Der Vater einer fünfköpfigen Familie - er ist Alleinverdiener - kann nach einem schweren Autounfall nicht mehr arbeiten. Bald fehlt das Geld, um Schulmensa, Kindergartenbeitrag, den Schulausflug der Tochter zu bezahlen. Die Familie ist verzweifelt.
Ein weiteres Beispiel: Der Mann verlässt seine vierköpfige Familie Hals über Kopf und taucht unter. Die verstörte Frau kann die Kosten für Miete, Heizung und Strom nicht bezahlen. Mahnungen flattern ins Haus. Die Kündigung droht.
In beiden Fällen hat die Vinzenzgemeinschaft geholfen, die Engpässe zu überbrücken, und sie hat mit den Betroffenen nach Lösungen gesucht.
Menschen können bei Arbeitslosigkeit, bei Krankheit, bei Unglücksfällen, bei Trennungen, bei Verschuldungen... in die Armutsfalle rutschen. Von Armut betroffen sind oft kinderreiche Familien und immer öfter alte Menschen, die mit der Mindestrente kaum über die Runden kommen. Armut ist mit Scham verbunden. Viele Menschen - vor allem der älteren Generation - verstecken ihre Bedürftigkeit. Sie ziehen sich zurück, vereinsamen, weil sie am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilhaben können.
Schnelle ehrenamtliche Hilfe
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vinzenzgemeinschaft - kapillar strukturiert als Konferenzen - sind gewissermaßen Detektive der Nächstenliebe. Sie spüren Bedürftige auf, besprechen die Situation und helfen dann im Stillen, schnell und unbürokratisch. Jedes Mitglied der Gemeinschaft arbeitet ehrenamtlich. Es gibt keinen bezahlten Verwaltungsapparat. Die einzelnen Vinzenzkonferenzen arbeiten mit dem Geld, das ihnen Spenderinnen und Spender anvertrauen. Jeder Cent kommt da an, wo er dringend gebraucht wird. Transparent verbucht werden die Einnahmen und Ausgaben der einzelnen Konferenzen in der Zentrale der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft in Bozen. Unter dem Dach der Vinzenzgemeinschaft gibt es in 52 Orten Südtirols Vinzenzkonferenzen. Zentralratspräsident ist Siegfried Holzer.
Schnell helfen zu können, das ist die Stärke der Vinzenzgemeinschaft. Bis öffentliche Zuwendungen greifen, dauert es wegen der Bürokratie oft einige Zeit. Die Vinzenzgemeinschaft ist Teil des sozialen Netzwerkes und arbeitet mit Caritas, Sozialdiensten, KVW, Tafeln, Kleiderkammern zusammen. Rund 6.000 Notleidende werden jährlich von den Konferenzen der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft gestützt. Es wird finanziell geholfen, aber auch in Form von menschlicher Zuwendung. Es werden zum Beispiel Gefangene, Kranke und Einsame besucht und betreut. In Bozen verteilt der VinziBus der Vinzenzgemeinschaft tagtäglich Essen an rund 100 Obdachlose. Darunter befinden sich derzeit viele Flüchtlinge.
Vinzenzgemeinschaft Vinschgau
Unter dem Dach der Vinzenzgemeinschaft Vinschgau sind fünf Vinzenkonferenzen tätig. Jene von Schlanders ist die älteste und eine der rührigsten im Lande. Sie wurde 1890 gegründet. Es folgten Vinzenzkonferenzen in Latsch 1935, in Mals 1938, in Burgeis 1939 und in Martell 1947. Die einzelnen Vinzenzkonferenzen sind eigenständige, nach dem Vereinsrecht geführte Gruppen, mit Obmann/Obfrau, Schriftführer, Kassier und den Mitgliedern. Die Konferenzen arbeiten als Netzwerk eng zusammen. Beheimatet sind die Vinzenzkonferenzen meist in den jeweiligen Pfarrgemeinden. Jede/jeder kann in seinem Ort eine Vinzenzkonferenz gründen. In den Gemeinschaften kann grundsätzlich jeder – unabhängig von Beruf, Ausbildung oder Konfession – mitwirken. Die Arbeit ist sehr vielfältig und stark von den Bedürfnissen der Notleidenden abhängig. Jede neu gegründete Konferenz wird in ein Flechtwerk gegenseitiger Hilfe und Unterstützung eingebunden.
