Dienstag, 17 April 2018 00:00

„Wenn’s gang, tat i gearn nou an Hiarsch schiaßn“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 0833Johann Rainalter politisiert gerne, ist ein kritischer Geist und aufmerksamer Betrachter der Geschehnisse.  Als weitsichtiger Gemeinderat hat er in der Dorfgemeinschaft einiges bewegt. Er kämpfte einst für die Ansiedlung der Firma HOPPE in Schluderns, für den Bau des Wasserreservoirs bei der UPI-Alm, war Gründungsmitglied des Schludernser Sportvereins und vieles mehr.

von Magdalena Dietl Sapelza

Seine 89 Jahre sieht man dem rüstigen „Honser“, wie er im Dorf genannt wird, nicht an.

Wie eh und je ist er am Gesellschaftsleben interessiert und voller Tatendrang. „Di Jungen in der Gemeinde frogn miar heint nou oft um an Rot“, sagt er.
Als ältester von sieben Geschwistern wuchs Hans in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater war Rädermacher und konnte seine Familie kaum ernähren. „I bin unterernährt gweesn, unt i hon miar earsch pan Militär erholt“, erklärt er. Dem Unterricht in italienischer Sprache folgte er nur widerwillig. „Omol hot miar di Lehrerin sogor bissn“, lacht er. Bei Kriegsende 1945 rollten amerikanische Panzer in Schluderns ein. Der damals 16-jährige Hans schlich sich zum Soldatenlager und fand dort gedörrte Zwetschen. Diese waren für ihn ein besonderer Leckerbissen. In der Glunser Kaserne holte er sich, wie viele andere, Glühbirnen. Auch einige Gewehre hatten die Soldaten  dort zurück gelassen. Hans versteckte zwei davon am Tartscher Bichl. Denn er wollte ja  Jäger werden. „Dia Gwehr hoobm si norr gefuntn unt sequestriert“, erinnert er sich. Einen Winter lang räumte er im Auftrag des Straßendienstes ANAS Schnee auf der Strecke von Tartsch bis Reschen. Dann begann er die Zimmermann-Lehre. Im zweiten Lehrjahr ging dem Betrieb die Arbeit aus, und er musste entlassen werden. Was ihn damals sehr schmerzte, kam ihm später zugute. Denn er besuchte daraufhin die Bauhandwerkerschule in Bozen, wo er sich das Rüstzeug für seinen späteren Zimmermannbetrieb holte.  
Nach dem Abschluss der Ausbildung landete er mit mehreren Magengeschwüren beim „Kneringer“ in Meran. Dort wurde ihm geraten, viel Alm-Milch zu trinken. Und er beherzigte den Rat einen Sommer lang auf einer Alm bei Cellerina in der Schweiz. „Di Milch unt dr Rahm hoobm guat gholfn. Bis heint hon i nia mea eppas gspürt“, bekräftigt er.
Den Militärdienst leistete Hans bei Piacenza. Drei Monate lang stand er beim Bau von Brücken über den Po im Einsatz. Dann wurde er der Kasernenküche zugeteilt. „I bin dr Sugo-Kuchaschef gwortn“, scherzt er. Dort konnte er sich nach Herzenslust satt essen. „Selm bin i norr richtig z`Leebm kemman“, betont er. Hans, der inzwischen den Jagdschein erworben hatte, besorgte dem „Mareschiallo“ regelmäßig Fuchsbalge. „Der hot norr am morts Gschäft gmocht“, vermutet er. Nach dem Militärdienst eröffnete er seinen eigenen Zimmereibetrieb in der kleinen Hofstelle, die ihm seine Mutter überlassen hatte. Dieser florierte schon bald, denn überall wurde gebaut und saniert. Hans bildete Lehrlinge aus und beschäftigte im Sommer sogar Lehrer als Handlanger.
1960 heiratete er die acht Jahre jüngere Schludernserin Anna Eberhard. Während er auf Baustellen tätig war, hielt sie ihm daheim den Rücken frei. Sie versorgte die zwei Kinder, die Feriengäste, denen  sie Zimmer mit Frühstück anbot, und die Kuh im Stall. „A Kuah hon i olm hoobm gwellt, denn in dr Noat hot ma selm olm a Milch“, sagt er.
Hans brachte sich aktiv in der Dorfgemeinschaft ein, als  SVP-Gemeinderat, als Vizeobmann des Verkehrsvereines, als Revierleiter, als Gründungsmitglied des Sportvereins und vieles mehr. Im Gemeinderat kämpfte er um die Ansiedlung der Firma HOPPE und um die Erschließung der Quellen bei der Upi-Alm. Vehement wehrte er sich gegen einen  Tiefbrunnen im Sumpfgebiet.  Unterstützt vom Ortspfarrer Josef Thoma, mit dem er tagelang politisierte,  leistete er immer wieder Überzeugungsarbeit. „Es isch oft a schiachr Kompf gweesn“, erinnert er sich. Mit vier SVP Stimmrechten fuhr er 1969 mit der Schludernser Delegation zur Paket-Abstimmung nach Meran. „Mir hoobn inz nit entscheidn kennt“, erinnert er sich. Nach einer Marathonsitzung stellte er sich hinter den Kompromiss: zwei Stimmen dafür und zwei dagegen.
Für seine Familie hatte Hans wenig Zeit. Das änderte sich erst, als es sich von seinen Ämtern zurückzog und nach seiner Pensionierung 1988. Nun begann er seine Hobbys mehr zu pflegen, die Jagd, die Fischerei und den Garten in der Schludernser Au.
Mit seinem „Scooter“, dem Dreirad oder dem „Panda“ fährt er fast täglich dorthin, nicht zuletzt um die Meerschweinchen seines Urenkels David zu füttern.  Obwohl ihn seine Beine seit kurzem etwas im Stich lassen, ist der „Honser“ mit  seinen fast 90 Jahren immer noch Jäger mit Leidenschaft und meint:   „Wenn`s gang, tat i gearn nou an Hiarsch schiaßn.“

{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 4074 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.