Reinhold Messner: Das frage ich mich in diesem Punkt nicht. Ich fragte mich nur, ob es möglich ist, das Projekt zu machen. Im Grunde habe ich immer gleich reagiert: Der Everest war ein Ziel, dazu brauchte ich Mittel, die richtigen Partner und Zeit. Im Falle der Museen war mir klar, dass ich nicht mehr aussteigen kann, wenn ich begonnen habe. Wäre ich in Bozen ausgestiegen, hätte ich sehr viel Geld verloren. Das wäre bitter gewesen. Mir ist es Wurtsch, ob ein Projekt eine oder zehn Millionen Euro wert ist. Es muss nur funktionieren.
Funktioniert’s?
Ja, es funktioniert im Moment tadellos.
Die Gletschermumie Ötzi ist im Südtiroler Archäologiemuseum ein starker Magnet für Gäste. Wo würden Sie Ihre Museen im Südtiroler Tourismusgeschehen einordnen?
Ich liefere für den Südtiroler Bergtourismus die kulturelle Unterfütterung. Meine Museen werden nie die Attraktion haben, die Ötzi hat. Der heutige Gast aber ist nicht mehr zufrieden mit Wellness, schönen Hotels, gutem Essen und Wein, Blick auf den Gletscher und schöne Spazierwege. Er will hintergründig informiert werden. Angela Merkel kommt nicht einfach so nach Südtirol, das hat einen Hintergrund. Nicht wegen meiner Museen. Wenn wir Weltmarktführer im Bergtourismus werden wollen, müssen wir kulturell noch einiges dazugeben. Von der Landschaft her sind wir unschlagbar. Die Dolomiten, viele Almen und der Ortler sind Magnete. Wir haben aber die Verpflichtung, dem Gast mehr zu geben als Konsum.
Sie stehen mit Ihrem Namen, mit Ihreren alpinistischen Leistungen und mit Ihrer Erfahrung auf allen Kontinenten vor Ihren Museen. Was meinen Sie, was noch alles dazukommen müsste?
Ich benutzte meinen Namen als PR-Hilfe, um die Museen überhaupt auf die Beine zu stellen. Meine Erfahrung brauche ich, um Geschichten erzählen zu können. Ich erzähle ja nicht über mich. Der Vorwurf der Kritiker aus Bozen, dass sich „der Messner ein Mausoleum bauen will“, ist völlig ungerechtfertigt. So dumm bin ich nicht. Ich erzähle über das Zusammenspiel Mensch-Berg, über Persönlichkeiten und Künstler. Wenn ich aber meine Erfahrung nicht hätte, könnte ich nicht über Willo Welzenbach oder Julius Payer erzählen.
Sie haben für Ihre Musees im ganzen Land starke Orte, auch Schlösser, gewählt. Es schaut so aus, als ob Sie ein neuer Adeliger wären.
Der Vorwurf entstand schon damals, als ich Schloss Juval gekauft habe. Seit wann muss man adelig sein, um Schlösser weiterzubringen? Ja, die Standorte sind einer der Schlüssel zum Erfolg. Ohne MMM Firmian hätte ich das gesamte Museumsprojekt anders anlegen müssen. Ich bin derzeit dabei, das Thema Fels vom Monte Rite nach Südtirol zu holen. Das Felsmuseum soll neu entstehen.
Den Standort schon gefunden?
Ja, aber ich sag’ noch nicht wo.
Ihre erste IMU-Rate dürfte hoch ausgefallen sein. Wie groß ist Ihr Groll gegen die Politik in Italien?
Null, ich habe keinen Groll gegen die Politik in Italien. Weil ich verstehe, wie es dazu gekommen ist. Dass wir Südtiroler jetzt zur Kasse gebeten werden, ist zum Teil verständlich, zum großen Teil aber nicht gerechtfertigt. Es ist nicht richtig, dass wir für Sizilien mitzahlen sollen, Durnwalder hat gut verwaltet. Dass wir einen Teil der Staatsschulden zahlen ist richtig, weil wir die letzten 30 Jahre kräftig partezipiert haben. Wir haben es aber nicht drauf angelegt, eine Steuerhoheit zu schaffen.