Geschichte der Vinzenzgemeinschaft
Die schlechten sozialen Verhältnisse der Pariser Arbeiterschaft bewog den französischen Studenten Frédéric Ozanam 1833 zu handeln. Er gründete mit Gleichgesinnten eine ehrenamtliche Organisation die sich „Conference“ nannte, und die er unter den Schutz des Heilige Vinzenz von Paul (1581 – 1660) stellte. (Dieser wird auch als Begründer der modernen Caritas gesehen). Ozanams Ziel war es, als Christ der drückenden Not zu begegnen. Seine Initiative der Menschlichkeit kam vor dem Hintergrund der allgemeine Not vieler Menschen in der damaligen Zeit schnell über Paris hinaus in Bewegung. Und es entstanden viele neue Gruppen von Gleichgesinnten, so genannte Vinzenzkonferenzen, von denen es heute weltweit rund 60.000 weltweit. In der Vinzenzgemeinschaft (eigentlich Gemeinschaft von St.Vinzenz von Paul) sind weltweit mehr als eine Million Mitglieder aktiv. Es handelt sich um die größte ehrenamtliche Laienorganisation der Welt. Die ersten zwei Vinzenzkonferenzen in Südtirol entstanden 1877 in Bozen und Innichen.
VINZENZGEMEINSCHAFT
VINSCHGAU
Bezirksvorsitzende
Regina Marth Gardetto
Martell - Tel. 335 5856952
Vinzenzkonferenz Burgeis
Karl Moriggl
39024 Burgeis – Mals
Tel. 347 9352018
Spendenkonto Vinzenzkonferenz
Burgeis
IT 93 A 08066 58540 000301217496
Vinzenzkonferenz Mals
Martin Angerer
39024 Mals
Tel. 0473 831271
Spendenkonto Vinzenzkonferenz Mals
IT 18 G 06045 58540 00000 5001913
Vinzenzkonferenz Schlanders
Herbert Habicher
39028 Schlanders
Tel. 348 9982644 oder 0473 731080
Spendenkonto Vinzenzkonferenz
Schlanders
IT 44 V 06045 58920 00000 5001955
Vinzenzkonferenz Latsch
Margit Jung Marsoner
39021 Latsch
Tel. 333 7154602
Spendenkonto Vinzenzkonferenz Latsch
IT 80 O 06045 58450 00000 5000053
Vinzenzkonferenz Martell
Regina Marth Gardetto
39020 Martell
Tel. 335 5856952
Spendenkonto Vinzenzkonferenz Martell
IT 16 V 08110 58579 000302209276
Bei Regina Marth Gardetto, der Bezirksvorsitzenden der Vinzenzgemeinschaft Vinschgau nachgefragt.
Vinschgerwind: Frau Gardetto, seit wann sind Sie die Bezirksvorsitzende der Vinzenzgemeinschaft Vinschgau?
Regina Marth Gardetto: Ich bin am 22. Oktober 2016 zur Vorsitzenden der Vinzenzgemeinschaft im Bezirk Vinschgau gewählt worden. Durch den plötzlichen Tod von meinem Vorgänger Peppi Criscenti wurde diese Wahl notwendig. Die anwesenden Mitglieder der Konferenzen haben mich einstimmig zur Vorsitzenden gewählt.
Vinschgerwind: Was bedeutet Konferenzen?
Regina Marth Gardetto: Unter dem Dach des Bezirkes Vinschgau gibt es insgesamt fünf Konferenzen, die aktiv sind und zwar in Burgeis, in Mals, in Schlanders, in Latsch und in Martell. Jede Konferenz hat ihren Ansprechpartner (siehe Informationskasten links, Anmerkung der Redaktion). Zusammen bilden diese die Vinzenzgemeinschaft Vinschgau, deren Vorsitzende ich bin. Die Konferenzen leben ausschließlich von Spenden. Die Mitglieder der fünf Konferenzen arbeiten alle ehrenamtlich und freiwillig, das heißt jeder gespendete Euro kommt Menschen zugute, die in Not geraten sind, und zwar unbürokratisch und schnell.
