In diesem Buch für kleine und große Kinder wird der Maler und Poet Luis Stefan Stecher sichtbar. Vor allem aber spürt man, dass Stecher ein phantastischer Geschichtenerzähler ist. In seinen Bildern sind Geschichten versteckt und in seinen Gedichten erzählt er Geschichten von Menschen, vom Leben und Überleben. Luis Stefan Stecher ist vor 80 Jahren als jüngstes von neun Kindern am 7. Juni 1937 in Laas geboren. Sein Vater und sein Großvater waren Baumeister in Prad und betrieben eine Ziegelei in Vetzan. Sein Großvater war am Bau der Stilfserjochstraße beteiligt. Er baute auch die Kirchen in Sulden, Gomagoi, Laatsch, Tanas und die Wallfahrtskirche Maria Lourdes in Laas. 1938 verlor sein Vater die Besitzungen und zog nach Innsbruck, wo er 1941 starb. Seine Mutter kehrte 1944 nach Laas zu ihrer Schwester zurück, 1948 zog Stecher nach Innsbruck, 1952 begann er eine Lithografenlehre, 1953 ging er nach Wien und begann das Studium an der Akademie der bildenden Künste. Diese Erfahrungen seiner Kindheit, der Verlust des Vaters, das karge Leben einer kinderreichen Familie und der Verlust der Heimat haben Stecher geprägt. Nach seinem Studium und mehreren Reisen kehrte er nach Südtirol zurück und unterrichtete von 1960 bis 1966 an mehreren Schulen Kunsterziehung. Seine erste Arbeitsstelle war an der neu errichteten Mittelschule in Schlanders. Im Vinschgau ist Stecher vor allem bekannt durch die „Korrnrliadr“, die Gedichte in Vinschger Mundart. Vor 40 Jahren hat sie Stecher geschrieben und 1978 erstmals veröffentlicht. Damals lernte er bei einem Aufenthalt in Südostasien das Volk der Karen kennen, eine ethnische Minderheit in Myanmar und Thailand, die diskriminiert wird und um ihre Anerkennung kämpft. Ähnlich ging es den Korrnern in Tirol. Besonders im Vinschgau gab es viele Korrner, in einigen Dörfern waren es bis zu 30% der Bevölkerung, die als Wanderhändler und Gelegenheitsarbeiter in den Sommermonaten herumzogen und so ihr Brot verdienten und ihre Kinder ernähren mussten. Sie waren eine verachtete Minderheit, ein Teil unbewältigter Tiroler Vergangenheit, wie Stecher im Vorwort der Erstausgabe schreibt. Dieser Bevölkerungsgruppe wollte er mit seinen Gedichten ein Denkmal setzen und an ihre harte Lebensweise erinnern. Es ist die Geschichte über Besitzlose, Heimatlose, Rechtlose, die ums Überleben kämpften, in der freier Natur lebten, die Freiheit genossen, sich liebten und ihre Ehre verteidigten. Mit den Korrnerliadrn hat Stecher auch den Vinschger Dialekt, bzw. Laaser Dialekt, einzelne Dialektausdrücke und geografische Namen verewigt. Wie lange wird man noch Dialektwörter wie Paggaasch, Soldr, Graffl, Zapiin, Pallnraitr und Prenntameel kennen? In den Gedichten hat Luis Stefan Stecher den Korrnern Lebensweisheiten in den Mund gelegt, die wahrscheinlich seiner eigenen Lebensphilosophie sehr nahe kommen und die er in anschaulichen und konkreten Bildern zum Ausdruck bringt.
Wail di Wält ischa Haischtokk, wer rupft, deer hot mäa
(Seite 14 der dritten Ausgabe der Korrnerliadr
aus dem Jahre 2009)
„Unta Toal Lait hotan Haufn. Unta Toal Lait hotan Träkk“ (Seite 82) „Ollz, woosdr sui drzeiln wäarn, hot ollm a Hintrtiirl“ (Seite 87) „It olle Lait gfollt holt, woos di ondrn Lait tian. Oowr deis pissale Ondrsch mocht di Wält eibm schian“ (Seite 129) Das sind nur einige der vielen Lebensweisheiten in den Korrnerliadrn. Stecher ist es gelungen, den Mundartgedichten einen Rhythmus, eine bestimmte Melodie zu geben. Thoma Ernst, der Chorleiter, Musikerzieher und Komponist aus Mals hat mehrere Gedichte vertont, so dass sie heute von vielen Chören gesungen werden. „Mai Maadele, mai Tschuurale“ ist bereits zu einem bekannten Volkslied geworden, das auch von der Pustertaler Folkgruppe „Titlá“ und dem Vinschger Liedermacher Dominik Plangger gesungen wird. International bekannt ist Stecher vor allem als Maler. Berühmt sind die Porträts bekannter Persönlichkeiten, Landschaftsbilder und religiöse Bilder. Als „ungläubig Glaubender“ hat er den Gekreuzigten mehrmals gemalt, ausdrucksstark sind seine Traumlandschaften, die Frauenbilder, die magisch, mythologischen Bilder von Sisyphos und Orwell. Vor 20 Jahren schuf Stecher mit dem „Plauser Totentanz“ sein Meisterwerk als Maler, Poet und Lebensphilosoph.
HOLT OUN A WAILELE BLAIB SCHTIAN NOR WOASCH
VILAICHT WIA WAITRGIAN.
Halt an ein Weilchen, bleib stehn, dann weißt
vielleicht wie weitergehn (1. Tafel)
An der Außenseite der Friedhofsmauer von Plaus, dem Grenzbereich zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten, erzählt Stecher auf 18 Bildtafeln das Vinschger Welttheater über den letzten Tanz mit dem Tod. 1995 erhielt Stecher den Auftrag, 1998 legte er die Entwürfe vor und 2001 wurde die fertige Arbeit zusammen mit dem neu gestalteten Dorfzentrum eingeweiht. Die Bilder erzählen vom Leben verschiedener Menschen, der Geschichte und dem Tod, der uns ständig begleitet. Auch konkrete Persönlichkeiten Südtirols, wie den früheren Bischof Wilhelm Egger, den Vinschger „Lottermaler“ Alois Kuperion und Landesrat Arnold Schuler, den früheren Bürgermeister von Plaus, hat Stecher auf den Bildern festgehalten. Die Erde, der blaue Planet, hat ein tiefes, schwarzes Loch. Wir sind dem Tod nur zwei Schritte voraus und manchmal holt er uns ein und führt uns in den Abgrund, in das tiefe schwarze Loch. Bettler, Bauern, Bischöfe, Soldaten, Könige und Narren, alle holt der Tod, selbst die Kinder. Zu den Bildern mit vielen Symbolen hat Stecher Verse im Dialekt geschaffen, die zum Nachdenken über das Leben und den Tod anregen, und uns bewusst machen, dass wir hier auf Erden nur Gäste sind, für kurze Zeit, das Leben aber bewusst leben sollen. Ulrike Stecher, die Tochter von Luis Stefan Stecher, hat 2003 in einem wunderbaren Buch den Plauser Totentanz ausführlich beschrieben und Erklärungen zu den Bildern und Texten gegeben. Die tiefsinnigen Texte sind aber auch humorvoll und lustig wie z.B.: TONZN TIAN MIAR OLLE GEARN - LAI NIT MIT SOU DURRE HEARRN. (Tanzen tun wir alle gern - nur nicht mit so dürren Herren). Das wünschen wir auch dem Malerpoeten Luis Stefan Stecher. Luis, alles Gute zum 80ten, tanz weiter, mal weiter, schreib weiter und mach weiter!
Heinrich Zoderer
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