Aus dem Gerichtssaal - In meinem Garten habe ich einen Marillenbaum. Heuer ist er dicht behangen mit Früchten, die schon eine verlockend rötlich-gelbe Färbung angenommen haben. Das Ganze hat allerdings einen Schönheitsfehler: Ein Großteil der Marillen hat auf der Außenhaut dunkle Flecken. Das stört das Auge. Die Früchte hingegen schmecken saftig und lecker wie immer. Ein Obstbauer erklärte mir die Flecken so: Das ist der Schorf, ein Pilz, der von Regen und Sonne hervorgerufen wird. Ein einfaches Jauschmittel, rechtzeitig gespritzt, hätte die Pilzbildung verhindert. Bei diesem Aussehen wären die Marillen unverkäuflich oder bestenfalls als Industrieware tauglich.
Dieses Beispiel zeigt mir anschaulich die Abhängigkeit unserer Landwirtschaft von der Chemie. Müssten wir, besonders im Obstbau, auf die Anwendung von sog. Pflanzenschutzmitteln verzichten, einem Großteil unserer Bauern wäre über Nacht die Existenzgrundlage entzogen. Denn es sind ja nicht unbedingt die Landwirte, die auf den Einsatz von Chemikalien versessen wären. Sie sind nämlich ihrerseits bei der Bewirtschaftung der Kulturflächen und beim Einsatz von Spritzmitteln klaren Vorgaben der Genossenschaften ausgesetzt, die ihnen regelrechte Spritzpläne und die Zusammensetzung der zu verwendenden chemischen Substanzen vorschreiben. Und die Genossenschaften handeln wiederum unter dem Diktat ihrer Großabnehmer wie Aldi, Lidl oder Slunga, die rigorose Anforderungen hinsichtlich Größe, makelloses Aussehen und Farbe der Äpfel stellen. Alles in allem somit ein Teufelskreis, in dem sich der Bauer als letztes Glied einer mit lauter Zwängen versehenen Kette befindet. Aus diesem auszubrechen und sich zu befreien käme einem selbstmörderischen Heldenmut gleich, denn wer die Vorgaben nicht beachtet, dem droht im Extremfall der Rauswurf aus der Genossenschaft. Eine fühlbare Reduzierung des Einsatzes von Chemie vor allem in der Obstwirtschaft scheint mir daher nur über eine Änderung des Kaufverhaltens der Kunden möglich, die bereit sein müssten, notfalls auch ein mit Makeln behaftetes, dafür aber von Chemie freies Produkt abzunehmen. Auf diese Zwänge aufklärend hinzuweisen wäre eine dankbare Aufgabe der offiziellen Politik und der Vertreter der Obstwirtschaft. Stattdessen, wie in unserer letzten Rubrik beklagt, mit Strafantrag wegen Rufschädigung gegen Alexander Schiebel zu reagieren, mag zwar wählerwirksam sein, schadet aber letztendlich dem berechtigten Anliegen der Landwirte und auch dem Image unseres Landes.
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
peter.tappeiner@dnet.it