Aus dem Gerichtssaal - Diese Drohung an aufsässige Kinder hat natürlich nichts mit dem gleichnamigen vormaligen Primar am Krankenhaus Schlanders, Dr. Hermann Zingerle, zu tun. Der würde sich auch wahrscheinlich nicht als Kinderschreck eignen. Im Gegenteil, durch seine freundliche und liebenswürdige Art begleitet von dem ihm eigenen, manchmal leicht ironischen Lächeln war er nicht nur bei den Kleinen, sondern auch bei großen Patienten ausgesprochen beliebt.
Die Rede ist vielmehr von dem in der Nachkriegszeit als „Ungeheuer von Tirol“ in die Kriminalgeschichte eingegangenen Frauenmörder Guido Zingerle. An den Schrecken, den damals die bloße Nennung des Namens auslöste, kann ich mich persönlich aus meiner Kindheit erinnern. Eine Episode beim Viehhüten in den Laaser Leiten lässt mir heute noch die Grausbirnen aufsteigen: Wir hockten in einer Erdhütte um ein Feuer zusammen, als ein Stein über das Dach rollte begleitet von einem schrillen Schrei: „Der Zingerle!“ Unsere Kinderherzen sackten in die Hosen, wir saßen kreidebleich in der Hütte, bis sich aufklärte, dass uns ein anderer Hüterbub einen üblen Streich gespielt hatte.
Wer war nun dieser Unhold? Guido Zingerle wurde 1902 in Tschars als uneheliches Kind geboren, seine Mutter gab ihn zu Pflegeeltern nach Vals bei Mühlbach, die ihn mit Schlägen großzogen. Er durchlebte eine schreckliche Kindheit. Der Makel des ledigen Kindes haftete rücksichtslos an ihm und ließ ihn zum Außenseiter werden. Von daher auch sein abgrundtiefer Hass auf Frauen. Er hielt es nirgends lange aus und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Das Schmuggeln war seine Leidenschaft, in den Wäldern fühlte er sich wohler als unter Menschen. Dort baute er sich ausgestattete Höhlen, in die er seine Opfer verschleppte und vergewaltigte. Das erste Opfer Zingerles war die junge Lehrerin Gertrud Kutin aus Bozen, die er im Mai 1946 bei Glaning entführte, vergewaltigte und unter schweren Steinen begrub, bis sie schließlich nach mehreren Tagen qualvoll starb. Kurze Zeit später vergewaltigte er bei Karneid ein 15-jähriges Mädchen, einige Zeit danach am Patscherkofel eine englische Touristin. Im August 1950 wurde der mehrfache Sexualmörder nach fünfwöchiger Verfolgung der Polizei aus Nord- und Südtirol in einer Almhütte bei Vals bei Mühlbach schließlich verhaftet und nach Prozessen in Bozen und Innsbruck zu mehrfacher lebenslänglicher Haft verurteilt. Zingerle starb im August 1962 im Gefängnis von Turi bei Bari an Leberkrebs.
Seither hat der Name seinen Schrecken verloren. Heute würden Kinder, wenn überhaupt, dann mit anderen Mitteln geschreckt.
Peter Tappeiner, Rechtswanwalt
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