Die Schulen sind wegen der Covid 19 Krise seit dem 4. März 2020 geschlossen. Mittlerweile ist klar, dass diese erst wieder im Herbst öffnen. Ein Dekret aus Rom hatte den Unterricht in den Klassen abrupt eingestellt. Die Schulen standen plötzlich vor der Herausforderung, den Fernunterricht zu organisieren. Der Vinschgerwind hat bei Direktorinnen und Direktoren im Vinschgau nachgefragt.
von Magdalena Dietl Sapelza
Nach der Schließung waren die Schulen mit einer vollkommen neuen Situation konfrontiert. Die Schulverantwortlichen fragten sich: Was nun? Wie geht es weiter? Dieselben Fragen stellten sich auch Eltern und Schüler. Vor Neuland standen vor allem die Grund- und Mittelschulen, da dort selten auf digitale Register zurückgegriffen werden konnte. So auch im Schulsprengel Prad. „Ich kam mir vor, wie in einem falschen Film“, erklärt Direktorin Sonja Saurer, – verantwortlich für 206 Grundschüler und 123 Mittelschüler in den Gemeinden Prad und Stilfs. „Und ich fragte ich mich, wie lassen sich unsere SchülerInnen in den entlegensten Winkel der Gemeinden erreichen. Denn nicht alle Familie verfügen über einen Computer oder Laptop.“ Mit einer Steuergruppe wurde sofort ein allgemeiner Lösungsweg entworfen. Nachdem die Schulschließung verlängert wurde, mussten die Lösungen konkreter werden, und es fanden sich unterschiedliche Wege. Der didaktische Systembetreuer Alois Rauter begann damit, leihweise Geräte an Familien auszugeben. Die Lehrpersonen schickten die Lernmaterialien und Aufgaben zu den Eltern. Da es noch einige Zeit brauchte, bis die meisten Eltern computertechnisch gerüstet waren, war es gut, dass sich hilfsbereite Eltern fanden, die anderen Aufgaben ausdruckten oder weiterleiteten. Die Eltern wurden auch gebeten, die Aufgaben zur Korrektur an die Lehrer zurück zu schicken. Für diesen Einsatz der Eltern ist Saurer sehr dankbar. Neben Aufgaben über E-Mail, WhatsApp, OneDrive wurden im Fernunterricht das Lernprogamm Anton App und Videokonferenzen eingesetzt.
An der Mittelschule Prad war vor der Schulschließung teilweise bereits mit den sogenannten „G-Suite“ Anwendungen von Google gearbeitet worden, sodass es naheliegend war, dieses Programm verstärkt einzusetzen. Neben „Google-Classroom“ gehören zu diesem Anwendungspakt ein E-Mail-Dienst, ein virtueller, sogenannter cloudbasierter Speicherplatz (Google Drive) und Dienste, wie zum Beispiel „Hangouts“ und „Meets“, mit dem auch Videokonferenzen durchgeführt werden können. „Google-Classroom“ bietet zum einen die Möglichkeit, Kurse anzulegen und dort Aufgaben an SchülerInnen zu verteilen und andererseits diese digital wieder zurückzugeben. Über E-mails oder Kommentare in den Kursen können SchülerInnen und Lehrpersonen miteinander kommunizieren.
Der Fernunterricht laufe, laut Saurer, im Großen und Ganzen recht gut. Das zeigen die Rückmeldungen der Eltern, die die Lehrpersonen regelmäßig einholen. Einen direkten Einblick in die derzeitige Unterrichtstätigkeit hat Saurer über die Lehrpersonen beziehungsweise in der Mittelschule über den Zugang zu den G-Suite Programmen. „Die Arbeitsbereitschaft ist ähnlich wie im normalen Unterricht, viele sind engagierte SchülerInnen, andere brauchen mehr Unterstützung und müssen an Abgabetermine erinnert werden“, sagt Saurer. Wichtig sei es, nach Wegen zu suchen, um alle mitzunehmen und sich speziell auch um schwächere Schüler*innen zu kümmern, um Kinder, denen daheim die Unterstützung fehlt, mit schwachen Sprachkenntnissen wie zum Beispiel Migrantenkinder. Denn diese sind mit dem Fernunterricht oft überfordert und deshalb in ihrer Lernentwicklung benachteiligt.
