Als junger Lehrer wurde er auch nach Göflan versetzt, um dort mit allerhöchster Anweisung vom Schulamt „einmal ordentlich aufzuraumen“. In Göflan besuchten nämlich besonders aufmüpfige Kinder die Volksschule, die zuvor bereits eine Lehrerin vergrault hatten. Ein Schuljahr verbrachte Josef in Göflan und erntete Anerkennung auch von den Müttern, die ihn zum Dank mit Kuchen beschenkten. Nach ihm sollte nämlich wieder eine Frau in der Schule landen können, hieß es. Seine Lehrerkarriere beendete Josef 1943, als die Einberufung nicht mehr aufgeschoben werden konnte. Er wurde zur Dolmetscherkompanie nach Graz berufen, wo er die Militärausbildung zum Dolmetscher für Deutsch und Italienisch machte. Daraufhin folgten verschiedene Einsätze, unter anderem im sogenannten „Wehrmachtsarchiv“, das der Deckname für den Deutschen Geheimdienst in Triest war. Dort musste er bei Verhören mit italienischen Partisanen dabei sein. Die Frage seiner Vorgesetzten, ob er Blut sehen könne, musste Josef verneinen, und somit wurde er glücklicherweise alsbald von den Verhören der Partisanen abgezogen. Eine seiner Hauptaufgaben war, geheime Berichte von sogenannten V-Männern (Vertrauensmänner/Spione) ins Deutsche zu übersetzen. Oft wurde er deshalb mitten in der Nacht aufgeweckt, da die Informationen meistens besonders aktuell und brisant waren. Häufig konnten dadurch Überfälle abgewehrt werden. Es folgten Einsätze bei der Abteilung für Wasser und Gas und bei der Abteilung Schiffsbau. Bei letzterer erlitt Josef regelrecht „Schiffsbruch“, wie er heute die damalige Situation beschreibt. Als Dolmetscher sollte er Namen der Schiffsteile ins Italienische übersetzen und bei Unternehmen bestellen, deren Wortlaut er nicht einmal im Deutschen kannte, folglich auch den italienischen Begriff nicht wusste. Häufig wurde er von seinem Vorgesetzten in ein „richtiges Partisanennest“ geschickt, um mit den Unternehmen, welche die Schiffsteile herstellten, zu verhandeln. Eigentlich hätte er nie ohne Personenschutz dorthin gehen dürfen, da es zu gefährlich war. Er fuhr aber absichtlich alleine und unbewaffnet und suchte im Zug das Gespräch mit den Einheimischen, so dass diese ihn sofort als ungefährlichen und sympathischen jungen Mann einstuften. Mit diesem geschickten kleinen Trick kam Josef jedes Mal unbeschadet wieder zurück.
Das Ende des Krieges 1945 erlebte der damals 25-Jährige in München, das aufs Schlimmste bombardiert wurde. Zu Fuß ging er schließlich bis nach Innsbruck, wo er auf eine Mitfahrgelegenheit nach Südtirol hoffte. Inzwischen war auch das Geld knapp geworden. Um sich einige Mahlzeiten zu verdienen, fütterte er für einige Zeit Schweine in der Nähe des Innsbrucker Flughafens. Dort war auch das Durchgangslager, wo Josef immer wieder beobachtete, wie die italienischen Lagerinsassen mit LKWs nach Hause transportiert wurden. Er hoffte auf eine Mitfahrgelegenheit, doch die wurde ihm versagt, also schlich er sich in einem unbeobachteten Moment auf das Lastauto und fuhr als Schwarzfahrer bis nach Bozen mit, wo er auf abenteuerliche Weise vom fahrenden Auto sprang. Zwar wurde beim Durchzählen der Passagiere bemerkt, dass einer zu viel auf dem Lastauto saß, glücklicherweise war es den Kontrolleuren aber zu mühsam herauszufinden, warum. Ende Juni kam Josef schließlich in Latsch an, wo ihn seine Eltern in die Arme schließen konnten. Nun hieß es, eine neue Lebensaufgabe zu finden. Das Unterrichten war nie sein Berufswunsch gewesen und deutsche Gemeindesekretäre wurden nur sehr wenige gebraucht. Auch in Latsch war zu jener Zeit ein italienischer Gemeindesekretär angestellt. Ende des Jahres 1945 wurde allerdings ein deutscher Bürgermeister ernannt. Aufgrund seiner Italienischkenntnisse wurde Josef deshalb bald in der Gemeindeverwaltung benötigt, um die italienische Post zu lesen und zu übersetzen. Bald wurde er zu diesem Zweck fest angestellt. Heute erinnert er sich daran, wie der italienische Gemeindesekretär eines Tages eine Zugfahrt antreten musste und dabei vorher noch die Toilette in der Bahnhofsbar bei der Mitzi benützte. Dort fand er fast seinen gesamten Briefverkehr als Toilettenpapier vor. Daraufhin schickte er Josef ins Archiv, um zu kontrollieren, was mit seinen Briefen geschehen sei. Im Archiv war allerdings nichts mehr zu finden. Bald war klar, dass die damalige Schuldienerin – das Archiv befand sich im Schulhaus- dem Alkohol nicht abgeneigt war und die Briefe in der Bahnhofsbar gegen Wein getauscht hatte.
Erst im Jahr 1959 wurde Josef Raffeiner schließlich Gemeindesekretär in Latsch. Zuvor nahm er das Angebot der Gemeinde Dorf Tirol an und arbeitete dort. Heute genießt der Vater von fünf Kindern und etlichen Enkelkindern den Ruhestand. Diesen verbringt er großteils mit der Lektüre verschiedener Zeitungen und Zeitschriften. Auch im Internet liest er regelmäßig die Neuigkeiten des Tages nach.
Und der tägliche Spaziergang darf natürlich auch nicht zu kurz kommen, denn christlich leben und genügsam essen allein machen eben auch kein langes Leben.
Monika Feierabend
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau