Der 31-jährige Bauer vom „Gandlatschhof“ am Lichtenberger Berg war auf den „Lechtlhof“ gekommen, um sich seine zukünftige Frau auszusuchen. Denn dort warteten „schneidige Madlen“. Tonis Wahl fiel auf Emma. Und ehe sie es sich versah, stand sie auch schon vor dem Traualtar. „I hon miar`s nit aussuachn kennt“, betont sie.
Emma und ihre zwölf Geschwister auf dem „Lechtlhof“ waren es gewohnt zu gehorchen und auch anzupacken. „Miar hoobm teiflisch orbatn gmiaßt“, erzählt sie. Ein wenig Geld verdiente die Familie durch den Verkauf von Eiern, die Emma auf ihrem Schulweg nach Tartsch mitnehmen und bei unterschiedlichen Käuferinnen abgeben musste. Sie besuchte die italienische Schule. In der Klasse hatten die Lechtl-Kinder oft einen schweren Stand. „Miar sein Auswärtige gweesn unt di Tartscher hoobm inz olm a pissl verfolgt“, erklärt sie. Ihr Vater hielt nichts davon, dass sie Italienisch lernte. Ihre Mutter hingegen befürwortete es nach dem Motto: gelernt ist gelernt. Das kam der Familie später zugute, nachdem sich italienische Arbeiter gegen Bezahlung in „Lechtl“ einquartiert hatten. Diese waren beim Bau der Galerien für das E-Werk der Montecatini beschäftigt. Emma arbeitete als Magd auf Prämajur, auf Muntetschinig und in Algund. Dann kam der Brautwerber Toni.
Die Hochzeitsfeier fand auf dem „Gandlatschhof“ statt. „In dr Hoazatnocht hoobm miar separat gschlofn, weil di Gescht di Kommr braucht hoobm“, erinnert sie sich. Vom ersten Tag an hieß es arbeiten. Das Kommando im Haus hatte Emmas Schwiegermutter. Die junge Frau fügte sich und wandte sich zusammen mit ihrem Mann und dem Knecht vorwiegend der Stall- und Feldarbeit zu. Rund 25 Stück Vieh waren zu versorgen, dazu kamen Schweine, Schafe, Hühner... Doch viel Zeit verbrachte Emma im „Kindbett“. Fast jedes Jahr legte sie ein Neugeborenes in die Wiege. „Wenn ma nit olla Johr a Kind kopp hot, isch schun dr Pforrer kemman“, erklärt sie. Doch der Hochwürden musste sie nicht oft ermahnen. Denn sie schenkte elf Kindern das Leben. Nach jeder Geburt ließ sie das „Firisegnen“ über sich ergehen. Der Pfarrer wartete jedes Mal vor der kleinen Kapelle auf sie und sprach sie von der Sünde der Geburt los. „Vorher hosch nit in Kirch inniterft“, sagt sie. In den wenigen freien Stunden saß Emma am Spinnrad und gewann Garn zum Socken- und Sarnerstricken.
Ein tragisches Jahr war 1953. Während sich die Familie auf dem Feld befand, stieg plötzlich Rauch aus dem Stadel auf. Bald brannte er lichterloh. Bestürzt liefen Jung und Alt zum Hofbrunnen und versuchten mit Kübeln das Feuer zu löschen. Auch Nachbarn eilten herbei und halfen mit. Das Wohnhaus konnte gerettet werden. „Brennen isch a horte Soch gweesn. Brennen mocht orme Leit“, bekräftigt Emma. Mit viel Mühe und unter großen Entbehrungen wurde der Stadel wieder aufgebaut. Das Geld war knapp. Das besserte sich erst, nachdem die älteren Kinder „in den Dienst gingen“ und einen Teil ihres Lohnes daheim abgaben.
Ein weiterer Schicksalsschlag war der der Unfalltod des Sohnes Klaus 1979. „A Kind zu verliarn isch s´ Schlimmste“, sagt sie. Ihr Mann starb 1996.
„Urlaub“ ist für Emma wie ein Fremdwort. Sie sah nie das Meer. Nicht einmal für Wallfahrten nahm sie sich Zeit. „Wallfohrten hot ma zwor oft versprochn, ma isch obr nia gongen“, bekennt sie. Das Schönste am Hofleben sei es, dass man ein freier Mensch ist. „Unt wenn ma af di Höf isch, muaß ma aa mit di Nochborn gschoffn, weil ma anoder braucht“.
Mittlerweile lebt Emma in einer Seniorenwohnung in Prad, wo sie sich sehr wohl fühlt. Den Hof bewirtschaftet ihr Sohn mit Familie. Emma genießt es, nichts zu tun. „I tua gearn a bissl schlofn. Ma isch holt miad in di olte Tog“, scherzt sie. Hie und da setzt sie sich ans Spinnrad. Mit der Wolle strickt sie „Babypatschlen“ zum Verschenken. Dabei blickt sie auf die Fotos ihrer Kinder auf dem Schrank und schwelgt in Erinnerungen. Auch unzählige Sterbebilder hat sie im Blick, darunter auch jenes ihres Mannes, der als Brautwerber vor über 70 Jahren ihren Lebensweg entscheidend mitbestimmt hat.
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