Maria Himmelfahrt
Bauersfrauen aus der Umgebung bringen um Maria Himmelfahrt, also mitten im Sommer, Kräuter und Blumen zu den Bewohnern des Bürgerheimes. Anschließend werden die Kräuter feierlich in der hauseigenen Kapelle vom Kapuzinerpater Max geweiht: „Für die irdische Gesundheit und für das Seelenheil“. Würzkräuter für die vielen liebevoll zubereiteten Suppen gibt es auch in den beiden Wandelgärten des Bürgerheimes, die dem großen Haus im Osten und im Westen vorgelagert sind und je nach Witterung und Sonnenstand aufgesucht werden.
Die Monika ist auch zuständig für den Blumenschmuck und die Ausstattung der Wände des fünfstöckigen Hauses mit wertvollen Bildwerken lokaler Künstler.
„Das Katzen Moidila“
Der junge, hochgewachsene und gut aussehende Fritz Rüdiger aus Vorarlberg – so erinnert sich die Maria Gstrein/Kuppelwieser – war ein Hilfslehrer in schwieriger Zeit, als die Südtiroler nur noch italienisch reden sollten. Die deutsche Sprache zu gebrauchen war in der Öffentlichkeit verboten.
Die Anna Wielander/Platzgummer erinnert sich an den Kindergarten in Schlanders. Sie wollte in der Mittagspause mit ihrer Schwester Traudl in unserer Umgangssprache, also deutsch reden und wurde dafür zur Strafe in den Keller gesperrt. Das war im Jahre 1942.
Deshalb versuchten verschiedene Vereine mit so genannten Katakombenschulen die Unterdrückung und den Verlust der eigenen Kultur zu verhindern. In den Sommermonaten vermittelten freiwillige Hilfslehrer/Innen den geheimen Sprachunterricht und übten dabei auch das Schreiben. „Ma cosa è sucesso in questa estate, che scrivete tutto in punta?“ fragte die Lehrerin im Herbst nach der langen Sommerpause verwundert. „Was ist in diesem Sommer passiert, dass alle spitz zulaufend schreiben?“ Die Kinder hatten in ihrem heimlichen Deutschunterricht auch die „spitz zulaufende“ gotische Schrift geübt, was sich auch im italienischen Schriftbild zeigte. Die Schüler durften natürlich nicht die Wahrheit sagen, sondern mussten antworten: „Unsere Eltern haben uns das gezeigt“.
Der Unterricht von 1922 bis 1943, also in der Zeit, als Mussolinis Faschismus das Sagen hatte, war eine einzige Katastrophe. Die Eltern wehrten sich meist in trotziger Ablehnung, die Schüler machten nur Unfug, von einem normalen Unterricht konnte keine Rede sein.
Nur Marias Eltern ermahnten die Kinder zur Mitarbeit und forderten Gehorsamkeit. So ist es gekommen, dass die Maria recht gut italienisch lernte, was sie bis heute noch kann. Sie erinnert sich gerne an die verschiedenen Lehrer und Lehrerinnen, die auf die Bergschule Pawigl „hinaufklettern“ mussten. So auch an die Trentiner Lehrerin Maria Gatti, die sich mit viel Liebe und Verständnis der Klasse vorstellte und dabei ihren Namen in den Tiroler Dialekt übersetzte: „Ich bin das Katzen Moidele“. Die Klasse folgte ihr willig und freundlich im Unterricht. Faschistische Sprachpolitik zu betreiben versuchte auch noch das demokratische Italien nach 1945; erreicht wurde damit meist aber nur Hass und Ablehnung.
Erst allmählich erinnerte man sich auch im Trentino an die Zeit, als italienische Familien ihre Kinder zum Deutschlernen nach Hall in Tirol schickten und Südtiroler Mädchen in Rovereto bei den „Englischen Fräulein“ die Sprache des italienischen Nachbarn lernten.
Hans Wielander