Vor kurzem habe ich mich mit meinen Freundinnen unterhalten. Wir sind alle in einer ähnlichen Lebenssituation, leben in einer Partnerschaft und haben kleine Kinder. Wir waren uns einig, dass ziemlich viel an uns hängen bleibt und wir das Gefühl haben, ständig für andere da sein zu müssen. Und dann will der Partner auch noch was. Unterscheiden sich die Vorstellungen in Punkto Sexualität von Männern und Frauen tatsächlich so sehr und was ist normal?
Elisabeth Hickmann:
Die Lebensphase, in der Sie sich befinden, ist sicherlich die mit Abstand herausforderndste. Kinder, Berufstätigkeit, Haushalt und evtl. Hausbau wollen erst mal unter einen Hut gebracht werden. Und alte Gewohnheiten, Hobbys, Ausgehen oder eben auch das sexuelle Begehren verlieren sich und können zum Problem werden. Viele haben die Vorstellung, dass Sex vor allem spontan sein muss und „die Lust einen quasi überkommt“. Und da das eben in etablierten Partnerschaften nicht der Fall ist, kann es passieren, dass die Abstände für sexuelle Begegnungen immer länger werden. Sexualität wieder zu beleben, wenn sie eingeschlafen ist, erlebe ich als weitaus schwieriger, als sie schlicht am Laufen zu halten. Aus dem menschlichen Grundbedürfnis nach Angenommensein und Zugehörigkeit plädiere ich daher für Sex als beiläufige, unaufgeregte und genussvolle Aktivität. Die Sehnsucht danach, sich wohl und aufgehoben zu fühlen, ist im Grunde bei Mann und Frau die gleiche. Sexualität ist Intimkommunikation – wenn man sich entspannt nahe ist, versteht man die eigenen Wünsche besser und spürt das Begehren des Partners. Wichtiger scheint mir daher, die Messlatte tiefer zu legen. Das könnte dann heißen: „Auch wenn ich müde bin, noch was tun sollte oder morgen früh aufstehen muss, stelle ich mich darauf ein - für mein Wohlbefinden und einfach darum, weil mir unsere Beziehung wichtig ist.“ Und „normal“ ist einzig das, worauf sich beide Partner individuell verständigen.
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