Das Ergebnis von Kattowitz wird von kritischen Kommentatoren als „mäßig“ bewertet.
Umfrage
Während die Konferenz noch im Gange war, haben Forscher der Universität Hamburg in Deutschland 1.000 Menschen befragt, wie sie den Klimawandel einschätzen. Die ersten Ergebnisse dieses Stimmungsbildes wurden in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ Nr. 53/2018 am 19. Dezember 2018 veröffentlicht. Die Ergebnisse spiegeln Wissen, Einstellungen und Absichten der Deutschen wieder. Das Besondere an der Hamburger Umfrage 2018 ist, dass es eine Wiederholung nach Paris 2015 und damit keine Momentaufnahme ist. Ganz allgemein zeigt die aktuelle Befragung, dass der Klimawandel ein wichtiges Anliegen ist. Mehr als 2/3 der Befragten betrachten den Klimawandel für sich persönlich als wichtiges oder sehr wichtiges Problem. Von Paris 2015 bis Kattowitz 2018 hat sich in den An- und Einsichten einiges verändert. Die Zahl der Enttäuschten stieg: Nur 19% erwarten, dass ein globales Klimaabkommen Erfolg hat, 2015 hatten noch 26% Zutrauen. 2018 glauben nur noch 36%, dass das 2° C-Ziel bei der Eingrenzung der Erderwärmung erreicht werden kann. 2015 waren es noch 45%.
Der Anteil der Menschen, die das Problem Klimawandel einfach nicht wahr haben wollen, ist zwischen 2015 und 2018 auf einem niedrigen Niveau geblieben. Zu den Klimaskeptikern gehört aber leider immer noch der mächtige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Was folgt aus der Hamburger Umfrage 2018 noch? Jeder zweite Befragte wünschte sich, dass Deutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehme. Beinahe jeder Zweite äußerte die Absicht, in Zukunft beim Kauf von Lebensmitteln und in seiner persönlichen Mobilität das Klima schonen zu wollen. Ob das stimmt und die Antwortenden, auch bei nach wie vor unbesteuertem Flugkerosin und Billigflug-Angeboten, etwas weniger fliegen oder kurze Strecken mit dem Rad fahren, lässt sich freilich mit dem Instrument Fragebogen nicht überprüfen.
Jenseits des Kaufverhaltens will sich künftig jeder dritte Deutsche niederschwellig engagieren, etwa durch Teilnahme an Online-Petitionen. Das wird aber zu wenig sein! Werner Erckert, der Fernsehkommentator, formulierte es in den Abendnachrichten „Tagesthemen“ im Sender ARD während der Kattowitzer Tage am 3. Dezember plakativ: „Der Klimawandel ist nicht einfach eine Änderung, sondern eine Katastrophe.“
Die Vorhaltung der Jugend
Die 15jährige schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg wurde in ihrer Rede vor den Politikern beim Kattowitzer Klimagipfel sehr direkt und erntete in den sozialen Medien Stürme der zustimmenden Begeisterung: „Ihr sprecht nur darüber, mit den immer gleich schlechten Ideen weiterzumachen, die uns in diesen Schlamassel gebracht haben. Und das, obwohl die einzig vernünftige Lösung wäre, die Notbremse zu ziehen. Ihr seid nicht erwachsen genug, die Wahrheit zu sagen. Sogar diese Bürde überlässt ihr uns Kindern. Wir sind nicht gekommen, die Regierenden der Welt zu bitten, sich zu sorgen. Ihr habt uns in der Vergangenheit ignoriert und werdet es weiter tun. Euch gehen die Ausreden aus und uns die Zeit. Wir sind gekommen, um euch wissen zu lassen, dass der Wandel kommt, ob es euch gefällt oder nicht. Die wahre Macht ist bei den Menschen.“
Die Erde rechnet ab
„Die Natur, wie wir sie kennen, verschwindet!“ Diese dramatische Bild zeichnet Claus-Peter Hutter in seinem Buch „Die Erde rechnet ab. Wie der Klimawandel unser tägliches Leben verändert – und was wir tun können“ (Ludwig-Verlag 2018). Dass der Wandel schon begonnen hat, belegt Hutter am Beispiel einiger Zeigerarten unter den Tieren. In Deutschland sind einige, früher weit verbreitete Vogelarten wie der Waldlaubsänger, der Erlenzeisig und die Weidenmeise aus manchen Landschaften komplett verschwunden, weil sie in höhere Gegenden mit kälteren Temperaturen ausweichen. Fadenmolch, Kreuzkröte und Gelbbauchunke, die auf Kleinstgewässer angewiesen sind, drohen auszusterben, weil diese Gewässer austrocknen, bevor die aus dem Laich geschlüpften kiemenatmenden Larven voll entwickelt sind und als Lungenatmer an Land gehen können.
