Im Rahmen der diesjährigen Vollversammlung haben der Südtiroler Landesforstdirektor Dr. Mario Broll und Frau Dipl. Ing. Gudula Lermer, die Leiterin des Forstbetriebes Neureichau in Bayern, in zwei interssanten Referaten über die forstwirtschaftlichen Erfahrungen nach Windstürmen und über die Auswirkungen auf den Holzmarkt berichtet.
Der Windsturm Kolle 2017
Der Forstbezirk Neureichenau umfasst eine Gesamtfläche vobn 18.500 Hektaren bei Passau und im Böhmerwald an der deutsch-österreichischen und an der deutsch-tschechischen Grenze. 2017 wurde der Wald in diesem Forstbezirk Bayerns am 17. August von einem lokalen Sturmwind Kolle verwüstet. Dieser Orkan hat relativ kleinräumig gewirkt, aber massive Schäden hinterlassen. Gudula Lermer hat in ihrem Referat auf kompetente und überzeugende Weise ihre Erfahrungen als Führungskraft unmittelbar nach dem Sturmereignis und darüber hinaus in der Bewältigung der großen Arbeitsspitzen und Belastungssituationen dargelegt. Wichtige Bausteine der Arbeit nach dem Sturmereignis waren:
• eine arbeitsstrategische Planung im Leitungstrio der anfallenden Arbeiten mit wöchentlicher Validation und Aktualisierung der nächsten Schritte;
• eine engmaschige und alle Glieder der Arbeitskette umfassende Sicherheitsunterweisung zur Vermeidung von Arbeitsunfällen;
• ein gut durchdachtes Kommunikationssystem mit überlegten Botschaften nach innen und nach außen, ohne Katastrophenmeldungen zu verbreiten;
• ein engmaschiges Monitoring der Borkenkäfer-Kalamitäten;
• motiviertes und motivierendes Zusammenstehen und Zusammenhalten in Situationen extremer Arbeitsspitzen. Der normale Wocheneinschlag im Forstbezirk Neureichenau beträgt 3.000 Festmeter, nach dem Sturm Kolle betrug der wöchentliche Einschlag an Schadholz 20.000 fstm;
• eine sorgsame Beobachtung und intelligente Bearbeitung des Holzmarktes, welche auch das Anlegen von Nasslagern zur schadfreien Vorratshaltung von Holzstämmen gebracht hat. Beim Fichtenholz musste der Verkaufspreis von 100,00 €/fstm „nur“ um 10 € auf 90,00 € zurückkorrigiert werden.
Der Orkan Vaia vom 28./29. Oktober 2018
Landesforstdirektor Dr. Mario Broll fasste in seinem Referat die Schadensaufnahmen, die Erkenntnisse und den derzeitigen Stand der Aufräumungsarbeiten im Südtiroler Wald nach dem Orkansturm Vaia vom 28./29. Oktober 2018 zusammen.
Im Zeitraum 1950-2019 hat es in Italien vier bedeutende Sturmereignisse gegeben. Im gleichen Zeitraum sind in Europa mehr als 900 Millionen m³ Waldholz durch Windwürfe umgefallen.
Der Sturmwind Vaia vom 28./29. Oktober 2018 in Südtirol und in Oberitalien hat Spitzengeschwindigkeiten von 190 km/h erreicht und nach den forstlichen Schätzungen auf insgesamt 41.000 Hektaren 8,6 Millionen m³ Schadholz hinterlassen.
In Südtirol ist sofort nach dem Sturm in einer koordinierten Aktion aller zuständigen Landesabteilungen mit einer Bestandsaufnahme der Schäden als Prozessdokumentation, aber auch mit der Behebung der ersten Schäden durch Freischneiden der unterbrochenen Straßen und Zufahrtswege begonnen worden. Am 2. November 2018 hat schon der erste summarische Situationsbericht vorgelegen, am 5. November wurde vom Landeshauptmann per Notverordnung der Notstand für ganz Südtirol ausgerufen und die Landesregierung hat den Antrag auf Aufnahme in den staatlichen Notstandsplan gestellt. Am 7. November hat es ein erstes Treffen mit den Stakeholdern (Interessensvertretern) am sogenannten Holztisch gegeben. Am 15. November wurde die staatliche Zivilschutznotverordnung Nr. 558 erlassen. Am 20. November wurde von den Ämtern der 2. Situationsbericht vorgelegt und am 1. Februar 2019 der vierte und bisher letzte und aktuellste Zwischenbericht. Zwischen dem 1. und 4. Situationsbericht wurde in den Wäldern, an den Straßen, Zufahrten und Forstwegen fieberhaft gearbeitet und aufgeräumt. Einige Eckdaten aus dem 4. Situationsbericht sollen an dieser Stelle zusammengefasst werden:
Holzmenge am Boden ca. 1.500.000 Vorratsfestmeter für Südtirol geschätzt. Dabei sind 2/3 der gesamten Holzmenge auf die 4 Forststationen Welschnofen, Deutschnofen, Kaltenbrunn und St. Vigil in Enneberg verteilt.
