Mittwoch, 21 März 2012 00:00

„I vrgiss viel, oft isch sell a lai gleich!“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

Portrait: Anton Malloth

s15_0077I vrgiss viel, oft isch sell a lai gleich!“, sagt der fast 85-jährige Anton Malloth am Anfang unseres Gespräches. Geboren ist er am 31. Mai 1927 in Taufers. „Mein Voter hon i schun kennt!“,  doch aufgewachsen ist er als lediger Bub der Luisa Malloth. An seine Kindheit erinnert er sich wenig, „Di Mama, dr Neina und dr Vetter hob´m a guat af miar gschaug, miar isch nicht ogongen!“ Er besuchte die italienische Volksschule. Nach dem Besuch der Pflichtschule ging er seinem Vetter zur Hand, arbeitete in der Landwirtschaft und im Zimmereibetrieb.

Die Militärzeit ist ihm in lebhafter Erinnerung. Als 17-Jähriger, im Herbst 1944 rückte er für die deutsche Wehrmacht ein. Sein Freund Johann Gaiser und er sind als die jüngsten Tauferer eingerückt. Am Bozner Bahnhof trennten sich ihre Wege. Über die Wintermonate absolvierte Anton eine Ausbildung in Görz am Isonzo. Hier machten sie eine Ausbildung für die Waffen SS, seine Blutgruppe tätowierte man ihm in den Oberarm. Im Frühjahr 1945 stand er direkt an der Front bei Frankfurt an der Oder. „Di Russn sein schun durch Polen durch!“ Ständig lebte er in Todesangst und schließlich erwischte auch ihn ein Geschoss in den linken Oberschenkel. Neben vielen Gefallenen blieb er auf dem Feld liegen, seine Wunde verband er leicht mit dem Stoff des Unterleibchens, die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Tags darauf, am 26. April 1946 wurde er von den Russen gefangen genommen. Im Lazarett entfernte man ihm die Kugel, dann ging es per Viehtransport in ein Durchgangslager, welches bis zu 50.000 Gefangene fasste, nach Polen. In dem eingezäunten Lager schliefen die Gefangenen unter freiem Himmel. Mehrere Wochen verbrachte Anton dort, ohne zu wissen, was die Zukunft bringt. Mehrmals wurde er von den Russen verhört. Dann folgte der Weitertransport, die Gefangenen kannten ihr Ziel nicht. „Inni ba Loch!“ Wahllos pferchte man die jungen Soldaten zu Tausenden auf Viehwaggons und brachte sie weg. Anton kam in ein Arbeitslager bei Novosibirsk in Sibirien. Die Zugfahrt dauerte mehrere Tage, einmal am Tag gab es eine karge Mahlzeit, zu Trinken wenig. „Miar hob´m, wenn dr Zug koltn hot, um Trinkn bettlt!“ Das Lager in Sibirien war ein Arbeitslager, umzäunt und bewacht von russischen Soldaten und hohem Stacheldraht. „Wiaviele sein gschtorbm, schwar verwundet und ausghungert!“  Der Kontakt zu Daheim war unterbrochen, er galt als vermisst. Am Beginn seiner Gefangenschaft bekam er den Tipp, er solle sich als Italiener ausgeben, so werde er besser behandelt. Er zerriss seine Papiere und verbrannte sie. „ Desweg´n hon i Glick kopp, und bin in Juni 1946 freikemmen!“ Zusammen mit weiteren 30 Südtirolern konnte er die Heimreise über Wien, Udine nach Bozen antreten. In Meran traf er auf Alois Hellrigl aus Taufers. Zu dritt kauften sie sich eine Zugfahrkarte, so fuhren sie mit dem Zug in den Vinschgau. Tags zuvor kam ein anderer Kriegsheimkehrer in Taufers an, welche der Familie von Anton erzählte, dass er auf dem Weg nach Hause sei. So wartete sein Vetter Heinrich schon am Malser Bahnhof und begleitete die beiden Burschen auf dem Fußmarsch nach Hause. Spät nachts  kamen sie dort an. Wieder heimgekehrt und körperlich erholt von den Strapazen des Krieges begann er in der Zimmerei seines Vetters als Zimmermann zu arbeiten.

Die Nachkriegszeit war voller Entbehrungen. Durch Essenskarten konnte man sich mit wenigen Lebensmitteln eindecken. Der Schwarzhandel florierte. Der Schweizer Franken zog Toni 1948 in die Schweiz, wo er in St. Moritz ein Jahrzehnt als Zimmermann arbeitete. Anfang der 50-er Jahre kaufte er einen Bauernhof in der Unteren Gasse. Die Geschicke der kleinen Bauerschaft führte seine Mutter und später seine Frau Kreszenzia.  Dann bekam er eine Anstellung bei der Zahnradbahn in St. Moritz, wo er bis zu seiner Pensionierung arbeitete. Diese Arbeit erfüllte ihn. Körperlich nicht anstrengend, oblag ihm die Obhut der Bahn. Der Kontakt zu den Touristen und seinen Arbeitskollegen, die Verantwortung im Führerhaus der Bahn, boten ein angenehmes Arbeitsumfeld. Die wenige Freizeit verbrachte er auf der Mittelstation „Chantarella“ auf seinem Zimmer mit Lesen. Sein privates Glück fand er in der Rifairerin Kreszenzia Christandl, welche er im Mai 1957 heiratete. Nach der Hochzeit gingen beide mehrere Jahre ihrer Arbeit in der Schweiz nach, Anton in St. Moritz und seine Frau in Davos. Die freien Tage verbrachten sie gemeinsam. Bald erblickten die Kinder Margherita, Karl, Markus, Martin und Sylvia das Licht der Welt. Seit mehreren Jahren wohnt er bei seinem Sohn Martin, über den Besuch von Kindern, Enkelkindern und Urenkeln freut er sich. Das Holzmachen, sowie den täglichen Spaziergang lässt er sich nicht nehmen. Beim Spazieren freut er sich auch über ein „Ratscherle“. Der rüstige Rentner kocht sich sein Mittagessen selbst. „I hon jo drweil, norr konn i koch´n wos i will und essn, wenn i will!“

Brigitte Thoma

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 4364 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 3-25

titel Vinschgerwind 2-25

titel vinschgerwind 1-25

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.