Während die neue Halle der „Karl Pedross AG“ in Latsch noch leer steht, ist das Biomasseheizkraftwerk, kurz BMHKW, seit Monaten in Betrieb und liefert Strom und Wärme. Es ist das erste Biomasseheizkraftwerk dieser Art in Südtirol und ein Vorzeigemodell für kleinräumig ausgelegte Wirtschaftskreisläufe. Der technische Leiter der „Karl Pedross AG“ Sebastian Kurz im Vinschgerwind -Gespräch.
Interview von Angelika Ploner | Foto: Erwin Bernhart
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau
Vinschgerwind: Neidische Augen blicken auf die Gemeinde Latsch. Einen Wärmelieferanten wie die Firma „Karl Pedross AG“ müsste man haben, heißt’s hinter vorgehaltener Hand von manchem Bürgermeister im Tal.
Sebastian Kurz: Das Ganze ist eine sogenannte Win-Win-Situation für uns und die Gemeinde Latsch. Wir verwerten unser Restprodukt und liefern dem Fernheizwerk Latsch Wärme zu einem sehr attraktiven Preis.
Die Energiewirtschaft spielt in der „Karl Pedross AG“ eine große Rolle. Seit gut zwei Jahren produziert eine Photovoltaikanlage rund 500.000 Kilowattstunden Strom.
Nimmt man die Leistung des neuen BMHKWs und jene der geplanten Photovoltaikanlage auf dem Dach der neuen Halle dazu, dann kommen wir auf einen Megawatt. Das ist eine stolze Leistung und gehört zum Nachhaltigkeitscharakter der „Karl Pedross AG“. Das Ziel ist kleine Kreisläufe aufzubauen und zu unterstützen.
Die Neugier ist geweckt. Wann werden die Türen des neuen Biomasseheizkraftwerks der „Karl Pedross AG“ fürs Volk geöffnet?
Wenn alles fertig ist.
Optimierungen und Datenabgleiche etwa mit dem Fernheizwerk Latsch sind noch im Gange. Bevor nicht alle Handwerker ihre Arbeit beendet haben, werden keine Türen geöffnet. Dann kann ich mir vorstellen, dass es einen Tag der offenen Tür geben könnte.
Das Biomasseheizkraftwerk dürfte eine begehrte Referenzanlage sein.
Ja, das stimmt. Erst kürzlich war eine Delegation von 16 Franzosen hier im Werk.
Wo stehen analoge Kraftwerke in Südtirol?
Es gibt in Südtirol eine ähnliche Feuerungsanlage bei der Firma Nordpan, die zur Rubnergruppe gehört in Olang. Ein Kraftwerk, das genau so aufgebaut ist, gibt es in Südtirol nicht. ORC-Maschinen arbeiten mehrere im Vinschgau. Man muss auch sagen, dass eine Anlage, wie sie hier bei uns steht, nur für wenige Betriebe geeignet ist. Denn ein solches Restprodukt, wie wir es haben, haben wohl nur wenige Betriebe.
Sie als technischer Leiter haben den Bau des Biomasseheizkraftwerks begleitet. Wie funktioniert das Ganze, wie muss sich das ein Laie vorstellen?
Wir haben als Ausgangsmaterial, als Brennstoff ein sehr feines, trockenes Material. Mit einer sogenannten Einblasfeuerung wird dieses feine Material in den Biomassekessel eingeblasen und verbrennt darin rückstandslos bei sehr hohen Temperaturen. Der Biomassekessel ist nichts anderes als ein großer Turm mit einer Brennkammer und einer Temperatur bis zu 900 Grad Celsius. Von diesem Turm strömen die Rauchgase, die bei der Verbrennung entstehen, in den zweiten Turm, den sogenannten Thermoöl-Erhitzer.
Das ist nichts anderes als ein riesiger Boiler. Die Rauchgase erhitzen das darin strömende Thermo-Öl auf bis zu 320 Grad Celsius und entweichen ihrerseits – gereinigt und gefiltert– über einen Kamin.
Klingt innovativ.
Das ist mittlerweile Stand der Technik. Dann kommt die zweite Geschichte dazu, die Stromerzeugung in der ORC-Anlage, genannt Organic Rankine Cycle.
Und wie funktioniert das?
Im Prinzip gibt es da zwei verschiedene Medien in einem großen Wärmetauscher. Das Thermo-Öl fließt mit 320 Grad in diesen riesigen großen Wärmetauscher hinein. In diesem Wärmetauscher fließt auf der anderen Seite Silikon-Öl, ein Medium, das bei 70 Grad Celsius verdampft. Durch die hohe Temperatur des Thermo-Öls verdampft das Silikon-Öl und erzeugt Druck, so um die 10 bis 12 Bar, der auf die Turbine geführt wird. Mit anderen Worten: Der Silikon-Dampf treibt die Turbine an. Durch die Turbine wird der Generator in Bewegung gesetzt und produziert Strom. In unserem Fall mit einer Leistung von 400 Kilowatt. Im sogenannten Kondensator kühlt der Silikon-Dampf dann ab und kehrt in seinen flüssigen Zustand zurück.
Und hier kommt das Fernheizwerk Latsch ins Spiel.
Richtig. Um den Silikondampf zu kondensieren, muss ich es, wie gesagt, abkühlen. In dem Moment, in dem sich der Silikondampf abkühlt und verflüssigt, gibt er Wärme an einen Wasserkreislauf ab und diese Wärme ist jene, die wir ins Fernwärmenetz Latsch einspeisen.
Die Verhandlungen mit der Gemeinde waren zähe.
Wir haben ein unschlagbares Angebot unterbreitet. Was unterm Strich bleibt, ist, wie gesagt, eine Win-Win-Situation für beide Seiten.
Seit wann ist die ORC-Anlage in Betrieb?
Seit Dezember ist die ORC-Anlage in Betrieb. Wir haben zuerst den Biomassekessel zum Laufen gebracht und dann alles Stück für Stück in Betrieb genommen. Die ORC-Anlage war allein logistisch eine große Herausforderung. Ein 200 Tonnen-Kran musste die Anlage ins Werk hineinheben. 55 Tonnen wiegt die ganze Geschichte, die Anlage ist komplett vormontiert auf einem Rahmen geliefert worden.
Welche Sicherheitsnetze wurden im ganzen System eingezogen?
Im ganzen System gibt es eine ganze Reihe von Sicherheitsvorkehrungen. Ein Stromausfall wäre zum Beispiel eine Katastrophe, dann dreht keine Pumpe mehr, das Thermo-Öl bliebe auf extrem hohen Temperaturen und würde alles verbrennen. Deshalb steht etwa eine Dieselnotpumpe einsatzbereit und würde bei Stromausfall sofort starten.
Die wichtigsten Kenndaten:
Baubeginn: Februar 2011
Architekt: Werner Pircher
Thermische Leistung: 2,8 MW
Elektrische Leistung ORC-Anlage: 400 kW
Brennstoffeinsatz (Menge pro Jahr): 4.500 t
CO2-Einsparung (Menge pro Jahr): ca. 5 Mio kg
Investitionen: 6 Mio. Euro
Fläche der neuen Halle und Bmhkw: 3.000 Quadratmeter