Bei einem Symposium am 27. und 28. Oktober in Glurns, organisiert von der Stadtgemeinde Glurns und dem Südtiroler Kulturinstitut, ging es in den verschiedenen Referaten unter dem Titel „Glurns zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit“ um das Stadtwappen, die Churer Gotteshausleute, Glurns als Gerichtssitz, die Stadtplanung, den Mäuseprozess, die Denkmalpflege, die kirchliche Bautätigkeit und die Stadtpfarrkirche St. Pankratius. Es war bereits das 4. Symposium über Glurns. Zwei Themenbereiche möchte ich etwas näher beleuchten: die Churer Gotteshausleute, sowie Glurns als Gerichtssitz. Mercedes Blaas, die Historikerin aus Mals, die bereits mehrere wichtige Publikationen über die Geschichte des Obervinschgaus herausgegeben hat, hat sich in ihrem Referat vor allem mit den Gotteshausleuten im Spätmittelalter beschäftigt. Rund 20 – 50% der Bewohner im Obervinschgau gehörten zu den Gotteshausleuten und waren damit Untertanen der Churer Bischöfe. Nur ihm mussten sie Treue schwören, für ihn in den Krieg ziehen und ihm mussten sie Steuern entrichten. Aber auch die Vögte von Matsch, das Kloster Marienberg und das Kloster Müstair spielten eine große Rolle, hatten viele Besitzungen und waren sehr mächtig. Die Vögte von Matsch erwarben die Vogtei der Klöster Marienberg und Müstair, gerieten aber wegen Missbrauch der Vogteirechte mit dem Churer Bischof in Konflikt. Später verloren sie ihre Eigenständigkeit und wurden gezwungen, die Oberhoheit der Landesfürsten anzuerkennen. Gaudenz von Matsch, der letzte der Matscher, starb 1504. Die Grafen Trapp übernahmen dann die Churburg, die sich seit 1297 im Besitz der Matscher befand. Die Machtposition der Tiroler Landesfürsten bliebt bis in die Zeit Mainhards II Ende des 13. Jahrhunderts recht bescheiden. Doch es gelang ihm durch das ausgeprägte Machtbewusstsein einflussreiche Adelsgeschlechter für sich zu gewinnen und seine Macht zu festigen.
Ein kompliziertes Nebeneinander zwischen Herrschaftsleuten und Gotteshausleuten
Lange Zeit gab es ein kompliziertes Nebeneinander von Rechten und Pflichten zwischen den Untertanen der Tiroler Herrschaft, den sogenannten Herrschaftsleuten und den Gotteshausleuten, den Untertanen der Churer Bischöfe. Glurns liegt an einem wichtigen Wegkreuz. Über das Münstertal und den Umbrailpass kommt man ins Veltlintal und weiter nach Mailand. Im Sommer kommt man auch über Agums, Stilfs und den Wormisionssteig nach Bormio und ins Veltlintal. Um seine Macht im Obervinschgau auszubauen, verlieh Mainhard II im Jahre 1291 an Glurns das Marktrecht. In Müstair gab es am 8. September zu Maria Geburt einen großen, mehrtägigen fürstbischöflichen Jahrmarkt. In Glurns wurde der Marktbeginn auf den St. Bartholomäus Tag am 24. August verlegt. Er dauerte acht Tage. Damit begann der Aufstieg von Glurns und der Tiroler Grafen und der Abstieg des Marktes in Müstair und der Churer Bischöfe. Bereits im Jahre 1294 wird Glurns als „burgus“, als ummauertes Städtchen bezeichnet, 1304 scheint Glurns erstmals als Stadt in einer Urkunde auf. Kaiser Maximilian zwang Jahrhunderte später die Vinschger Gotteshausleute 1495 zum Kriegsdienst für den mit ihm verbündeten Herzog von Mailand. Als es am 22. Mai 1499 zur Clavenschlacht kam, gewannen die zahlenmäßig unterlegenen Bündner gegen die kaiserlichen Truppen. Im ganzen Obervinschgau und Mittelvinschgau wurde geplündert und mehrere Dörfer wurden niedergebrannt. Auch Glurns wurde zerstört. Die auf der Seite der Habsburger kämpfenden Gotteshausleute gerieten in den Verdacht, durch zu wenig Kampfgeist eine Mitschuld an der Niederlage zu tragen. Um die Anzahl der Gotteshausleute im Vinschgau zu reduzieren, wurden sie gezwungen an die Tiroler Grafen Steuern zu zahlen. Später gab es sogar ein Heiratsverbot zwischen Gotteshausmännern und Herrschaftsfrauen. So haben die Habsburger zunehmend an Einfluss im Vinschgau gewonnen, obwohl sie bei der Calvenschlacht 1499 verloren haben. Die Stadt Glurns wurde nach der Zerstörung 1499 wieder aufgebaut, die Stadt wurde erweitert, auch das frühere Dorf Glurns wurde Teil der neuen Stadt. Damit begann die Blütezeit von Glurns. Um 1665 wurden auch die letzten Untertanen der Churer durch einen Vertrag zwischen dem Tiroler Landesfürsten und dem Bischof von Chur tirolische Untertanen.
