Gabriele Gabriele d‘Annunzio ist so ein Genie, in dem der Wahnsinn sichtbar wird, nicht zwar in pathologischer Form, wohl aber in der maßlosen Übersteigerung des Selbstbewusstseins. Wer seine Villa am Gardasee besichtigt und erlebt, kann daran nicht mehr zweifeln.
Er war ein „Genius des Krieges“, ein Kriegsheld, Dichter, Liebhaber ... selbstherrlicher Parvenü, also ein Emporkömmling, der vom Faschismus, von Mussolini und anderen Verehren bis zur Peinlichkeit hochgelobt wurde, von Frauen verehrt, die sich ihm kriechend nähern mussten. Er wurde sogar vom italienischen König geadelt und bekam den Titel Principe di Montenevoso.
Nach Kriegsende führte er im September 1919 eine Gruppe Freischärler, die so genannten Arditi, sowie Teile der regulären italienischen Armee bei der Besetzung der Adria-Stadt Fiume an.
Nachdem Gabriele d‘Annunzio sich nach dieser militärischen Intervention durch die italienische Regierung im Dezember 1920 gezwungen sah, die Stadt zu verlassen, nahm er die beschlagnahmte Villa eines deutschen Musikhistorikers bei Gardone Riviera am Gardasee in Besitz und begann zu bauen. Alles auf Kosten des Staates, vergrößerte immer wieder und so entstand ein Labyrinth mit Gartenpalast und Freilichttheater, eine Kultstätte, die heute als italienisches Nationalheiligtum gilt: Il Vittoriale degli Italiani „das Sieges-Denkmal der Italiener“.
Eigentlich ist es ein Grabmal. Nicht nur wegen der viele Anlehnungen an alte ägyptische Grabkammern. Ein architektonisches Element erinnert an das „purgatorio“ in Dantes Divina Commedia.
Gabriele d‘Annunzio (1863-1938) fühlte sich als Renaissancemensch ohne moralische Schranken, als Übermensch auch auf dem Gebiet der Literatur. Bald stehen wir erschöpft vor dem Eingang des Geniegrabes, nachdem wir vorher durch die geheiligten Räume des Vittoriale geführt wurden. Fotografieren verboten. Wir bekamen aber freundliche Aufklärung. Übervolle Räume, gedämpftes Licht durch teure Muranoglasscheiben. Dann erweckt ein besonderer Raum die Aufmerksamkeit der Besucher. Es ist die Küche, der einzige Raum, den der Principe Gableriele Gabriele d‘Annunzio selbst niemals betreten hat.
Berühmt ist sein Flug kurz vor dem Ende des 1. Weltkrieges: Zehn einsitzige und ein zweisitziger Doppeldecker mit Gabriele d‘Annunzio als Beifahrer überfliegen am 9. August 1918 Wien und werfen über die feindliche Hauptstadt nicht Bomben ab, sondern Flugzettel mit der Aufforderung zum Frieden.
Als Dichter und Dramaturg war er seinen Zeitgenossen ein Halbgott, genannt „Il Vate“ oder il „Poeta“. Sein Stil ist elegisch, pathetisch, symbolisierend, dekadent ästhetisch. Um schon früh mit einem veröffentlichten Gedichtband berühmt zu werden, ließ er sich nach einem angeblichen Sturz vom Pferd für tot melden.
Wir sind ganz erschöpft nach dem Besuch des Heiligtums am Gardasee. Bestattet ist er auf der Anhöhe des eigenen Anwesens, in einem Mausoleum, das jenes des Cesare Battisti über Trient in den Schatten stellt.
Im Gespräch wird nach ähnlichen Vorbildern in unserem Land gefragt. Aber mir fällt nur das Gegenteil ein: Ein Seher, ein Wissender, ein Prophet, eine Gestalt, mit Verständnis für all die menschlichen Eitelkeiten ... es ist der von Peppi Tischler erfundene „Schnauzer“. In der kürzlich erschienen Sammlung (25 Jahre-Der Schnauzer ISBN 979-12-200-3843-0) mit Zeichnungen und Aphorismen lesen wir. „Am lautesten singen immer die, die falsch singen.“
Zu diesem Vergleich angeregt hat mich die Mitteilung von einem geplanten Porträt für eine „verdienstvolle“ Persönlichkeit unseres Landes. Gottfried Bonell, angesehener Landschaftsmaler und Porträtist, verewigt Bildnisse von Äbten, Politikern, Größen der Wirtschaft und Kultur. Und so sollte er sich wieder einmal der mühevollen Studienarbeit eines wichtigen Kopfes widmen. Dabei werden allerlei Gespräche geführt; der wichtige Herr will auch etwas beitragen. „Ich habe vorgearbeitet“, sagte er zum Maler, „Ich habe bereits den Rahmen für das Bild anfertigen lassen, einen großen Barockrahmen in Gold... er kostete mehr als 40.000€ „. Aus der Porträtstudie wurde nichts. Der Maler fühlte sich eingeengt und verkannt.
Es gibt Grenzen des guten Geschmackes und wer den verletzt, den strafen die Dämonen der Kunst. Es ist so wie in der Sagenwelt, in der es allerhand Geister gibt, gute und hilfreiche, aber auch böse und tückische. Es sind die Nörggelen oder Norggen, die sich überall einmischen und die es besonders im Dolomitenraum und im Vinschgau gibt.
Peppi Tischler bekam 1995 von der ARUNDA den Auftrag, die Sagen aus dem Vinschgau neu zu illustrieren. Das war keine leichte Aufgabe. Aber er erinnerte sich an die Erzählungen seiner Kortscher Mutter und seines Münstertaler Vaters. Im Darstellen der tückischen Zwerge, die einen Fuhrmann an der Arbeit hinderten, entwickelte Tischler eine Frühform des Schnauzers. Die Norggen sind die Urtiroler, sie sind zuständig für alle Lebensbereiche und dürfen nicht beleidigt werden. Vor allem nicht durch Maßlosigkeit. Dann kommt die Rache, der Niedergang. Gute Geister verwandeln sich in böse Norggen.
Aber der Peppi Tischler widmet sich allen Lebenslagen, lässt sich auch von den Teilnehmern der Meraner „Stehweingesellschaft“ beraten. Man trinkt also ein gutes Gläschen, versucht den wichtigen Tagesthemen beizukommen. In Peppis Gehirn bilden sich sofort zeichnerische Gestalten, formelhaft und dann hat er es, die Lösung, als Zeichnung oder als Aphorismus: „Im Gegensatz zum Gehirn meldet sich der Magen, wenn er leer ist.“
Also der Schnauzer, ein gutmütiges Männchen, eine Symbolgestalt aus alpiner Spiritualität, geistreich, verständnisvoll: „Wer seinen eigenen Wert kennt, nimmt auch den Wert anderer wahr“. Dazu die Zeichnung, auf der zwei Schnauzer gezeigt werden, der übliche Tiroler in Tracht und daneben ein Carabinieri mit Federhut, ebenfalls in Tracht mit der Widmung „Hommage“ an General Massimo Mennitti, der aus dem Vinschgau stammt.
Hans Wielander
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