Mit Videokonferenzen wird der Austausch auf Direktionsebene, mit der Bildungsdirektion und unter den Lehrpersonen gepflegt und intensiviert. Laufend wird an der Verbesserung des Fernunterrichts gearbeitet. Was die Abschlussprüfungen betrifft, ist vieles noch unklar. Im Mittelschulbereich wird von „kleineren“ Prüfungen geredet beziehungsweise von der Abgabe einer Facharbeit.
Schneller organisieren ließ sich der Fernunterricht in den Oberschulen, da diese medientechnisch bereits recht gut gerüstet sind und die meisten SchülerInnen über einen Laptop oder ein I-Pad verfügen. Die Vinschger Oberschulen sind zudem mit dem „Digitalen Register“ ausgestattet, über das der Fernunterricht jetzt abläuft und das Schülern, Lehrern, Direktoren und auch Eltern Einsicht in die kommunizierten Unterrichtseinheiten ermöglicht.
Nicht neu war das digitale Lernen im Oberschulzentrum in Mals. Dort war bereit viel in Hardware und in Lernplattformen investiert worden. Bereits 2001 wurde für die Sportoberschule das Projekt „Digitales Klassenzimmer“ eingeführt, damit die Sportschüler während der trainingsbedingten Abwesenheit den Kontakt zur Schule nicht verlieren. Dann wurde dieses Angebot auf die Fachoberschule für Wirtschaft FOWI ausgedehnt und nun in der Corona-Krise auch auf das Sozialwissenschaftliche Gymnasium SOGYM. Der Fernunterricht war also, laut Direktor Werner Oberthaler, kein Neustart, sondern eine Weiterentwicklung der Lernmodelle. Er läuft mit Programmen wie Microsoft Teams, über WhatsApp, E-Mails. Die Lehrer halten über Chats und Videochats Kontakt zu den SchülerInnen. Didaktisch und methodisch musste jedoch umgedacht, Neues ausprobiert und umgesetzt werden. Oberthaler sieht die „Krise“ auch als „Lebensschule“, als Chance zu lernen. „Trotz Distanz sind wir in Vielem näher zusammengerückt, haben uns immer wieder ausgetauscht und binnen kürzester Zeit auch an Kompetenz im Sozialen, in digitaler Kommunikation, Information, Didaktik und Methodik gewonnen, dank der Bereitschaft aller, die an der Schule kreativ, pragmatisch und mit der gebotenen Sensibilität für die Ausnahmesituation gut zusammenzuarbeiten. Eine sehr wertvolle gemeinsame Erfahrung“, so Oberthaler.
Das „Digitale Register“ ist derzeit auch das Haupt-Kommunikationsmittel im Oberschulzentrum Schlanders mit den Schulzweigen Realgymnasium (RG), Sprachengymnasium (SG), Technologische Fachoberschule (TFO) und Wirtschaftsfachober-schule (WFO), erklärt Direktorin Verena Rinner. Gearbeitet wird mit Hilfe unterschiedlicher moderner Medien. Laut Rinner stellten sich die Lehrpersonen motiviert den neuen Herausforderungen und seien durchwegs auch erfinderisch und kreativ. Die Aufgaben werden an allen Schulen jeden Montag über das digitale Anschlagbrett (Bacheca) bekannt gegeben. Am Freitag schicken die Schüler*innen ihre Arbeiten zurück. Unterstützend kommen bei Bedarf Tutoren zum Einsatz. Genutzt werden auch online Plattformen, die Buchverlage zur Verfügung stellen. „Viel Kreatives ist in der Krise entstanden. Bei etwa 90 Prozent der Schüler*innen und Schülern läuft es mit dem Fernunterricht gut“, sagt Rinner. „Und vielleicht lässt sich die eine und andere Erfahrung aus dieser Zeit sehr gut in einen zukunftsträchtigen Schulentwick-lungsprozess einbinden, im Sinne von die Krise als „Chance“ nutzen“.