Sind Sie für eine Steuerhoheit?
Ja, ich bin dafür. Sie muss in der Verfassung festgeschrieben werden.
Sie sind derzeit auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel unterwegs. Ist Politik auch Inhalt Ihrer Gespräche?
Ich führe viele Gespräche mit politischem Inhalt, allerdings ohne praktisches Resultat. Frau Merkel will von mir nicht wissen, wo Südtirol hingeht. Ich sehe es generell so: Entweder wir sind in 50 Jahren Europäer, mit einem europäischen Pass, eingebunden in die europäische Sozial-, Öko- und Steuergesetzgebung, oder es gibt Europa nicht mehr. Derzeit ist die Situation verfahren.
Hat die Politik das Primat an die Märkte abgegeben?
Nein, das stimmt nicht. In jeder Demokratie bin ich verantwortlich für die Politk, die wir haben. Auch wenn ich die Politiker nicht selbst gewählt habe. Ein Beispiel: Berlusconi, den ich nicht gewählt, sondern in Brüssel angefeindet habe, war trotzdem mein Ministerpräsident. Weil ihn die Mehrheit gewählt hat. Wir Warner waren nicht stark genug. Zudem hat in letzter Zeit die Opposition ihre Aufgabe nicht wahrgenommen. Sie hat nur mehr zu kritisiert und verhindert, anstatt bessere Vorschläge zu machen. Das gilt im Übrigen auch für Südtirol. Wenn das Volk nach einer Legislaturperiode sieht, dass die Opposition mit ihren Vorschlägen in den meisten Fällen die besseren Lösungen gehabt hätte, ist die Regierung weg. Wenn die Opposition, gerade in Südtirol, nur kritisiert und bei jeder Gelegenheit klagt, frage ich mich, wie viel Glaubwürdigkeit sich diese Opposition noch hat. Da staune ich wenig, dass die Volkspartei seit 60 Jahren regiert.
Die Opposition schlägt allerdings zwei große Modelle vor. Die Südtioler-Freiheit von Eva Klotz ist für eine Selbstbestimmung mit einer möglichen Rückkehr zu Österreich und die Freiheitlichen schlagen einen Freistaat für Südtirol vor.
Die Freiheitlichen legen einen Verfassungsentwurf vor, der so lächerlich ist, dass ihre Partei nicht mehr ernst zu nehmen ist. Allein in die Verfassung hineinzuschreiben, dass Südtirol in den wichtigsten Ländern der Welt Botschaften halten sollte, ist irre. Das könnten wir nie finanzieren. Viel blauer Dunst, alles nur Luft. Spätestens seit 1957 hat sich die Südtiroler Mehrheit entschieden, eine Provinz Italiens mit Autonomie zu werden. Inzwischen aber hat sich die Welt verändert. Heute entscheidet die EU 80 Prozent der italienischen Regeln. Ich verstehe, dass Eva Klotz ihre Politik aufgrund ihrer Biografie macht. Aber Georg Klotz, der Vater von Eva Klotz, das muss man einmal sagen, war politisch keine Heldenfigur, ein aufgeblasenes Mandl, das vom 2. Weltkrieg zurückgekehrt ist und nicht recht wusste, was er mit dem Gewehr machen soll. Er wurde auch in Österreich als Witzfigur gehalten. Für Frau Klotz tut mir die familiäre Tragödie leid, aber historisch gesehen wird Georg Klotz eine Randfigur bleiben. Nicht wie Andreas Hofer, der in unserer Geschichte Bestand hat.
Andreas Hofer hat es immerhin geschafft, dass die Aufklärung in Tirol kaum hat Fuß fassen können.
Richtig.
Hofer passt irgendwie zum Themenwechsel: Eine heftige Polemik ist rund um den Neubau von drei Schutzhütten, darunter die Weißkugelhütte, ausgebrochen. Die architektonische Umsetzung hat zu großen Meinungsverschiedenheiten geführt. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?
