Die Windbestäubung ist eine zufälligere und ungerichtete Form der Blütenbefruchtung, sie braucht deshalb riesige Pollenmengen. Mit der Insektenbestäubung hat die Evolution eine zielsicherere Form zur Frucht- und Samenbildung hervorgebracht.
Die Erderwärmung und der vergangene milde Winter 2018/19 führten im heurigen Frühjahr zu einer verfrühten Blüte der Obstgehölze. Die Marillen haben in Laas zu Josefi geblüht, als die Nächte noch Frost brachten. Bei einer Fahrt mit dem Vinschger Zug konnte ich die Apfelbäume bei Marling und Algund am 5. April in Vollblüte
beobachten.
Blütezeit ist Bestäubungszeit
Bestäubungszeit verknüpfen wir in unseren Breiten gedanklich mit Bienenzeit. In diese Phase der Vegetationszeit von Obstgehölzen rücken auch bei Nichtimkern die Honigbienen in den Mittelpunkt des Interesses und der Beobachtung. Die respektierende Zusammenarbeit zwischen Obstbauern und Imkern halte ich inzwischen für weitestgehend gut konsolidiert: Wie die Honigbiene die Blüte sucht, braucht der Obstbauer den Imker. Das Spritzverbot von Insektiziden in der Blütezeit muss daher eine Selbstverständlichkeit sein. Es wäre töricht, wenn sich der Mensch als willensbetontes und lernfähiges Wesen selbst den Ast absägt, auf dem er sitzt.
Bienenleere Landstriche
Trotzdem möchte ich in meinem heutigen Beitrag noch einmal eine Lanze für die Honigbiene, die Wildbienen, die Hummeln und andere Blütenbestäuber brechen. Weil weite Landstriche Mitteleuropas mit intensiver Landwirtschaft in Monokultur schon bienenleer geworden sind. Rapsfelder etwa in Deutschland bieten während ihrer kurzen Blütezeit Nahrung und Tracht im Überangebot, nach ihrem Abblühen ist für die Bienen in der ausgeräumten Landschaft aber Hungern angesagt, wenn der Imker mit seinen Bienenstöcken nicht zu neuen Trachtquellen wandert. Bei uns in den Bergen der Alpen ist die vertikale Wanderung aus der Obstbaumblüte in der Talsohle zu den Almrosen im Zwergstrauchgürtel möglich.
Pelz und Rüssel
Honigbienen und Hummeln sind die zwei auffälligsten Bestäubungsinsekten unserer Breiten. Hummeln sind an ihrem ganzen Körper pelzig behaart und fliegen schon bei tieferen Temperaturen als die eher spärlich behaarten Bienen. Die Honigbiene wird bei Lufttemperaturen von +11° C aktiv. Hummeln haben den längeren Saugrüssel als Honigbienen und können daher den Nektar in tieferen Blütenröhren z.B. der Lippenblütler oder Rachenblütler erreichen. Unter den Kultur- und Gartenpflanzen gibt es solche, die ausschließlich von Hummeln bestäubt werden wie z.B. die Tomaten. Je weiter man in den Norden Europas kommt und je höher man von der Talsohle in die Berge aufsteigt, umso größer wird bei abnehmender Lufttemperatur die Bedeutung der Hummeln als Bestäubungsinsekten.
Hummeln zittern sich warm
Hummeln lagern nur für wenige Tage Pollen- und Nektarvorräte ein. Durch die geringe Vorratshaltung kann an kälteren Frühjahrstagen nur für eine begrenzte Zeit eine Nesttemperatur von 29-32,5° C aufrecht erhalten werden. Schlechtwetterperioden führen daher zu einer Entwicklungsverzögerung. Hummeln können allerdings individuell ihre Körpertemperatur erhöhen. Bei Bedarf wird durch Muskelzittern Körperwärme erzeugt. Daher können Hummeln auch bei sehr kühler Witterung ausfliegen.
Dauerstaat und Sommerstaat
Honigbienen bilden Dauerstaaten und überleben die kalte Jahreszeit im geschützten Stock in der Wintertraube. Hummeln bilden saisonale Sommerstaaten. Im Herbst sterben die Arbeiterinnen und es überlebt nur die befruchtete Hummelkönigin, die im Frühjahr ein neues Volk aufbaut. Sowohl die Bienen- als auch die Hummelköniginnen werden in ihrem Leben nur einmal von Drohnen befruchtet. Die Befruchtung erfolgt beim sogenannten Hochzeitsausflug in der Luft. Eine Königin wird von mehreren Drohnen befruchtet. Die Samenpakete werden in der Samenblase gespeichert und enthalten Erbinformationen und -eigenschaften von mehreren Männchen. Diese evolutive Anpassung der Mehrfachbefruchtung garantiert ein breit gefächertes Erbgut.
Ein Lesetipp
Wer auch als Imker und Nichtimker Neues und Interessantes über die Kulturgeschichte der Honigbiene erfahren möchte, das über das technische Wissen und Rüstzeug der praktischen Imkerei hinausgeht, dem sei das gut lesbare und unterhaltsame Buch „Von Bienen und Menschen“ von Ulla Lachauer (Rowolth Verlag 2018) empfohlen. Ulla Lachauer, für ihre Reportagen über Osteuropa viel gerühmt und preisgekrönt, hat Imker in verschiedenen Regionen Europas besucht, von der Ostseeinsel Gotland über die Lüneburger Heide bis in den Schwarzwald, von den französischen Pyrenäen über Kärnten bis an die slowenische Adriaküste, vom böhmischen Isergebirge bis in die russische Exklave Kaliningrad. Die Autorin porträtiert vierzehn passionierte Imker, alt und jung, auf dem Land und in der Stadt. Bewegende Geschichten vom „Bienenkönig“ in Ljubjana Laibach, von einem imkernden Lokführer, der Geschichte macht, oder einem Syrer, der vor dem Krieg in seiner Heimatstadt Homs fünfhundert Bienenvölker hielt und jetzt in Deutschland einen Neuanfang wagt.
Im Buch geht es auch um grundlegende Fragen: In welcher Beziehung stehen der Mensch und das Bienenvolk? Machen Bienen glücklich? Welche Rolle spielen Bienen in Notzeiten und Krieg? Warum und auf welche Weise werden regionale Bienenrassen verdrängt? Wie reagieren Imker auf die Bedrohung der modernen Agrarindustrie und andere globale Bedrohung, etwa die gefürchtete Varroamilbe? Was können uns Imker aufgrund ihrer besonderen Erfahrung über Natur und Gesellschaft erzählen?
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