäre.
Ende Juli kam von der Schulamtsleiterin die Ankündigung, dass die Präsenz der SchülerInnen in den Zügen reduziert werden sollte. Auch ein Wechsel von Präsenz- und Fernunterricht wurde in diesem Schreiben angesprochen, sagt Rinner.
Die nächsten Planungsgruppen Anfang August haben sich mit den Vorschlägen der ersten Planungsgruppe und mit dem Rundschreiben der Schulamtsleiterin auseinandergesetzt. Die Diskussionen mündeten darin, den Präsenzunterricht für alle SchülerInnen zu gewährleisten.
Am gleichen Tag kam ein weiteres Rundschreiben der Schulamtsleiterin. Die Anzahl der Fahrschüler müsse für das kommende Schuljahr auf 70% reduziert werden. In Aussprachen mit den Verantwortlichen des Schülertransportes sei herausgekommen, dass maximal 70 Prozent der Fahrschüler gleichzeitig transportiert werden können und das führe dazu, dass maximal 70% der SchülerInnen gleichzeitig an der Schule präsent sein können.

Das war für die Lehrpersonen und für die Direktorin eine nicht zu ergründende Logik. Am Oberschulzentrum wurde beschlossen, das ausgearbeitete Modell, dass man nämlich die Reduzierung bei den Schülertransporten einhalte, aber auch den Präsenzunterricht für alle SchülerInnen gewährleisten wolle, an den Schullandesrat Philipp Achammer und an die Schulamtsleiterin Sigrun Falkensteiner zu schicken und diese um Rückmeldung zu ersuchen.
Die Reduzierung der Fahrschüler hat man so gelöst, dass rund die Hälfte der SchülerInnen mit den dafür vorgesehenen Schultransporten an die Schule kommt und die zweite Hälfte mit den nächsten Zügen.
Falkensteiner habe, so Rinner, zwar angezweifelt, ob die Präsenz von allen Schülern rechtens sei, aber ein definitives Nein gegenüber dem ausgearbeiteten Modell konnte Rinner im Antwortschreiben nicht erkennen. Also habe man in den nächsten Planungsgruppen Ende August das Modell verfeinert. Ein Dekret aus dem Schulamt hat es damals noch nicht gegeben.

Am 31. August hat dann der Schulrat getagt. Rinner sagt, sie wollte die Verantwortung nicht alleine tragen und deshalb solle der Schulrat über das Schlanderser Modell befinden. Fast gleichzeitig mit Beginn der Schulratssitzung ist das Dekret aus dem Schulamt eingetroffen - das besagt, dass maximal 70 Prozent der Fahrschüler tranportiert werden können. Rinner sagt, dass im Dekret nichts drinnen war, das besagt, dass auch nur 70 Prozent der SchülerInnen an der Schule anwesend sein dürfen.
Das hat sie bei der Eröffnungskonferenz am 1. September dem Plenum auch berichtet. Die ProfessorInnen im Plenum waren der Ansicht, dass das Modell funktioniert, also gestaffelter Schülertransport und Präsenz an der Schule für alle.
Postwendend kam die Anmahnung von Sigrun Falkensteiner, wie man denn die 70 prozentige Anwesenheit der SchülerInnen an der Schule gewährleisten wolle und die unmissverständliche Aufforderung, das Schlanderser Modell zu ändern. Rinner sagt, sie habe auf den Schulratsbeschluss verwiesen. Wenn dann müsse der Schulrat das ändern. Tatsächlich hat man für den 17. September eine Schulratssitzung anberaumt und Schuldirektor Gustav Tschenett, Landesrat Philipp Achammer und Falkensteiner eingeladen. In der Zwischenzeit bekommt Falkensteiner Bilder eines überfüllten Zuges. Am 11. September fällt ein Schülerzug von Meran kommend komplett aus, die SchülerInnen drängen in den nächsten Zug. Einmal fährt ein Schülerzug nur mit einer Traktion - die SchülerInnen, die nicht Platz gefunden hatten, warten auf den nächsten. Es entsteht ein Drängeln.
Falkensteiner reagiert gereizt und weist Rinner darauf hin, dass der Schulratsbeschluss ungesetzlich sei. Rinner verfügt, dass die Oberstufenklassen des Realgymnasiums noch eine Stunde später an der Schule kommen sollen, damit der Schülertansport entzerrt werden könne.
Falkensteiner schickt kurz vor der Schulratssitzung ein Mail an die Schulratsmitglieder und weist auf das Risiko „einer straf- und zivilrechtlichen Haftung hin durch Ihre Beteiligung an der Erhöhung des Infektionsrisikos der Bevölkerung im Allgemeinen und für die SchülerInnen im Besonderen (...).“