In den Alpen, wo ein durchschnittlicher Temperaturanstieg zwischen 0,5 und 1,7° C zu verzeichnen ist, ist unter den Vögeln beispielsweise das Schneehuhn betroffen. Es wandert in höhere Regionen ab, und wenn es auch dort zu warm ist, verschwindet die Art unter Umständen ganz aus den Bergen der Alpen.
Im Nationalpark Stilfserjoch haben wir beobachtet, dass der Anteil der Kitze beim Steinwild von 30% an der Gesamtpopulation im Jahr 2000 zehn Jahre danach, 2010 auf 15% gesunken ist. Ein Erklärungsversuch für dieses Kitzsterben ist das verfrühte Austreiben und Wachsen der Vegetation im Hochgebirge. Die Setz-Zeit der Steingeißen bleibt mit Mitte Juni dieselbe wie seit vielen Generationen, während die Futtergräser ihr Nährwert-Optimum schon überschritten haben, wenn die Steingeißen die fett-und eiweißreichste Milch erzeugen sollen.
Der Wald dehnt sich schon in höhere Lagen aus. Die Bäume werden dort besser gedeihen, während manche Waldbereiche in den tiefer gelegenen Alpenregionen unter Trockenstress geraten werden. Prof. Dr. Christian Körner, zu meiner Studentenzeit Universitätsassistent in Innsbruck, jetzt Universitätsprofessor am Botanischen Institut der Universität Basel und Dr. Eva M. Spehn von der Universität Bern haben dies anschaulich nachgewiesen. Der alpinen Vegetation droht v.a. im Übergangsbereich zum Bergwald ein Flächenverlust durch Verbuschung.
Auffällig sind auch die klimabedingten Veränderungen im Zugverhalten vieler wandernden Vogelarten. Die Zugwege bei Brandgans, Flussregenpfeifer, Kiebitz, Hausrotschwanz und Zeisig haben sich verkürzt. Veränderungen gibt es auch bei den Langstreckenziehern wie bei den Störchen und Kranichen, die zunehmend in Südeuropa verbleiben und nicht mehr nach Afrika ziehen. Problematisch wird es für den Langstreckenzieher Kuckuck, der sehr spät aus seinen subsaharianischen Überwinterungsquartieren zurückkehrt. Der Kuckuck ist bekanntlich ein Brutparasit. Bis der Nestschmarotzer bei uns eintrifft, haben manche seiner Wirtsvögel wie Gartengrasmücke, Goldammer und Sumpfrohrsänger schon fertig gebrütet und es findet sich keine Gelegenheit mehr, ihnen seine Eier unterzuschieben. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Das sechste Massensterben im Anthropozän
Der US-amerikanische Biologe Mark Urban von der Universität Connecticut hat über 130 wissenschaftliche Arbeiten unter dem Aspekt Klimawandel neu bewertet. Er kommt zum Schluss: „Mit jedem Grad Erwärmung infolge des Klimawandels beschleunigt sich das Artensterben!“ Nach Prof. Dr. Thomas Hickler vom Senckenberg-Forschungszentrum für Biodiversität und Klima in Frankfurt ist gegenwärtig die von den Menschen verursachte globale Aussterbensrate von Arten pro Jahr tausend Mal höher als die natürliche. Der negative Einfluss des Menschen ist inzwischen so gigantisch, dass die letzten Jahrzehnte als eigene erdgeschichtliche „Epoche“ - das Anthropozän – klassifiziert werden. Und wir heute vom sechsten großen Artensterben sprechen. Das fünfte große Artensterben wurde vor ca. 66 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag hervorgerufen und löschte die Dinosaurier aus. Mit den Riesenechsen verschwanden über 70% aller damaligen Tier- und Pflanzenarten. Das 6. große Massensterben ist Menschenwerk: Wissenschaftler der Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature) gehen davon aus, dass im Heute Tag für Tag hundert Arten aussterben.
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