Glurns – über Jahrhunderte Gerichtssitz
David Fliri, der junge Historiker aus Taufers i. M. berichtete in seinem Referat über die landesfürstliche Verwaltung und Glurns als Gerichtssitz im 16. Jahrhundert. Seit dem 13. Jahrhundert ist Glurns als Sitz eines Gerichts des Landesfürsten nachgewiesen. Im 16. Jahrhundert war Glurns nicht direkt landesfürstlich verwaltet, sondern an die Grafen Trapp verpfändet. Schon früher, seit dem 14. Jahrhundert war Glurns eine Pfandschaft. Das bedeutet, dass der Landesfürst seine lokalen Herrschaftsrechte, Amtsbefugnisse und Einkünfte an einen Pfleger übergeben hat, der ihm im Gegenzug dafür eine Summe Geld vorstreckte. Im Fall von Glurns haben das die Grafen Trapp getan. Die eigentliche Verwaltung wurde aber vielfach von einem Pflegeverwalter übernommen. Sie waren für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich, mussten für die militärische Sicherheit sorgen und einen Richter anstellen. Der Sitz des Richters war ursprünglich auf der Fröhlichsburg in Mals, nach der Calvenschlacht wurde der Gerichtssitz aber nach Glurns verlegt. Oft ist deshalb vom Gericht Glurns und Mals die Rede, wobei es sich um ein einziges Gericht handelt, dessen Einzugsgebiet vom Langen Kreuz auf der Malser Haide bis nach Spondinig reichte. 1495 ging das Gericht und Amt Glurns an Jörg von Liechtenstein, der es bis zu seinem Tod 1517 innehatte. Er ließ in Glurns ein eigenes Gerichts- und Amtsgebäude erbauen. Der Gerichtssprengel von Glurns war kein homogenes Gebiet, wo gleiches Recht für alle Personen galt. Im Gerichtssprengel gab es Leute von fünf verschiedenen Herren. Neben den Untertanten des Landesfürsten, gab es die Gotteshausleute mit ihrem eigenen Gericht in Mals oder auf der Fürstenburg, die Eigen- und Bauleute des Grafen Trapp, die ihren Gerichtsstand im Gericht Matsch hatten, jene des Klosters Marienberg mit dem Gericht im Kloster oder Burgeis und schließlich jene des Benediktinerinnenklosters in Müstair. Das landesfürstliche Gericht in Glurns war ein Hochgericht. Das bedeutet, dass es über die hohe Gerichtsbarkeit verfügte, also über ein Blutgericht, d.h. über Verbrechen wie Mord, Raub, Sexualstraftaten, Hexerei und Zauberei. Strafen wie Verstümmelungen oder Hinrichtungen konnten verhängt werden. Hinrichtungen wurden auf dem Tartscher Bichl vollzogen. Der Richter wurde vom Pfleger eingesetzt. Der Stadtschreiber war gleichzeitig der Gerichtsschreiber. Daneben gab es noch einen Gerichtsdiener. Das Gericht Glurns gab es bis 1931. Unter dem Faschismus wurde die „Pretura di Glorenza“ mit jener in Schlanders zusammenlegten. Damit ging in Glurns eine lange Tradition zu Ende.
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