Der Fernunterricht an der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft in Burgeis und in die Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung in Kortsch läuft ebenfalls über das „Digitale Register“, das seit zwei Jahren zur Verfügung steht. „Der Fernunterricht hat sich allgemein recht gut entwickelt. 90 Prozent der SchülerInnen beteiligen sich daran und kommen auch mit den modernen Medien recht gut zurecht“, erklärt Direktorin Monika Aondio. „Das Nachsehen hat jedoch der Praxisunterricht, was sehr schade ist, denn die Praxis lässt sich durch die derzeit reinen Theorievermittlung nicht kompensieren.“ Die reinen Praxislehrer sind schulintern für unterschiedliche und laufend anfallende Tätigkeiten im Einsatz, so in der schuleigenen Imkerei, Sennerei, Tischlerei, im Garten usw. Sehr schade sei, dass durch die Corona Krise alle gut gebuchten Kurse und Seminare im Rahmen der Erwachsenenbildung abgesagt werden mussten, so Aondio. Sie hofft, dass diese Programme im kommenden Herbst wieder starten können.
„Der Fernunterricht an der Landesberufsschule Schlanders findet bis auf wenige Ausnahmen laut Stundenplan, also in Echt-Zeit statt. Das „Digitale Register“ ist dabei die zentrale Schaltstelle“, erklärt Direktorin Virginia Tanzer. Die Lehrpersonen stellen den Schüler*innen für den Fernunterricht verschiedenste Unterrichtsmaterialien in Form von digitalen Medien zur Verfügung. Im digitalen Merkheft sehen die Lernenden die Aufgaben chronologisch aufgelistet und können diese dann abarbeiten und wieder abgeben. Neben dem Digitalen Register wurde für jede Klasse ein mit Schreib- und Leserechten versehener Cloud-Speicher (Dropbox & OneDrive) zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe dieser Cloud-Speicher haben die Klassen die Möglichkeit Ordner und Dateien auszutauschen, oder diese als Wissens-Datenbank zu nutzen. Weitere technische Möglichkeiten die Anwendung finden sind E-Mail, WhatsApp-Gruppen, Zoom-Videokonferenzen, Microsoft-Teams Kanäle, Google-Classroom, Google-Forms, Microsoft OneNote und Microsoft Planner. Ferner werden selbst erstellte Video-Tutorials zur Wissensvermittlung online gestellt. Das „Digitale Register dient auch der laufenden Information zwischen Schule und Elternhaus. „Ich bin erstaunt und finde es total schön, wie schnell sich Lehrer und Schüler umgestellt haben und wie kreativ sie arbeiten“ so Tanzer. „In eingen Fällen hat sich gezeigt, dass Schüler *innen beim Fernunterricht sogar besser mitarbeiten als in der Schulklasse. Es gibt aber auch jene wenigen, die den Fernunterricht verweigern.“ Der Knackpunkt sei, dass sich vor allem da die Distanz sehr bemerkbar mache. „Die SchülerInnen der Lehrlingsklassen, die im März mit dem Unterricht begonnen haben, kennen ihre Lehrer nur über Videokontakt und umgekehrt“, bedauert Tanzer.
Sämtliche Kommunikationen in den Schulen laufen also nun schon seit fast zwei Monaten fast ausschließlich über Videokonferenzen. Das gilt für die Konferenzen der Direktoren, für Lehrerkonferenzen, Klassen- und Schulratssitzungen. Eine belastende Situation.
Nun warten alle auf klare Weisungen aus dem Unterrichtsministerium. Klar ist seit der Ankündigung von Giuseppe Conte am 26. März: Die Schulen öffnen erst wieder im Herbst. Aus dem Unterrichtsministerium war bereits bekannt: Alle SchülerInnen sind zur Matura zugelassen. Es prüfen die eigenen Lehrer, nur der Prüfungspräsident ist ein externer. Es kann in Anwesenheit der Schüler laufen oder über Videoschaltung.
Vieles hängt noch in der Luft. Verbindliche Mitteilungen lassen auf sich warten.
Was den Neustart im Herbst betrifft, steht die Schule vor der nächsten Herausforderung und vor der Frage: Wie werden Unterricht und Schülertransporte organisiert, um den Abstandsbestimmungen gerecht zu werden?