Untergebracht war der Preisträger zu seinem Wohlgefallen im Laaser Fohlenhof. Bei einem Empfang im Gasthaus zur Krone begrüßten Sponsoren und OrganisatorInnen des Franz-Tumler-Preises den ausgezeichneten Schriftsteller, der hauptberuflich als Schauspieler am Wiener Burgtheater arbeitet. Meyerhoffs Erzähltalent konnte die Runde schon bei der gemeinsamen Marende erleben, Anekdoten aus dem Schauspielerleben und Episoden des Reisens waren Themen, denen gern zugehört wurde. Umgekehrt zeigte sich der Autor sehr interessiert am Vinschger Leben und an der Landschaft. Wilfried Stimpfl vom Laaser Bildungsausschuss zeigte Joachim Meyerhoff Besonderheiten des Vinschgaus und führte ihn durch das Dorf Laas. Laaser Attraktionen und Gassen wurden besichtigt – und ein Besuch bei Frau Muther Gertrud wurde sich Meyerhoff mit einer Verwandten von Franz Tumler unterhalten konnte. Wilfried Stimpfl führte den Sprachkünstler auch hoch hinaus, denn Meyerhoff wünschte sich, die Rimpfhöfe am Sonnenberg zu sehen, auf denen Schriftstellerkollegin Astrid Rosenfeld (Publikumspreis des Franz-Tumler-Literaturpreises) zwei Wochen verbracht hatte.
Marmor -
Meyerhoff wurde nicht nur auf den Berg, sondern auch in den Berg geführt, denn der Laaser Marmor war ihm im Dorfzentrum aufgefallen – und hatte es ihm angetan. Zuerst bekam der Autor und Schauspieler im marmorverarbeitenden Betrieb von Josef Mayr, auch Obmann der Raiffeisenkasse Laas, welche den Franz-Tumler-Literaturpreis finanziell unterstützt, eine erste Einführung in die Materialität des Marmors, er konnte Grabsteine und andere Produkte der kunstvollen Verarbeitung begutachten. Anschließend galt es, die Gewinnung des Laaser Marmors im Bruch mitzuerleben, für Außenstehende ist das eine seltene und daher besondere Angelegenheit! Geführt vom Geschäftsführer der Lasa Marmo AG, Herrn Georg J. Lechner, ebenfalls Sponsor des Franz-Tumler-Literaturpreises, erlebte Joachim Meyerhoff einzigartige Einblicke in den Abbau des Marmors. Meyerhoff bezeichnete den Besuch des Marmorbruchs als besonderen Programmpunkt seines Aufenthalts, war fasziniert vom weißen Gold der Laaser. Er informierte sich an Ort und Stelle über Lieferungen und Aufträge, sah sich farbliche Variationen und Texturen des Steins aus nächster Nähe an.
Schule -
Ein weiterer Programmpunkt war der Besuch des Real- und Sprachengymnasiums in Schlanders, dort traf Joachim Meyerhoff auf die Schüler der 3., 4. und 5. Klassen, welche ihn schon von der Austragung des Literaturpreises kannten, zu dessen Lesungen sie 2011 nach Laas gekommen waren. So entschied sich Meyerhoff, nicht aus dem preisgekrönten Roman zu lesen, sondern den Schülerinnen und Schülern aus seinem noch unveröffentlichten Roman vorzulesen, welcher ebenfalls autobiographisch von Erlebtem und Erinnerungen erzählt. Zur Freude und Unterhaltung der Schüler las Meyerhoff stimmgewaltig und auf schauspielerische Weise aus seinem Manuskript, zog das Publikum durch Episoden aus seiner Kindheit in den Bann. So erzählte er etwa, wie er mit sieben Jahren seinen ersten Toten fand, wie er dieses Erlebnis verarbeitete, wie er es für seine Mitschüler in der Schule durch Ausschmückungen und dazu erfundene Details immer attraktiver machte. Je öfter er von seinem Toten berichten musste, umso schillernder wurde das Erlebnis. Die Schlanderser Schülerinnen und