Vinschgerwind: Jede Konferenz hat ihr eigenes Spendenkonto?
Regina Marth Gardetto: Ja, jede Konferenz hat ihr eigenes Spendenkonto und zwar aus einem einfachen Grund. Die Konferenzen helfen in Not geratenen Menschen ganz in der Nähe, direkt vor Ort.
Vinschgerwind: Wem helfen die Vinzenzkonferenzen?
Regina Marth Gardetto: Wir arbeiten mit den Sozialdiensten Vinschgau zusammen und helfen hauptsächlich Familien, die sich in Notsituationen befinden. Durch Trennungen, Krankheiten, Unfällen oder plötzlichen Todesfällen können oft Rechnungen oder Mieten nicht mehr bezahlt werden. Da helfen wir aus. Wenn Kinder, die Zuhause mittellos sind, bei Ausflügen daheim bleiben müssen, springen wir ein. Oder wenn das Geld für Schulmaterialien fehlt. Es gibt solche Fälle im Vinschgau. Wenn Notsituationen durch einen Brand entstehen, dann helfen wir über die erste Zeit hinweg. Wenn bei Tumorerkrankungen die Therapien nicht bezahlt werden können, dann helfen wir aus. Wenn durch Unfälle finanzielle Engpässe entstehen, dann bezahlen wir zum Beispiel Rechnungen, die nicht mehr bezahlt werden können, ob das nun Zahnarztrechnungen oder Kondominiumsspesen sind. Wir geben auch Gutscheine für den Ankauf von Lebensmitteln an bedürftige Familien und Alleinstehende aus. Wir haben mit ganz unterschiedlichen Schicksalen und bedürftigen Menschen zu tun.
Vinschgerwind: Wie erfahren Sie von der finanziellen Not der Menschen?
Regina Marth Gardetto: Wir arbeiten wie gesagt mit den Sozialdiensten Vinschgau zusammen. Ansonsten läuft das nach einem genauen Schema ab: Braucht jemand finanzielle Hilfe, dann muss er eine schriftliche Anfrage an den oder die Vorsitzende der jeweiligen Vinzenkonferenz schicken. Diese spricht sich mit den Mitgliedern ab und überweist dann den finanziellen Beitrag schnell und unbürokratisch. Das geht ganz schnell innerhalb von wenigen Tagen über die Bühne, wenn es sein muss, dann auch noch schneller.
Vinschgerwind: Wie vielen Notleidenden wird durch die Vinzenzkonferenzen jedes Jahr geholfen.
Regina Marth Gardetto: Das sind sicher mindestens 25 Fälle, die wir finanziell betreuen. Mindestens.
Vinschgerwind: Welches sind die Leitgedanken der Vinzenzgemeinschaft Vinschgau?
Regina Marth Gardetto: Ganz allgemein gesagt folgen die Vinzenzkonferenzen dem Grundsatz der stillen Hilfe direkt vor Ort, schnell und unbürokratisch. Wir arbeiten anonym, das ist wichtig für die betroffenen Menschen. Das heißt niemand braucht sich schämen, wenn er um Hilfe fragt. Jedes Ansuchen wird ganz streng vertraulich in der Konferenz behandelt. Und – wie gesagt – alle arbeiten ehrenamtlich und freiwillig, das heißt jeder gespendete Euro kommt jenen zugute, die es brauchen.
Vinschgerwind: Wäre im Vinschgau noch Bedarf an neuen Vinzenzkonferenzen?
Regina Marth Gardetto: Auf jeden Fall, in mehreren Orten im Vinschgau wären Vinzenzkonferenzen erwünscht.
Vinschgerwind: Wie kann man eine solche Vinzenzkonferenz gründen?
Regina Marth Gardetto: Interessierte erhalten bei mir alle nötigen Informationen.
Interview: Angelika Ploner
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