Dienstag, 21 März 2017 09:26

„Bua, tua des! Bua, tua sell!“

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s17 090807„Bua, tua des! Bua, tua sell!“, so hieß es in Roberts Kindheit von der Früh bis zum Abend. Da seine Arbeiten zumeist in freier Natur zu erfüllen waren, erwuchs in ihm ein großes Interesse daran. Besonders die artenreiche Tierwelt und der Umgang mit dem Wild haben es ihm angetan. Schließlich konnte er sich seinen Berufswunsch, Jagdaufseher zu werden, erfüllen. Für ihn bleibt die Jagd Aufgabe und Verantwortung, Demut und Respekt der Schöpfung gegenüber. Er erinnert sich gern daran, und seine Erzählungen erbringen einen Streifzug durch die Chronik der Naturnser Jägerschaft.

von Maria Gerstgrasser

Robert Paris ist im März 1930 in St. Walburg in Ulten geboren.

Er entstammt einer kinderreichen, kleinbäuerlichen Familie, in deren Stall nur zwei, drei Kühe standen. Seine Kindheit war geprägt von Einfachheit, Genügsamkeit und Arbeit. Die Schüle erlebte er als sehr turbulent, besonders jenes Schuljahr, das er in Kuppelwies absolvierte. Das Schulgebet, anstelle des „Vaterunser“ behagte ihm gar nicht, doch er beherrscht es heute noch: „Hände falten, Köpfchen senken und an Adolf Hitler denken. Er gibt uns das täglich Brot und hilft uns aus jeder Not.“
Robert musste bereits als Elfjähriger in der Kirche zu St. Moritz neben dem Ministrantendienst auch den Mesner vertreten. Seine körperliche Entwicklung ließ es zu, schon früh bei einem Großbauern mitzuhelfen. Trotz großem Leistungsdruck und drohender Überforderung ließ er sich nicht kleinkriegen. Sorge und Angst, alles recht zu machen, trieben ihn voran. Kaum erwachsen, war er Fütterer in Lana und drei Jahre Knecht.
Doch dann erfuhr sein Leben eine entscheidende Wende. Nach zweijährigem Einsatz als Jagdaufseher in Ulten holte ihn Rudolf Schnitzer, der Revierleiter in Naturns, zu sich und betraute ihn mit der verantwortungsvollen Aufgabe des Jagdaufsehers, die Robert am ersten Oktober 1958 übernahm. Die ersten drei Monate am Hof Pardell entsprachen einer Probezeit, und Rudolf Schnitzer war ein gestrenger Lehrherr. Allein schon das Heutragen für die Wildfütterung, erzählte er, „isch a Schinterei gwesn.“ Mit dem schweren Korb auf dem Rücken musste er sich manches Mal durch hüfthohen Schnee emporkämpfen.
Eifrig nahm er an Fortbildungskursen teil. Bei seinem Amtsantritt gab es noch keine Jägerprüfung. Damals gab es am Sonnenberg noch keine Rehe und Hirsche. Groß war aber die Anzahl an Raubwild. Füchse, Marder und Dachse bedrohten den Wildbestand. Hohe Fuchsdichten stellten eine Gefahr für Mensch und Tier dar, und Robert fand eine starke Bejagung gerechtfertigt. Die Chronik berichtet über die vielen Abschüsse, die er getätigt hatte. Für einige Empörung sorgte das Verbot der Jagdausübung nach der Feuernacht 1961. Alle Jäger mussten die Gewehre abliefern, konnten sie aber gegen Jahresende wieder holen. Anfangs der Siebzigerjahre wurde ein Teil der Texelgruppe zu einem Gamsschutzgebiet erklärt. Der Wiederaufbau des Gamswildbestandes war ihm ein Anliegen. So besuchte Robert das erste  Fortbildungsseminar für Gamsbegleiter in Hahnebaum. Er war auch dabei, den späteren Anwärtern die Prüfung abzunehmen.
Robert weiß zu berichten, dass er im Herbst 1964 durch Zufall in den Wiesen zwischen Staben und Tabland Spuren eines Wildschweines entdeckte und gemeinsam mit dem Stabnerwirt aufstöberte, erlegt wurde es dann vom späteren Landesjägermeister Dr. Luterotti.

Viel Beachtung erfuhr auch der Adlerhorst auf einem Baum oberhalb der Waldschenke. Robert hatte nie ein Auto besessen, wohl aber eine Vespa. Bei unzähligen Fußmärschen durch Wälder, über Almen und Jöcher kam er näher an die Natur heran. Unauffällige Spuren und Losungen, Wildschäden und Veränderungen waren dabei leichter feststellbar. Erst die Zufahrten zu den Almen boten ihm Gelegenheit, mit  Jagdkameraden mit zu fahren.
Groß ist sein Wissen über das Wild unserer Heimat und dessen Lebensräume und über den bestmöglichsten Umgang mit den Tieren. Er war sich stets des erhaltenen Auftrages bewusst und bringt es auch zum Ausdruck, wenn es um Rituale und jagdliches Brauchtum geht. Das Jagdhornblasen wird heute zunehmend gepflegt, aber nicht alle wissen, dass Robert mit dem Revierleiter Rudolf Schnitzer zur Gründung der Naturnser Jagdhornbläser beigetragen hat. Die Gruppe galt, neben jener von Dorf Tirol, als eine der ersten im Lande. Zur Förderung der Kameradschaft dienten auch die Jägerbälle. Bei Festumzügen durfte der vielfältige und ideenreiche Jagdwagen nie fehlen. Robert war immer voll Begeisterung mit Rat und Tat dabei. In Roberts Amtszeit fiel auch die erste Hubertusfeier, die dann zur Tradition wurde. Robert kann also auf eine langjährige, gewissenhafte Hegearbeit zurückblicken. Zu seiner Pensionierung wurde ihm vom Jagdverband die Ehrenurkunde über 35jährige Tätigkeit verliehen.
Seine Frau Maria, die er 1959 heiratete, zeigte stets Interesse für die Jagdleidenschaft und Verständnis für die vielen Abwesenheiten wegen der Pirschgänge. Längere Zeit wohnte die Familie in damals sehr primitiven Verhältnissen im Grubhof am Fuße des Nörderberges, fand aber dann in der Lidostraße ihr bleibendes Zuhause. Großen Schmerz erfuhr die Familie durch den Tod der achtzehnjährigen Tochter, welche bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.
Robert erfreut sich noch guter Gesundheit und hegt und pflegt weiterhin seine Bienen. Schon lange vor der Pensionierung hat er sich der Bienenzucht gewidmet. Heute hilft ihm sein Sohn, der selbst auch Imker ist.

 

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