Schüler amüsierten sich, genossen sichtlich Meyerhoffs Fabuliertalent. Nach der Lesung nutzten sie die Möglichkeit, Fragen zu stellen, auf die sie ausführliche Antworten bekamen. Wie hält es Meyerhoff etwa mit der Wahrheit? Hat er das alles wirklich erlebt? Dass Erinnerung durch die Technik der Fiktion funktionieren kann, erklärte Joachim Meyerhoff, das Erfinden von Geschichten oder Details sei eine Möglichkeit, die Erinnerung wieder zu wecken – so trug der gefundene Tote zunächst einen Ring, den Meyerhoff als weiteres spannendes Detail erfunden hatte, bis ihm bewusst wurde, dass der Ring echt gewesen war. Die ausgedachte Ausschmückung wurde Wirklichkeit – oder umgekehrt? Den Schülerinnen und Schülern gab er außerdem seine persönliche Sicht des Reisens und Sprachenlernens mit, die er durch Literatur und durch das Schreiben und Lesen von Geschichten motiviert sieht. Sprache kann nicht nur Welten im Kopf öffnen, Sprache kann eben auch der Schlüssel zur wirklichen Welt sein.
Bühne -
Als Höhepunkt des Kulturaufenthaltes von Joachim Meyerhoff kann seine Performance „Alle Toten fliegen hoch. Teil 2: Zuhause in der Psychiatrie.“ bezeichnet werden, welche am 25. Oktober 2012 als Abschluss seines Aufenthaltes im Kulturhaus „Karl Schönherr“ in Schlanders zu sehen war. Die Produktion des Burgtheaters wurde vom Südtiroler Kulturinstitut eingeladen. Das Theaterpublikum bekam die seltene Gelegenheit, den zweiten von sechs autobiographischen Teilen zu erleben, welche als Bühnenprojekt in der Form des Erzähltheaters am Wiener Burgtheater entstanden sind. Joachim Meyerhoff ist in diesem Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler zugleich, indem er sein Leben auf der Bühne inszeniert. Welche bizarren und schaurig-schönen Geschichten mit einer Kindheit verbunden sind, die sich inmitten einer riesigen Psychiatrie abspielt, führte Joachim Meyerhoff den Zuhörern vor, denn sein Vater war Direktor einer großen Anstalt in Schleswig gewesen. Komik und Absurdität wurden nicht einfach vorgelesen, sie wurden vorgezeigt, vorgespielt, vorgezeichnet und prägten sich den Zuhörern ein. Ein pointenreicher Abend bildete den Abschluss des Vinschgau-Besuches. Mit Joachim Meyerhoff hat nicht nur ein begnadeter Erzähler und Autor den Franz-Tumler-Literaturpreis erhalten, sondern eben auch ein Künstler, der Gespür für die Bühne hat, der mit wenigen, aber wirksamen Requisiten sein Leben in Szene setzt. Dass er im Umsetzen verschiedenster Rollen eine Klasse für sich ist, weiß das Publikum in Wien und darüber hinaus schon lange, am 5.11.12, kurz nach dem Vinschgau-Aufenthalt, wurde Meyerhoff in der Kategorie „ Bester Schauspieler“ mit dem begehrten Nestroy-Preis geehrt. Seine Dankesrede soll ein Schmankerl gewesen sein: von einer „pointierten High-Speed-Rede“ von einer Minute berichtet die österreichische Presse. Wer Meyerhoff im Vinschgau erlebt und mit ihm ein Gespräch geführt hat, kann sich dies wohl gut ausmalen!
Im kommenden Frühjahr wird Joachim Meyerhoffs zweiter Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“ erscheinen, der sich wiederum auf das Bühnenprojekt „Alle Toten fliegen hoch“ stützt. Das Südtiroler Publikum hat somit weiterhin Gelegenheit, die skurril-schrägen, zum Schreien komischen, dann aber wieder tieftraurigen Geschichten des Joachim Meyerhoff zu verfolgen.
Maria Raffeiner