Bei der Schulratssitzung ist es nicht gelungen, Falkensteiner umzustimmen. Auch mit dem Hinweis auf autonome Spielräume. Falkensteiner sagte, dass aufgrund falscher Vorgaben geplant worden sei, dass landesweit anders geplant worden sei. Der Hinweis im Schulrat, dass innerhalb der drei Schulgebäude auch bei Präsenz aller SchülerInnen sämtliche corona-bedingten Hygienemaßnahmen eingehalten werden können, dass es im Grunde nur eine Verstärkung von zwei Fahrdiensten brauche, prallte an Falkensteiner ab.
Falkensteiner setzte sich durch. Neue Stundenplanmodelle wurden ausgearbeitet und am 25. September genehmigte der Schulrat ein neues Modell, mit dem die 70 Prozent Anwesenheit der SchülerInnen erfüllt wird. Seit 1. Oktober sind SchülerInnen gruppenweise bzw. klassenweise an je einem Tag die Woche im Fernunterricht. Der Schulrat und der Schülerrat hat diesem Modell zugestimmt. Im Elternrat war man anfangs entsetzt.
Eine nachträgliche Videokonferenz am 2. Oktober mit Landesrat Philipp Achammer, Landesschuldirektor Gustav Tschenett, der Direktorin Verena Rinner und den Bürgermeistern des Tales brachte keine Wende. Achammer verwies darauf, dass man alles tun müsse, um eine zweite Corona-Welle zu vermeiden.

Gustav Tschenett, vom Vinschgerwind um eine nachträgliche Betrachtung gebeten, sagt, dass sich die Autonomie der Schule innerhalb der vorgegebenen Rahmenbedinungen abspielen muss. Es sei in den Diskussionen seit dem Frühjahr immer darum gegangen, mögliche für das Schuljahr 2020/2021 auftretende Problematiken epidemiologisch einzugrenzen. Abstandsregelungen, Maskentragen Desinfektion usw. Wenn das auch an Schulen gewährleistet werden könne, seien doch auch andere Akteure zu berücksichtigen. So haben etwa die Verantwortlichen für die Schülertransporte in Absprache mit der Sanität rückgemeldet, dass nur maximal 70 Prozent der SchülerInnen so transportiert werden könne, dass die vorgegebenen Hygienemaßnahmen eingehalten werden können. Sonst könne der Schülertransport das nicht garantieren.
Der Schülertransport sei per se schon nicht eine normale Linie, sondern dieser werde unter verstärktem Einsatz gefahren. Auf Schlanders gemünzt heißt das, dass der erste Transport von SchülerInnen, so wie es geplant gewesen war, kein Problem darstelle. Allerdings sei beim nächsten Zug das Corona-Problem potenziert worden, weil eben der zweite Zug kein verstärkter Schülertransport sei. Das könne nicht funktionieren und das sei von vornherein kommuniziert worden und man habe von vornherie aufgefordert in eine andere Richtung zu planen.
„Der Direktorin am Oberschulzentrum Schlanders ist x Mal kommuniziert worden, dass das nicht geht“, sagt Tschenett. Er habe das Gefühl, dass das Thema noch nicht erledigt sei. Zudem sei viel Porzellan zerschlagen worden.

Gelesen 2748 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.