Diese Menge entspricht 1,3% des Gesamtvorrates laut Nationaler Forstinventur 2005 (ca. 105 Millionen Vfm). Die Schadholzmenge entspricht auch dem 2-jährigen landesweiten Hiebsatz. Für manche Gebiete ist der Verlust am Hiebsatz sehr groß (z.B. Latemar 16 Jahre Hiebsatz).
Die südtirolweit durch die Windwurfereignisse betroffene Fläche beträgt 5.916 Hektar. Dieser Wert entspricht 1,7% der Waldfläche Südtirols laut Landesstatistik 2015.
Was die Höhenverteilung betrifft, waren vom Windwurf v.a. die Waldflächen zwischen 1.400 und 1.900 Metern Meereshöhe betroffen, also die Kernwuchsgebiete der Fichte. Die Windwurfflächen wurden auch nach der Steilheit des Geländes kartiert. Dabei wurden 6 Klassen von Geländeneigung unterschieden. Am stärksten geschädigt wurde der Wald im sehr steilen Gelände.
Die Anzahl der von konzentrierten Windwurfschäden betroffenen Waldeigentümer beträgt insgesamt 2.000 in 8 Forstinspektoraten, davon sind 66% Privateigentümer, 29% öffentliche Verwaltungen und 5% andere Eigentümer.
Was das Straßen- und Wegenetz betrifft, lagen 362 km Straßen- und Wegabschnitte direkt in den Schadflächen, sowie 136,8 km Wanderrouten und -steige.
2.655 Hektar der insgesamt 5.916 ha windgeschädigten Waldes sind Schutzwald, davon 50% Objektschutzwald und 50% Standortschutzwald.
Naturschutzgebiete: 16,6% der landesweiten Windwurffläche liegen in den Landesnaturparken, 15,1% in Natura 2000-Gebieten und 4,9% im UNESCO-Welterbe-Gebiet.
Was die zur Behebung der Schäden eingesetzten Arbeitsgeräte und Holzernteverfahren betrifft, kann gesagt weren, dass bisher 37% des Schadholzes mit Harvester-Spezialmaschinen, 27% mit Schleppern und 36% mit Seil ausgebracht wurden.
Bisherige Aufräumungsarbeiten: Von der geschätzten Holzmasse von 1.491.600 Vfm wurden bis zum 17. Jänner 2019 208.115 Vfm geräumt und abtransportiert. Das entspricht 14% der geschätzten Schadholzmasse oder 32% des jährlichen Hiebsatzes. Im Latemar-Wald der Landesforstdomäne wurde mit ca. 15.000 Vfm so viel Holz aufgearbeitet wie in 3 Jahren bei normalem Einschlag. Bis Mitte Jänner d.J. waren landesweit ca. 140 Schlägerungsunternehmen bei den Aufräumungsarbeiten aktiv. Außerdem sind auch viele Waldbesitzer im Privatwald tätig.
Was den Holzpreis betrifft, konnte für die Fichte der internationale Standard von 60-86€/Vfm gehalten werden. Bei der Lärche blieb der Holzpreis gleich wie vor dem Schadensereignis. Die 7.500 m³ verkauften Zirbenholzes erzielten Preise von 300,00 €/Vfm.
Die Ziele bei den Aufräumungsarbeiten und in der Waldpflege danach bleiben: Die Arbeitssicherheit steht im Vordergrund. Die Bodenstabilität soll und muss erhalten bleiben, ebenso die Bodenfruchtbarkeit. Die Wiederbewaldung der Schadflächen bleibt Ziel. Dabei sollen die Selbstheilkräfte der Natur genutzt und auf Naturverjüngung gesetzt werden.
Wiederaufforstung: Auf den 5.900 ha Schadfläche wurden 230 Standorte ausgemacht, auf denen künstlich und beschleunigt wiederaufgeforstet werden soll. Die Aufforstungsarbeiten werden schätzungsweis 10-15 Jahre dauern. Deren Kosten in den nächsten 5 Jahren werden auf 7,8 Millionen Euro geschätzt.
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