Dienstag, 20 Februar 2018 00:00

Demenz, eine soziale Herausforderung

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s18 Vortrag DemenzSchlanders - Demenz ist keine Krankheit, die man heilen kann, sondern eine Alterserscheinung, die zu einer gesellschaftlichen, einer sozialen Herausforderung wird. Es braucht demenzfreundliche Gemeinden.

von Heinrich Zoderer

Diese Aussagen machte Professor Reimer Gronemeyer bei seinem Vortrag, organisiert vom Bürgerheim zusammen mit dem Bildungsausschuss Schlanders. Im vollbesetzten Saal der WFO lauschte das Publikum aufmerksam und konzentriert den Ausführungen des fast 80-jährigen Soziologen und Theologen Reimer Gronemeyer.

Ohne technische Hilfsmittel und ohne Manuskript erzählte er verständlich und humorvoll über neue Möglichkeiten im Umgang mit Demenz. In Deutschland leben etwa 1,3 Millionen Menschen mit Demenz. Bis 2050 kann sich die Zahl verdoppeln. In Südtirol sind es rund 10.000 Menschen und jährlich kommen 1.000 dazu. Demenz konfrontiert uns mit Fragen, auf die es keine Antworten gibt, meinte Gronemeyer. Alt-Sein bedeutet vielfach Allein-Sein. Jeder zweite 85-jährige lebt allein in Deutschland. Die alten Milieus, Familie, Vereine, Kirche, die für die Menschen Halt und Stütze waren, zerfallen. Durch mangelnde Bewegung und falsche Ernährung wird Demenz begünstigt. Alte Menschen haben in unserer Welt der unglaublichen Beschleunigung und Innovation keinen Platz mehr. Die alte Welt des Bauernhofes, die überschaubar und begreifbar war, die gibt es nicht mehr. Die moderne Welt ist „unbegreifbar“ geworden. Alte Menschen haben ihre soziale Rolle verloren, sie werden nicht mehr gebraucht, ihr Wissen, ihre Erfahrungen zählen nichts. Gronemeyer berichtete von Afrika, wo alte Menschen wichtig sind, weil sie Wissen und Erfahrungen haben, die sie an die Jungen weitergeben. Sie haben keine Zeit dement zu werden. Altenhilfe bedeutet in Afrika Hilfe, die von den Alten kommt. Bei uns bedeutet es Hilfe, die die Alten benötigen. Aus medizinischer Perspektive gibt es keine Hilfe, deshalb beschäftigt sich Gronemeyer mit der sozialen Seite. Demente Menschen brauchen Zeit, Zuwendung und Wärme, mehr als viel Geld für die Pflege. In der Diskussion räumte er aber ein, dass die häusliche Pflege die Angehörigen an die Grenze der Belastbarkeit bringen kann. Dann braucht es Hilfe oder demente Menschen müssen in ein Pflegeheim gegeben werden, auch ohne schlechtes Gewissen. Die Großfamilie gibt es nicht mehr, es braucht neue Familienmodelle, neue Formen des Zusammenlebens, ein Freundschaftsgefüge bzw. die Wiederherstellung der Großfamilie unter anderen Bedingungen. Und es braucht eine Sensibilisierung der Gesellschaft, Netzwerke, Patenschaften, eine Kultur des Helfens, der Nachbarschaftshilfe und mehr demenzfreundliche Gemeinden, wie es sie in Deutschland schon gibt (siehe www.demenzfreundliche-kommunen.de).

 

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