Dienstag, 27 Juni 2017 09:06

Leserbriefe Ausgabe 13-17

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Unachtsamer Umgang mit geschützten Tierarten kein Kavaliersdelikt!

Südtirols landwirtschaftlich genutzte Talböden sind von einem teils dichten Netz an Abzugsgräben durchzogen. Diese Entwässerungsgräben müssen periodisch instand gehalten werden, um ihre Funktion zu erfüllen. Andererseits sind diese Klein- und Kleinstgewässer überaus wichtige Ersatzlebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten, da durch die Urbarmachung der Talböden die Flusslandschaften und mit ihnen die ursprünglichen Lebensräume dieser Tiere und Pflanzen zerstört wurden. Daher ist bei Instandhaltungsarbeiten besondere Rücksicht auf die Tier- und Pflanzenwelt zu nehmen. Ein aktueller Fall aus Naturns zeigt, wie unachtsam und geradezu fahrlässig selbst mit streng geschützten Tierarten umgegangen wird. Dabei handelt es sich um kein Kavaliersdelikt, denn neben möglichen verwaltungsrechtlichen Verstößen kennt das italienische Strafgesetzbuch seit 2015 auch dem Umwelt-Straftatbestand (reato ambientale).
Am Donnerstag, den 15. Juni hat sich aufmerksamen Personen in Naturns ein ungewöhnlicher Anblick geboten. Überraschend viele oberitalienische Bachneunaugen waren zu sehen. Aber nicht etwa in einem Gewässer, in dem sie normalerweise gut versteckt und geschützt leben, sondern mitten auf der Straße, am heißen Asphalt, sterbend und vertrocknend. Wie war diese gefährdete und streng geschützte Kleinfischart (Rote Liste Südtirols: besonders gefährdet; EU-Habitatrichtlinie: in Anhängen II und V gelistet, Berner Konvention: Anhang II gelistet, Landesfischereigesetz: ganzjährig geschützt) dort hingekommen?
Bei Instandhaltungsarbeiten des Naturnser Mühlgrabens wurde Material entnommen und mit diesem auch die im Sohlsubstrat lebenden Neunaugen. Beim Abtransport mit einem landwirtschaftlichen Transporter schwappte die Ladung teilweise über und mit ihr auch die Neunaugen. Aufgrund der Tatsache, dass es so viele Tiere waren, kann man diese bei den Instandhaltungsarbeiten eigentlich nicht übersehen haben. Dabei sieht das Landesgesetz 5/2009, welches die Bonifizierungstätigkeit regelt, bereits in den Zielsetzungen in Artikel 1, Absatz 1 Folgendes vor: „Die Bonifizierungstätigkeit ist ein unentbehrliches Instrument ..., zum Schutz der Wasserressourcen, ..., zum Schutz der Umwelt, ...“ Absatz 2 führt dann aus: „Diesen (Bonifizierungskonsortien Anm.) wird eine vorwiegende Rolle bei der Planung, Verwirklichung und Führung ... von Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes zuerkannt.“
Am Naturnser Mühlgraben ist genau das Gegenteil passiert.
Mit den Erhebungen zu den genauen Umständen sind die zuständigen Stellen der Abteilung Forstwirtschaft betraut, die auch Sanktionen bei festgestellten Verwaltungsübertretungen verhängen können. Seit dem Jahre 2015 haben derartige Vergehen aber nicht nur einen verwaltungsrechtlichen Aspekt, sondern auch einen strafrechtlichen.
Laut Art. 452bis des italienischen Strafgesetzbuches kann jeder bestraft werden, der unrechtmäßig eine relevante und messbare Beschädigung oder Verschlechterung eines Ökosystems sowie der biologischen Vielfalt verursacht, und zwar mit einer Haftstrafe von zwei bis sechs Jahren sowie mit einer Geldstrafe von 10.000 € bis 100.000 €. Unbeschadet der Überschrift des Artikels („inquinamento ambientale“) sind sich Rechtsprechung und Lehre darüber einig, dass der entsprechende Straftatbestand durch jegliche Handlung erfüllt werden kann. Die Tatsache, dass es sich in diesem Fall um eine gefährdete und streng geschützte Tierart handelt, dürfte erschwerend hinzukommen.
Die Ausdehnung des Straftatbestandes auch auf fahrlässige Handlungen wird von Art. 452quinquies StGB vorgesehen und ist absolut erwähnenswert, wobei angesichts der Tatsache, dass durch die schiere Anzahl der Bachneunaugen wohl zumindest eine bedingter Vorsatz („dolo eventuale“) argumentiert werden könnte. In diesen Fällen würde Art. 452bis StGB greifen.
In den vergangenen Jahren hat der Dachverband für Natur- und Umweltschutz immer wieder auf den rücksichtslosen Umgang mit unseren Gewässern aufmerksam gemacht, ob Totalausleitungen, Fischsterben durch Pestizide oder radikale Grabeninstandhaltungen. Aufgrund der zahlreichen Fälle kann man sicherlich nicht mehr von Versehen oder bedauerlichen Einzelfällen sprechen. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz hofft, dass es zu einem grundlegenden Umdenken kommt, bevor bei solchen oder ähnlichen Vergehen strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen.
Klauspeter Dissinger, Andreas Riedl,
Dachverband für Natur- und Umweltschutz

 


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