Wenn ich eine Schutzhütte abbrechen und neu aufbauen muss, nehme ich gute Architekten und zeitgemäße Materialien. Zu überlegen ist, wie das Material auf Kälte, Hitze, Stürme usw. reagiert. Die Polemik ist übrigens typisch südtirolerisch. Man ist nicht bereit, zukünftsträchtig zu denken. Ich bin eindeutig für die Modernisierung. Die Hütten müssen völlig autark sein. Das Problem ist ein anderes: Kürzlich hat mir der einzige Langtauferer Bergführer Josef Plangger erklärt, dass die Weißkugelhütte auf der anderen Talseite aufgebaut werden sollte, weil sich die Bedingungen geändert haben. Das finde ich eine zu diskutierende Idee. Die Hotels im Tale leben hauptsächlich vom Skitourismus. Schutzhütten sind Infrastrukturen für den Tourismus, das steht auch in den Satzungen des deutschen und des österreichischen Alpenvereins. Das wirkliche Bergsteigen findet weiter oben statt.
Ähneln wir Südtiroler den Schweizern, die auf der einen Seite konservativ und auf der anderen Seite höchst innovativ sind?
Die Schweizer sind kreativer als wir. Auch weil sie eine andere Regierungsform haben. Sie haben eine Basisdemokratie. Aber nicht eine Zwitter-Demokratie. Nicht wie es bei uns Stephan Lausch will. Er will die Stellvertreterdemokratie mit Basisdemokratie mischen. Das geht nicht. Warum ist denn Herr Lausch so Liebkind der „Dolomiten“? Wenn das Lausch-Gesetz durchgeht, entscheidet bei uns alles die „Dolomiten“, allein mit Kampagnen-Journalismus. Das ist gefährlich, dagegen muss man sich wehren.
Was braucht Südtirol, was braucht der Vinschgau, um einen nachhaltigen Tourismus betreiben zu können?
Ich finde, dass der Vinschgau touristisch gut aufgestellt ist. Wir müssen heute hochqualitative Zimmer anbieten. Es braucht ein Kultur- und ein Wanderangebot. Die Kulturlandschaft bis auf 2400 m muss gepflegt werden. Im Winter gibt es - von Sulden abgesehen - im Vinschgau kein rundes Angebot. Da können wir mit den Dolomiten oder mit dem Pustertal nicht konkurrieren. Aber im Radtourismus ist noch viel Potenzial. Am Stilfserjoch erwarte ich mir mehr als ein kleines Museum in Gomagoi. Ich würde mich da an die Ideen von Werner Tscholl am Timmelsjoch orientieren. Ich würde am Stilfserjoch auch zweimal die Woche ein Radfenster aufmachen. Vier Stunden sollte die Jochstraße ausschließlich für Radfahrer befahrbar sein.
Sie sind seit knapp 30 Jahren im Vinschgau. Was hat Sie am meisten geärgert?
Die Vinschger haben mir nie Prügel in den Weg gelegt. Es war damals beim Kauf der zwei Höfe in Juval etwas Aggression zu spüren. Im Vinschgau habe ich mich gut entfalten können. Geärgert hat man mich viel mehr in Bozen, wie jüngst bei den Parkplätzen für Sigmundskron.
Herr Messner, wären Sie SVP-Mitglied, wem würden Sie Ihre Stimme bei den Vorwahlen für den Landeshauptmann geben?
Das ist die Gretchenfrage. Ich bin nicht SVP-Mitglied und werde nie bei einer Partei sein. Wenn man aber eine Basiswahl in den Reihen der SVP-Mitglieder machen will, kann man nicht hergehen und den amtierenden Ladneshauptmann Luis Durnwalder ausschalten. Er muss mit im Spiel bleiben. Es gibt keinen Südtiroler Politiker, der mit Rom besser und glaubwürdiger verhandeln kann als er. Ich bin grundsätzlich für die Direktwahl des Landeshauptmannes und die Großwildjagd auf Luis Durnwalder war nichts als der Beweis für die Schwäche der selbsternannten Nachfolger. Weil ich nicht in der Volkspartei bin, werde ich Luis Durnwalder wählen, weil ich ihm zutraue, mit Monti oder wem auch immer in dieser schwierigen Krise weiterzuverhandeln.