Dienstag, 15 Mai 2018 00:00

„I hon miar’s nit aussuachn kennt“

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 1169Emma Theiner kam als junge Frau vom „Lechtlhof“ bei Tartsch auf den „Gandlatschhof“ am Lichtenberger Berg, wo sie schon bald mit einer „Stub voller Kinder“ fertig werden musste und mit Arbeit, die nie ausging.

von Magdalena Dietl Sapelza  

Emma war 20 Jahre alt, als sie ihrem späteren Mann Toni Christandl zum ersten Mal begegnete.

Der 31-jährige Bauer vom „Gandlatschhof“ am Lichtenberger Berg war auf den „Lechtlhof“ gekommen, um sich seine zukünftige Frau auszusuchen. Denn dort warteten „schneidige Madlen“. Tonis Wahl fiel auf Emma. Und ehe sie es sich versah, stand sie auch schon vor dem Traualtar. „I hon miar`s nit aussuachn kennt“, betont sie.  
Emma und ihre zwölf Geschwister auf dem „Lechtlhof“ waren es gewohnt zu gehorchen und auch anzupacken. „Miar hoobm teiflisch orbatn gmiaßt“, erzählt sie. Ein wenig Geld verdiente die Familie durch den Verkauf von Eiern, die Emma auf ihrem Schulweg nach Tartsch mitnehmen und bei unterschiedlichen Käuferinnen abgeben musste. Sie besuchte die italienische Schule. In der Klasse hatten die Lechtl-Kinder oft einen schweren Stand. „Miar sein Auswärtige gweesn unt di Tartscher hoobm inz olm a pissl verfolgt“, erklärt sie. Ihr Vater hielt nichts davon, dass sie Italienisch lernte. Ihre Mutter hingegen befürwortete es nach dem Motto: gelernt ist gelernt. Das kam der Familie später zugute, nachdem sich italienische Arbeiter gegen Bezahlung in „Lechtl“ einquartiert hatten. Diese waren beim Bau der Galerien für das E-Werk der Montecatini beschäftigt. Emma arbeitete als Magd auf Prämajur, auf Muntetschinig und in Algund. Dann kam der Brautwerber Toni.
Die Hochzeitsfeier fand auf dem „Gandlatschhof“ statt. „In dr Hoazatnocht hoobm miar separat gschlofn, weil di Gescht di Kommr braucht hoobm“, erinnert sie sich. Vom ersten Tag an hieß es arbeiten. Das Kommando im Haus hatte Emmas Schwiegermutter. Die junge Frau fügte sich und wandte sich zusammen mit ihrem Mann und dem Knecht vorwiegend der Stall- und Feldarbeit zu. Rund 25 Stück Vieh waren zu versorgen, dazu kamen Schweine, Schafe, Hühner... Doch viel Zeit verbrachte Emma im „Kindbett“. Fast jedes Jahr legte sie ein Neugeborenes in die Wiege. „Wenn ma nit olla Johr a Kind kopp hot, isch schun dr Pforrer kemman“, erklärt sie. Doch der Hochwürden musste sie nicht oft ermahnen. Denn sie schenkte elf Kindern das Leben. Nach jeder Geburt ließ sie das „Firisegnen“ über sich ergehen. Der Pfarrer wartete jedes Mal vor der kleinen Kapelle auf sie und sprach sie von der Sünde der Geburt los. „Vorher hosch nit in Kirch inniterft“, sagt sie. In den wenigen freien Stunden saß Emma am Spinnrad und gewann Garn zum Socken- und Sarnerstricken.
Ein tragisches Jahr war 1953. Während sich die Familie auf dem Feld befand, stieg plötzlich Rauch aus dem Stadel auf. Bald brannte er lichterloh. Bestürzt liefen Jung und Alt zum Hofbrunnen und versuchten mit Kübeln das Feuer zu löschen. Auch Nachbarn eilten herbei und halfen mit. Das Wohnhaus konnte gerettet werden. „Brennen isch a horte Soch gweesn. Brennen mocht orme Leit“, bekräftigt Emma. Mit viel Mühe und unter großen Entbehrungen wurde der Stadel wieder aufgebaut. Das Geld war knapp. Das besserte sich erst, nachdem die älteren Kinder „in den Dienst gingen“ und einen Teil ihres Lohnes daheim abgaben.
Ein weiterer Schicksalsschlag war der der Unfalltod des Sohnes Klaus 1979. „A Kind zu verliarn isch s´ Schlimmste“, sagt sie. Ihr Mann starb 1996.
„Urlaub“ ist für Emma wie ein Fremdwort. Sie sah nie das Meer. Nicht einmal für Wallfahrten nahm sie sich Zeit. „Wallfohrten hot ma zwor oft versprochn, ma isch obr nia gongen“, bekennt sie. Das Schönste am Hofleben sei es, dass man ein freier Mensch ist. „Unt wenn ma af di Höf isch, muaß ma aa mit di Nochborn gschoffn, weil ma anoder braucht“.
Mittlerweile lebt Emma in einer Seniorenwohnung in Prad, wo sie sich sehr wohl fühlt. Den Hof bewirtschaftet ihr Sohn mit Familie. Emma genießt es, nichts zu tun. „I tua gearn a bissl schlofn. Ma isch holt miad in di olte Tog“, scherzt sie. Hie und da setzt sie sich ans Spinnrad. Mit der Wolle strickt sie „Babypatschlen“ zum Verschenken. Dabei blickt sie auf die Fotos ihrer Kinder auf dem Schrank und schwelgt in Erinnerungen. Auch unzählige Sterbebilder hat sie im Blick, darunter auch jenes ihres Mannes, der als Brautwerber vor über 70 Jahren ihren Lebensweg entscheidend mitbestimmt hat.

