Fünf Wochen später am 13. Februar 2011 wachte sie in der Universitätsklinik in Innsbruck auf. Verschwommen sah sie die Umrisse ihres Mannes. Ihre erste Frage galt dem Sohn Manuel. „Dieser ist neun Jahre alt und unser Sonnenschein“, erklärt sie. Die Aufwachphase dauerte einige Tage. Dass ihr Teile ihrer beiden Füße und ein Stück des Darms fehlten, nahm sie erst viel später wahr. Sie schwebte in narkotisierten Träumen und kehrte erst langsam in die Wirklichkeit zurück. Diese erdrückte sie fast in ihrer Bitternis. Sie wollte es nicht wahrhaben. Die Tränen kullerten. Simone haderte mit dem Schicksal, mit Gott und der Welt. Psychologen und vor allem ihr Mann bemühten sich um sie. Die Amputation konnte sie erst annehmen, als die Ärzte ihr das lebensbedrohliche Ausmaß der Blutvergiftung erklärten und ihr den anschließenden Kampf um ihr Leben beschrieben. Sie war in Innsbruck mehrmals operiert worden und lag wochenlang in der Intensivstation. Sie hatte überlebt und war unendlich traurig. Sie fühlte sich dem Schicksal ausgeliefert und war gleichzeitig auch dankbar. „Ich musste meine Füße hergeben, damit ich leben kann“, sagt Simone. Die Bilder ihrer nicht mehr durchbluteten schwarz gefärbten Füße ließ sie sich zeigen, um zu verstehen. „Die Ärzte mussten diese Rettungsmaßnahmen ergreifen“, ist sich Simone sicher. Als sie ihr erklärten, dass sie mit Hilfe von Prothesen wieder auf die Beine kommen könnte, beflügelte sie das. „Von da an ging’s bergauf“, erklärt sie. Kurz darauf kam sie zur Therapie nach Martinsbrunn, wo ihre total erschlafften Muskeln aufgebaut wurden. Vieles musste sie wieder lernen wie ein kleines Kind. „Ich war zu schwach, um den Löffel zu halten“, beschreibt sie. Mittlerweile ist sie daheim und versucht den Haushalt zu führen, soweit es ihr möglich ist. Dreimal wöchentlich bringt sie ein Rettungswagen des Weißen Kreuzes nach Mals zur Physiotherapie. Sie freut sich über die guten Fortschritte. Egon gibt ihr Halt, er unterstützt sie, baut sie auf. Die Beziehung der beiden Partner ist inniger geworden. „Bei so einem Schicksalsschlag gibt es nur ein ja oder nein, ganz zusammen oder auseinander“, betont sie. „In solchen Situationen wird einem erst richtig bewusst, was man sich am Altar verspricht, mit den Worten: in guten wie in schlechten Tagen“. Schlechte Tage erlebte das Paar schon Jahre zuvor, als ihre kleine Tochter Sandra 2005 tot zur Welt kam. „Gemeinsam haben wir damals die Trauer durchlebt und wieder Mut gefasst“, betont Simone. „Und so wird es auch diesmal sein.“ Sie fühlt sich in der Gemeinschaft des Weilers Spin wohl, wo sie seit 2002 mit ihrer kleinen Familie lebt. „Alle helfen mir“, freut sie sich. „Es ist aber einfacher Hilfe anzubieten als sie anzunehmen.“ Inzwischen hat Simone Prothesen angepasst bekommen. Sie kann verschiedene Modelle ausprobieren und muss sich dann für ein Paar entscheiden. Mit eisernem Willen gelingt es ihr, bereits wieder für kurze Momente auf den Beinen zu stehen. Welche Prothesen letztendlich für sie geeignet sein werden, muss sich erst zeigen. Simones großer Wunsch ist es, wieder Autofahren zu können. Dazu braucht sie einen neuen Führerschein und ein speziell angepasstes Auto. „Es wird schon irgendwie gehen“, meint sie. Auf Simone kommt noch einiges zu, an therapeutischen Aufgaben und finanziellen Ausgaben. Den neuen Lebensumständen stellt sie sich mit Zuversicht und Optimismus. Noch ist der Rollstuhl ein notwendiges Übel, doch sie ist fest entschlossen, ihn irgendwann in den Speicher zu stellen.
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau