Dienstag, 18 September 2012 00:00

„Di Bergschuach fa mein Neina“

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Portrait Wolfgang Schöpf, Laatsch

s15_801Elf Jahre lang war Wolfgang Mesner in der Laatscher Pfarrkirche St. Luzius tätig. Oft verfasste er Fürbitten, Lieder und sogar Messen, die Dekan Hans Pamer dann überprüfte, bevor sie vorgetragen oder gesungen werden durften. Einmal überraschte Wolfgang den Dekan mit dem Lied „Di Bergschuach fa mein Neina“. Pamer, der von Wolfgang regelmäßig musikalische Ständchen serviert bekam, schmunzelte und meinte schelmisch, er solle ihm diese Bergschuhe dann beim traditionellen „Schöpsernenessen“ auch zeigen.

 

Dieses Essen bei Wolfgang hatte Tradition. „I hon obr wedr Bergschuach nou Neina kopp“, sagt Wolfgang.  Und er fasste einen Plan.Um dem Dekans die Bergschuhe unter die Nase halten zu können, bat er den Luis Weger in Mals ihm ein Paar aus seinem Museum zu leihen. Während dieser einzelne Schuhe musterte, erzählte er Wolfgang ganz nebenbei, dass er vieles vom Urgroßvater Johann Schöpf wisse. „Miar hot foscht dr Blitz troffn“, beschreibt Wolfgang, denn er wusste fast nichts von seinen Vorfahren. Sein Vater war als uneheliches Kind zu einer Ziehmutter gekommen und über allem lag der Mantel des Schweigens.
„Durch mai Liad hon i norr in Urgroßvoter gfundn“, freut sich Wolfgang. Der Urgroßvater war Bergführer, Schuster und Steinmetz, der unzählige Marmortafeln mit Inschriften geschaffen hatte, die auf mehreren Bergspitzen im Vinschgau zu sehen sind. 1902 hatte der Urgroßvater beispielsweise einen runden Marmortisch für ein reiches deutsches Ehepaar geschaffen und auf den Valvel (3359 m) bei Planeil hinauf geschleppt, wo er heute noch zu sehen ist. Der Mann wollte mit der Frau unbedingt zum Gipfel aufsteigen. Doch diese zierte sich und wollte den Aufstieg erst wagen, wenn oben ein ihr angemessener Tisch stünde. Das alles erfuhr Wolfgang und ihm wurde bewusst, warum er sich seit Kindesbeinen magisch zu den Bergen hingezogen fühlt. „I honns  geerbt“, meint er und beginnt zu erzählen. Seine Erlebnisse am Berg sprudeln aus ihm heraus wie ein Wasserfall. Er berichtet von unzähligen Gipfelsiegen, von der Mountainbike-Tour auf den Sesvennakopf, vom Paragleiten und vom Fußballspiel auf dem Ortler, bei dem er dem Roland Thöni, der mit seiner Fußballmannschaft damit ins Guinessbuch der Rekorde kommen wollte, zuvorgekommen war.
Er erzählt von seinen Träumen, einmal einen Berg im Himalaya zu erklimmen und von seinem Spaß, die Welt von der Kirchturmspitze aus zu betrachten.
Das Lied, das ihm den Blick zu seinen Wurzeln geöffnet hatte, beflügelte ihn. Er sang es regelmäßig am Arbeitsplatz in der Firma HOPPE und erzählte die Geschichte dazu. Daraufhin übergaben ihm Kollegen zwei Marmortafeln, die die Handschrift seines Urgroßvaters tragen und irgendwo abgelegt worden waren. Genauso wie das Bergsteigen hat Wolfgang das Singen und Texten im Blut. Ob er das auch von seinem Urgroßvater geerbt hat, konnte ihm noch niemand sagen. „Di meischtn Liadr schreib i pa dr Orbat“, sagt er und präzisiert: „Nit afn Blattl - lai im Kopf“. Sein Kopf speichert Melodien und Texte wie ein Computer. Er kann sie jederzeit abrufen. Als Legastheniker mit Rechtschreibschwäche hat er diese außergewöhnliche Fähigkeit entwickelt. Er singt bei jeder Gelegenheit und bringt immer wieder etwas Neues. „In dr HOPPE ischs ihna zviel gwortn, wos i aa versteh“, erklärt er und lacht: „Iatz hoobm sis miar verbotn“. In seiner Freizeit lässt er sich das Singen nicht verbieten. Er textet und komponiert zu verschiedensten Anlässen. Inzwischen hat er einen einzigartigen Rapstil entwickelt. Er rapt mit Inbrunst und Leidenschaft. Seinen großen Auftritt hat er jährlich bei der Laatscher Fasnacht, und er ist dafür sogar mit dem „hölzerne Mikrofon“ ausgezeichnet worden. Die Inhalte seiner Lieder drehen sich humorvoll, kritisch und tiefgründig um das tägliche Leben, um Schönheitschirurgie, Politik und Liebe. Oft erfreut er seine Frau Slovica spontan mit einem Liebeslied. Diese war 1992 als 19-Jährige vor dem Krieg in Bosnien in den Vinschgau geflohen. Mittlerweile hat Wolfgang mit Hilfe seiner drei Kinder begonnen, die Liedtexte aufzuschreiben. Die Noten zum Lied „Die Bergschuach von mein Neina“ hat ihm der Musiklehrer Hubert Eberhöfer aufs Papier gebracht. „Es soll eppas übrig bleibm, wenn mai Kopf amol nimmer funktioniert“, erklärt er. Dass er die Mesnerei aufgeben musste, hängt damit zusammen, dass seine Frau, die ihn dabei unterstützt hatte, eine Arbeit in einer Obstgenossenschaft begonnen hat. „Mair möchtn di Madlan a Studium ermöglichen unt sel koschtet“, erklärt er. Es tut ihm leid, dass er den Dienst in der Kirche aufgeben musste. Derzeit bastelt er an einer kleinen  Kapelle im Garten. Dort kann er dann sein eigener Mesner sein.

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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