Alles wunderbar. Alles schön. In der Phase des Verliebtseins dominieren im Körper das Hormon Oxytozin und der Botenstoff Dopamin. Negatives wird einfach ausgeklammert, die Hirnregion, die für Kritik zuständig ist, einfach ausgeschaltet. „Zu Beginn einer Partnerschaft haben alle das gleiche Ziel vor Augen: Glück und Harmonie für eine möglichst lange Zeit zu zweit“, sagt Elisabeth Hickmann, „beide sind sehr bemüht umeinander und bestätigen sich wechselweise. Lässt allerdings die erste Verliebtheit nach und kommt der Alltag, so gilt es, aktiv dafür Sorge zu tragen, dass man sich nicht aus den Augen verliert.“
Dazu sollte man wissen, was Beziehung überhaupt ist, wie Beziehung definiert wird. „Beziehung ist ein lebenslanges Arbeiten an gemeinsamen Wünschen, Zielen und Träumen“, sagt Tanja Mitterhofer von der psychologischen Praxis Psy-Vinschau, „in Beziehung sein heißt gleichzeitig, sich auf den jeweils anderen zu beziehen, sodass man den Weg gemeinsam gehen, sich immer wieder gegenseitig Fixpunkt und Halt sein kann.“ Eine Beziehung läuft nicht von selbst. Beruf, Haushalt, Kinder, Finanzen sind nur vier Dinge, die einen Alltag bestimmen und die Aufmerksamkeit, Energie und Zeit einfordern. „Es ist nicht immer ganz leicht und auch nicht selbstverständlich, dass die Liebe nicht manchmal in der Hektik des Alltages untergeht oder phasenweise zu kurz kommt“, bestätigt Tanja Mitterhofer.
Liebe braucht Pflege. Und Beziehung braucht Liebe. Das bestätigen auch Studien. Es sind nämlich jene Beziehungen von Dauer, die regelmäßig gehegt und gepflegt werden. Denn Liebe und Beziehung sind keine Selbstläufer und schon gar nicht ein Zustand, der – wenn einmal erreicht – bleibt. Genau diese Einstellung kann zum Problem werden. Elisabeth Hickmann: „Eine Beziehung, in die man nicht investiert und die man einfach laufen lässt, die wird von selber schlechter!“ Die Sozialpädagogin und Paar- und Sexualberaterin bringt vor diesem Hintergrund gerne den Vergleich des gemeinsamen Beziehungskontos, in das es regelmäßig einzuzahlen gilt. Dieses emotionale Bankkonto funktioniert im Prinzip wie ein echtes Bankkonto.
Allerdings: Es gilt darauf zu achten, dass die Einzahlungen die Abhebungen mindestens um ein Dreifaches übersteigen. Und wie kann man dieses emotionale Bankkonto im Alltag auffüllen? „Da gibt es ganz konkrete Beispiele“, sagt Hickmann.
1 Lob für das, was der andere gemacht hat, denn nichts ist selbstverständlich!
2 Komplimente machen. Wichtig dabei ist, dass die Komplimente auch angenommen und nicht abgetan werden.
3 Anerkennen der Leistungen des anderen in der Familie und im Beruf.
4 gegenseitige Unterstützung.
5 Zeit zu zweit, z. B. gemeinsame Spaziergänge, gemeinsames saunieren oder ganz allgemein gemeinsame Freizeitaktivitäten…
6 Rituale pflegen: z. B. Anrufe während des Tages, Verabschiedung, gemeinsame Essenszeiten, bewusster Abschiedskuss, Händchen halten, Kosenamen
7 Sich einander schöne Dinge sagen, wie zum Beispiel: „Du bist der beste Mann für mich“ oder „Du bist die beste Frau für mich“. Denn Anerkennung und Bestätigung tun einfach gut!
8 Sich Zeit nehmen, Zuhören und Nachfragen ohne Ablenkung (z. B. Handy beiseite legen)
9 Auf Wünsche und Bedürfnisse wechselseitig eingehen.
10 Die Freundschaft zum anderen erhalten. Sich für die Welt des anderen interessieren z. B. Fußball. Das kann die Verbindung stärken.
11 Zärtlichkeit, Nähe – gelebte Sexualität unterstützt die emotionale Verbindung zum Partner und umgekehrt. Dieser Bereich ist der sensibelste Bereich überhaupt und der, über den es Paare am schwersten fällt, sich mit ihren jeweiligen Wünschen und Bedürfnissen offen auszutauschen und für sich einzustehen.
Zeit haben. Sich Zeit nehmen. „Zeit ist ein wichtiger und kostbarer Faktor“, bestätigt Psychologin und Psychotherapeutin Tanja Mitterhofer, „sowohl gemeinsame Zeit, als auch Zeit für sich selbst – persönliche Freiräume sollen Platz haben und akzeptiert werden. Sowohl in der eigenen Persönlichkeit, als auch in der Paarbeziehung kann noch lange von diesen besonderen Momenten gezehrt werden und das gibt Kraft weiter zu machen, den nächsten Schritt zu wagen und Herausforderungen gemeinsam anzugehen.“
Denn Herausforderungen gibt es viele. Jeden Tag. Schwierige Zeiten kommen und gehen. Genau für diese Zeiten, sieht Elisabeth Hickmann Paare mit dem Beziehungskonto, auf das viel eingezahlt wurde, gerüstet. Die Partnerschaft bleibe widerstandsfähiger, wenn Versprechen gebrochen, Vorwürfe und Beschimpfungen oder Zurückweisungen und Anschuldigungen gemacht würden. „Ich mache Ihnen ein Beispiel“, sagt Hickmann, „eine Reparatur nach einem Unfall kostet zum Beispiel 500 Euro. Ist das Konto gut gefüllt, dann ist das kein Problem. Geht das Konto hingegen gen Null, dann wird es schwierig.“ Doch wenn dafür Sorge getragen wird, dass ein gutes Polster auf dem Konto ist, so stürzen Konflikte und Unstimmigkeiten ein Paar nicht gleich in den Ruin, konkret zur Trennung.
Und trotzdem: Beziehung und Liebe sind eine Kunst. Tanja Mitterhofer: „Sich gegenseitig mit allen Stärken und Schwächen zu akzeptieren und trotzdem das Gefühl zu haben zueinander zu stehen, das ist eine Kunst, ein Gesamtwerk, an dem immer wieder neu gearbeitet werden kann.“ Kann und muss. Und eines sollte man nie vergessen: Jede Beziehung hat ihre Probleme. Und das ist auch gut so. Es gibt Probleme, die lösen sich von selbst und manchmal überhaupt nicht. Einfach damit leben lernen, kann auch Liebe und Beziehung leben und pflegen sein.