Dienstag, 16 Mai 2017 09:26

Annäherung an die Urkraft

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s38 Malfertheiner Wielander Della TorreEine Woche vor Ostern strömten Männer und besonders viele Frauen ins Kulturhaus von Schlanders. Sie kamen aus dem ganzen Vinschgau, einige von Meran, von Bozen und sogar aus der Brixner Gegend. Im Eingangsbereich des Kulturhauses ertönte meditative Musik. Martina Wienchol spielte auf verschiedenen Instrumenten und rezitierte das Gedicht „Ein alter Tibetteppich“ von Else Lasker-Schüler.

„Deine Seele, die die meine liebet ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet“ so die ersten Zeilen. Der Bildungsausschuss Schlanders hat eine umfangreiche Werkschau der verschiedenen Arbeiten von Anna Wielander-Platzgummer präsentiert. Verena Malfertheiner, eine junge Museumspädagogin, hat die Ausstellung zusammengestellt und auch einen Einführungstext verfasst. Im Jänner dieses Jahres wurde die Künstlerin 80 Jahre alt. Vom 6. bis 20. April konnten ihre Stoff- und Papierdrucke, Papierschnitte, Grafiken, Aquarelle und Objekt-Collagen besichtigt werden. Im wechselnden Spiel des Tageslichts strahlten die Bilder im Raum und auf die Besucher, passend zum Titel der Ausstellung „Strahl in Strahl, verliebte Farben“. Die Bilder strahlen Wärme aus, Harmonie und Ruhe. Es sind meditative s38 Anna Wielander 05Bilder, entstanden in einem meditativen Prozess. Als Geschenke der Stille bezeichnete Karin Dalla Torre, die Direktorin der Landesmuseen, die Bilder in ihrer Einführung bei der Ausstellungseröffnung. So wie das Weben eines Teppichs, werden die Bilder, die Grafiken und Collagen verwoben, geflochten, verknüpft und geformt. Aus einzelnen Teilen wird ein Gesamtwerk, ein Kunstwerk, ein eigener Kosmos. Es sind feine Strukturen, magische Zeichen, uralte Symbole, Tiere und Pflanzen, die die Künstlerin oft symmetrisch anlegt, zu einem Gesamtbild formt und so wirken lässt. Es kann das Abbild einer Baumrinde sein, das Spiegelbild einer bunten Wiese oder die geometrisch geformte Darstellung eines uralten Symbols. Die Texte eines Gedichtes werden zu einem Bild geformt, Zahlen und Buchstaben, einfache Zeichen, werden durch Wiederholungen zu einem Bild komponiert. Die Natur und Naturreligionen sind die Quellen, Suche und Annäherung an die Urkraft in der Natur und in alten Naturreligionen die Triebkraft. Es ist die Sehnsucht nach Eintracht und Ausgeglichenheit, nach Schönheit und Vielfalt, Toleranz und Transzendenz. Die Werke sind aber auch Ausdruck einer Sehnsucht nach der Ferne, dem Exotischen, sowie dem Archaischen, dem Einfachen und Volkstümlichen. Anna Wielander Platzgummer hat sich mit den großen Göttinnen, mit Gaia, der Mutter aller Götter, der Mutter Erde, die alles Lebendige hervorbringt, ernährt und beschützt, auseinandergesetzt, genauso wie mit der Zen-Meditation und den Schamanen, den alten Kulturen und Religionen. Sie wandert durch die Natur und sammelt Lärchenzweige, kleine Äste von Sträuchern und Bäumen und knüpft sie zu Bildern und Wandteppichen. Abfall und Natur wird zu Kunst.

Von der Kindergärtnerin zur Künstlerin

s38 Anna Wielander 01Heute kann Anna Wielander Platzgummer auf ein langes Leben und eine vielfältige Schaffensperiode zurückblicken. Unabhängig vom Zeitgeist und den verschiedenen Moden, hat sie ihren eigenen Weg gesucht und gefunden. Oft war er steinig und hart. Und oft hat sie ganz bewusst den steinigen Weg gewählt. Sie besuchte die Kindergärtnerinnenschule und hat acht Jahre im Kindergarten gearbeitet. In dieser Zeit hat sie Malkurse bei Peter Fellin in Meran besucht. 1961 hat sie den Beruf als Kindergärtnerin aufgegeben und ein Studium an der Kunstakademie in München begonnen. 1963 wechselte sie an die Kunstschule in Florenz. Ihre Eltern waren über diesen Schritt nicht erfreut und sie musste sich das Studium selbst finanzieren. Nach dem Studium unterrichtete sie als Kunsterzieherin an Mittel- und Oberschulen und neben ihren Beruf und ihrer Aufgabe als Mutter von drei Kindern arbeitete sie als Künstlerin. Sie besuchte Malkurse bei der Salzburger Sommerakademie und hielt später selber Kurse über Kunstgeschichte an der Urania Meran. Ab 1986 hat Anna Wielander immer wieder ihre Arbeiten bei Ausstellungen an verschiedenen Orten in Südtirol gezeigt. Die Titel der Ausstellungen sind gleichzeitig auch ihre zentralen Themen: Papierschnitte (1986 Brixen und Bruneck), Relikte-Begegnungen (1993 Naturns), Verflechtungen (1998 Schlanders), Gaia-eine Annäherung (1999 Schlanders), Gewachsene Gebilde (2002 Ritten), Annähernd Eins (2005 Laas),  Einen Weg finden (2007 Schlanders), Gedacht-Erfühlt-Erarbeitet (2012 Meran), Genuss trifft Kunst (2015 Ulten), Garten (2016 Brixen). Nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Buchautorin war sie tätig. 1975 hat sie alte Kinderreime aus dem Vinschgau zusammengetragen und das Buch „So geats Jor ummar“ herausgegeben. In der Arunda Nr. 42 „La Befana – Frau Holle“ präsentiert sie Kinderreime und erzählt von den beiden alten Frauen, ursprünglich heidnische Göttinnen, die Leben und Fruchtbarkeit hüten. Aus dem Jahre 2004 stammt das Buch „Leinen Stickerei und Mustersammlung aus Südtirol“. In der Broschüre s38 Anna Wielander 04„Einen Weg finden“, herausgegeben anlässlich ihrer Ausstellung vor 10 Jahren in der Schlandersburg, werden einige ihrer Arbeiten dokumentiert. Anna Wielander Platzgummer hat sich auch mit der chinesischen Medizin auseinandergesetzt und nach ihrer Pensionierung 26 Jahre lang Kurse zur Gesundheitsgymnastik geleitet. Durch diese Kurse, aber auch durch ihre Arbeiten als Künstlerin sind viele Freundschaften mit Frauen entstanden. Überhaupt waren Frauen in ihrem Leben sehr wichtig. Durch die Künstlerin Anni Egösi hat Anna Wielander als junges Mädchen ihre Leidenschaft zu Kunst entdeckt und mit der Künstlerin Gina Klaber-Thusek pflegte sie eine intensive Freundschaft. Es war deshalb kein Zufall, dass bei der Ausstellungseröffnung zu ihrem 80. Geburtstag am 6. April im Kulturhaus von Schlanders ausschließlich Frauen das Wort ergriffen und die Eröffnung musikalisch umrahmten.
Heinrich Zoderer

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