Buchtipp
Hans Moser:
Das große Wörterbuch der Tiroler Dialekte
(Haymon, Innsbruck 2020, 585 S.)
Sprache ist stetigem Wandel unterworfen, denn ihre Sprecher*innen reagieren rasch auf allerlei Veränderungen. Wörter können wie Bücher ins Regal kommen, verstauben und in Vergessenheit geraten, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Auch formen sich neue, werden anderen Sprachen entlehnt oder bezeichnen bisher Unbekanntes. Diesem flexiblen Prozess untersteht auch die Tiroler Dialektwelt. So unterschiedlich die markanten Dialekte in Nord-, Ost- und Südtirol gelegentlich klingen mögen, es gibt klare Gemeinsamkeiten des Südbairischen und sie lassen sich von der alemannischen Sprachfamilie abgrenzen (Vorarlberg, Schweizerdeutsch). Hans Moser hat eine umfassende Sammlung von Tiroler Dialektwörtern vorgelegt. Aufgenommen sind nur solche, die sich von der Standardsprache (Hochdeutsch) unterscheiden und aktuell nicht nur in einem Teil Tirols bekannt sind, sondern auch regelmäßig verwendet werden. Keller und Haus haben es also nicht ins Buch geschafft, genauso wenig veraltete Ausdrücke wie Luix. So lässt sich ein frischer, rein dialektaler Sprachstand beschauen. Gemacht ist das Buch „für alle Liebhaber des Dialekts und für alle, die sich für die Tiroler Dialekte interessieren.“ Dass nicht die Wissenschaft oberste Zielgruppe ist, zeigt sich in den gut verständlichen und angenehm lesbaren Wortartikeln, sie geben die Lautung an (Wie wird ein Wort ausgesprochen? Gibt es Varianten?), ordnen ins Sprachsystem ein (Wortart, Formen in der Mehrzahl), klären als wichtigste Informationen die Herkunft und Bedeutung des Wortes und zeigen, ob es nur in einem Landesteil oder Tal von Gewährsleuten gemeldet wurde. Auch Redewendungen oder Zitate aus Liedern sind ausgewiesen. Beispiele für Vinschger Angaben sind sui, stragglen, der Lismer. Dem Südtiroler Dialekt sind Einflüsse aus dem Italienischen eigen, seggo, die Targa, der Schkwillo. Das Vorwort bietet neben Gebrauchsanweisung und Hinweisen auf bereits bestehende Sammlungen interessante Einschätzungen, wie es mit dem Dialekt weitergehen könnte. Verschwinden wird er nicht, aber noch mehr zu einer Mischsprache werden. Es wird weniger Dialektwörter geben, lediglich lautlich angepasste Wörter aus der Standardsprache (wir verwenden Stress als Schtress, der USB-Stick wird zum Schtick). In Südtirol soll diese Entwicklung laut Autor etwas langsamer geschehen, da der Dialekt aufgrund der Geschichte des Landes stärker als Identitätsmerkmal wahrgenommen wird. Mit dieser praktischen, druckfrischen Sammlung gelingt der Vergleich der Dialekte, kuriose Begriffe lassen sich auflesen und der eigene Dialektstand erkunden.
Maria Raffeiner