{jcomments on}


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 4152 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 3-25

titel Vinschgerwind 2-25

titel vinschgerwind 1-25

 winterwind 2024

WINDMAGAZINE

  • Warm und trotzdem atmungsaktiv. Funktionsbekleidung ermöglicht es uns, selbst bei klirrenden Temperaturen den Schnee und die traumhafte Winterlandschaft zu genießen, ohne ins Frösteln zu kommen. Baumwolle, Fleece oder Daunen? Was…
    weiterlesen...
  • Die tierischen Protagonisten aus der Weihnachtsgeschichte an den Futterkrippen anzutreffen, war einigermaßen überraschend. Weniger unerwartet war, dass ihre Landwirte auch im Winter tüchtig sind. Ein bisschen Zeit für die Ofenbank…
    weiterlesen...
  • Der junge Vinschger Martin Fahrner ist seit 2018 Chef der World Racing  Academy WRA. In der Skisaison 2024/2025 ist er mit 12 Athleten im  internationalen Skizirkus unterwegs. Sein Vater Hans…
    weiterlesen...
  • Promenaden verfügen standesgemäß über besondere Flanierqualitäten, bieten interessante Blickbeziehungen und dienen in der Regel dem Lustwandeln.  Der fünf Kilometer lange Rundweg um den Haider See im Vinschger Oberland vereinigt diese…
    weiterlesen...
  • Ein paar winterliche Überlebensstrategien von Alpentieren und -pflanzen stelle in diesem Beitrag vor. Vereinfacht und in einer systematisierenden Übersicht kann man aktive und passive Überwinterer unterscheiden. Von Wolfgang Platter, dem…
    weiterlesen...
  • Un racconto per immagini di Gianni Bodini   La Val Venosta offre agli amanti degli sport invernali diversi centri ben attrezzati, ma anche per chi si “accontenta” della natura non…
    weiterlesen...
  • Die magische Geschichte der „VALANGA AZZURRA“ („blaue Lawine“),  dem damals erfolgreichsten Ski-Team der Welt rund um Gustav Thöni wurde  verfilmt. Vorgestellt wurde der Kino-Film jüngst am Filmfestival in Rom. von…
    weiterlesen...
  • Unvergessliche Pistenerlebnisse Atemberaubendes Panorama und 44 bestens präparierte Pistenkilometer: In Sulden sind Wintersportträume Wirklichkeit.   Das Skigebiet in Sulden ist kein Geheimtipp, Sulden ist höchstes Niveau, Sulden ist „First Class“:…
    weiterlesen...
  • Schließen Sie die Augen und träumen Sie vom perfekten Winterurlaub mit der Familie … Text: Stephan GanderFotos: Lucas Pitsch / Sebastian Stip In Trafoi, mitten im Nationalpark Stilfserjoch erlebt man…
    weiterlesen...
  • Eine Oase der Ruhe, ein Ziel für Wanderungen, ein beliebter Treffpunkt für Genießer, auch zum Feiern, Ausgangspunkt für Skitouren, eingebettet in einer wunderbaren Bergkulisse: das ist die Berghütte Maseben. Die…
    weiterlesen...
  • Wusstest du, dass die Nährstoffe in Äpfeln die gesundheitliche Wirkung von anderen Lebensmitteln verstärken? VIP hat spezielle Kombinationen mit Vinschger Apfelsorten entwickelt, die überraschend gut schmecken und die Gesundheit fördern.…
    weiterlesen...
  • Die Tage werden kürzer, die Luft frischer, und die Landschaft erstrahlt in reinem Weiß – der Winter in der Ferienregion Reschensee ist da! Eingebettet im malerischen DreiländereckItalien-Österreich-Schweiz erwartet euch ein…
    weiterlesen...
  • Wo die heimischen Alpen in ein winterliches Wunderland verwandelt werden! Dieses Gebiet bietet nicht nur erstklassige Skimöglichkeiten, sondern ist auch ein Ort, der Tradition und Gemeinschaft inmitten der atemberaubenden Natur…
    weiterlesen...
  • Latsch-Martelltal Zwischen kristallklaren Bergseen, dem ursprünglichen Martelltal, dem kargen Sonnenberg und dem sattgrünen Nörderberg liegt das Feriengebiet Latsch-Martell - unterschiedlicher könnte es nicht sein. Als wahres Skitouren Eldorado ist das…
    weiterlesen...

Winterwind 2024

zum Blättern

Winter Magazin - Winterwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Skigebiete Skifahren Rodeln Langlaufen Winterwandern Schneeschuhwandern Eislaufen Schöneben Haideralm Sulden Trafoi Watles Ferienregion

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.