Aus dieser Auseinandersetzung heraus entstanden zum Großteil eigens für diesen Ort eine Reihe von Werken, welche sowohl den Kreuzgang wie auch verschiedene Stellen im ganzen Dorf bespielen. Anhand von allegorischen, partizipativen oder erzählerischen Ansätzen lassen sie die Kraft von Geschichte in unserer heutigen Zeit wieder spürbar werden.
Als thematischer Ausgangspunkt dieser künstlerischen Recherche diente ein Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein, welches er 1949 in sein Notizheft schrieb: „Kultur ist eine Ordensregel. Oder setzt doch eine Ordensregel voraus.“ In der aktuellen Kulturwissenschaft wird dieser Satz häufig zitiert, um über Kunst und Kultur in der heutigen Zeit nachzudenken. Welcher Lebensform und Geisteshaltung entspricht Kultur? Haben Kultur und Kunst heute noch mit Techniken der Askese zu tun? Wo übernehmen sie Haltungen des mönchischen Lebens? Und kann die heutige Kunst nach den Prinzipien von Ordnung und Übung gedeutet werden?
Für unser zeitgenössisches Verständnis ist dieser Zugang im ersten Moment schwer nachvollziehbar und scheint wenig aktuell zu sein. Und doch drängt sich die Frage nach solchen Zusammenhängen in Karthaus nachhaltig auf, einem Ort, der mit seinen Überresten des ehemaligen Kartäuserklosters noch heute die Atmosphäre der Stille, der Askese, und des mönchischen Daseins atmet!
Basierend auf der Annahme, dass kulturelle und soziale Energien über Jahrhunderte hinweg wirksam bleiben, beschäftigten sich die eingeladenen Künstler/innen anhand verschiedener medialer, inhaltlicher und konzeptueller Herangehensweisen mit dem historischen Vermächtnis von Karthaus. Siggi Hofer realisiert eine Fassadenarbeit und eine Textarbeit am ehemaligen Hotel „Weißes Kreuz“ am Hauptplatz des Dorfes. Ausgehend von der seit jeher bis heute wahrgenommenen Stille, möchte er mit seiner Intervention nichts Neues erfinden, sondern etwas akzentuieren, was immer schon da war. Michael Fliri positioniert eine Reihe von zehn Masken-Skulpturen im Kreuzgang, mit denen der Künstler unsere Aufmerksamkeit nicht einzig auf die Vorderseiten der Masken lenkt, sondern genauso auf das verborgene oder „unbewusste“ Gesicht der Masken, indem er die Innenseiten als Positivform nach außen stülpt.
Mit seiner Videoarbeit „Du bei mir“, zu sehen in einer ehemaligen Mönchszelle, übersetzt Christian Niccoli das religiöse Ritual der Niederwerfung (Prostration) in einen zeitgenössischen Kontext, und stellt somit die Frage nach unserer heutigen Bereitschaft zu bedingungsloser Demut und Hingabe.
Claudia Barcheri zeigt im Kreuzgang eine neue Serie von Zeichnungen mit roter Tusche, welche Linien- und Rastersysteme aufweisen, wie Koordinatensysteme, Netze und Schablonen, welche das Festhalten, Begreifen und Verorten von „Welt“ symbolisieren.
Erich Kofler Fuchsbergs „Mutterhaus“ ist eine 6 Meter lange hölzerne Struktur in Form eines Schiffes, eine symbolische Darstellung des Stammhauses kirchlicher Ordensgemeinschaften, womit er die vielfachen kulturellen Bedeutungsebenen klösterlicher Gemeinschaften thematisiert.
Mit ihrer für die Kartause entstandenen installativen Arbeit „A Room of One’s Own“ im unteren Kreuzgang beschäftigt sich Maria Walcher mit der Frage nach den Parallelen zwischen dem Mönchstum und dem KünstlerInnen-Dasein. Wieviel an Rückzug in die Einsamkeit und Stille des Klosters oder des Ateliers, und wieviel an Öffnung hin zur Welt werden benötigt, um schöpferisch tätig zu sein? Und Ingrid Hora stellt die Frage nach der Zerbrechlichkeit eines Kollektivs, sobald feste Normen überschritten werden. Anhand einer Serie von Leiter-Objekten und einer Eröffnungsperformance an der großen Außenmauer, werden die Dynamiken des Kollektivs zwischen Abgrenzung und Verlangen symbolisch festgemacht.
Die Ausstellung „Kunst in der Kartause“ findet seit 1987 im Kreuzgang der ehemaligen Kartause statt. Anfänglich von einem „Ausstellungskomitee“ wird die Ausstellung seit 1991 vom Kulturverein Schnals unter der derzeitigen Präsidentschaft von Benjamin Santer organisiert und bezieht immer öfter auch das gesamte Dorf Karthaus mit in das Geschehen ein.
Die Ausstellung ist bis einschließlich 20. August im öffentlichen Raum von Karthaus zu sehen. Die Ausstellung ist ganztägig zu besichtigen.
Ludwig Wittgenstein
{jcomments on}