Platz für Werkstätten, Parkplätze, Wohnungen, Büros, Räume für Senioren, Jugendliche und Familien, ein Kino, Räume für Kultur, Bildung und Kabarett soll es geben, auch Gärten, Disko und eine Bar. Derzeit ist eine Architektengruppe dabei, wieder einen Nutzungsplan zu erstellen. Und seit dem 1. Juni 2016 ist Hannes Götsch von der Gemeinde Schlanders beauftragt worden, auf einem kleinen Teil des großen Geländes ein Innovations- und Gründerzentrum aufzubauen. Welche Ideen stecken da dahinter?
Der Erfinder der Schreibmaschine, Peter Mitterhofer aus Partschins baute in der Zeit von 1864 bis 1869 fünf Schreibmaschinenmodelle. Vor 150 Jahren ging er zu Fuß bis nach Wien, um dort als „gehorsamster Bittsteller“ bei seiner Majestät, dem Kaiser Franz Josef seinen „Schreibapparat“ vorzuführen, in der „tröstenden Hoffnung, dass seine Erfindung daselbst Anklang und die Unterstützung der hohen Staatsregierung finden wird“. (siehe Vinschgerwind Nr. 25/2016). Damit die heutigen Erfinder und kreativen Leute mit ihren Konzepten und Ideen nicht als Bittsteller nach Brüssel, Rom oder Wien gehen müssen, gibt es Gründerzentren. Neue Ideen schaffen neue Arbeitsplätze. Forschung und Innovation sind der Motor der modernen Wirtschaft. Deshalb fördert nicht nur die EU, sondern auch der Staat und das Land Forschung und Innovation und unterstützt Unternehmer mit neuen Geschäftsideen. Die Unterstützung von Gründerzentren ist eine moderne Form der Wirtschaftsförderung, besonders der Kreativwirtschaft. Die ersten Gründerzentren sind in den USA entstanden, weltweit existieren über 10.000, allein in Deutschland ca. 500. Aber auch in Dornbirn in Vorarlberg gibt es ein Standort- und Gründerzentrum als wichtigste Anlaufstelle für Dornbirner Unternehmen, die ihren Betrieb erweitern möchten, aber auch für Unternehmen, die nach Dornbirn kommen wollen. Darüber hinaus bietet das Standortzentrum eine besondere Hilfe für Neugründer. In Nordtirol gibt es das Standortzentrum Landeck.Zams (SLZ), das gemeindeübergreifend Unternehmen bei ihrer Gründung, Neuansiedlung und Entwicklung im Talkessel berät. Die Wirtschaftskammer Tirol und die Universität Innsbruck eröffneten im Herbst letzten Jahres in Innsbruck das Gründerzentrum INNcubator. Ziel ist es, Menschen mit Geschäftsideen zu helfen, diese in reale Produkte umzusetzen. Die Namen solcher Gründerzentren sind verschieden. Sie nennen sich Innovations- und Gründerzentren, Existenzgründerzentren, Technologiezentren, Startup-Zentren oder auch Brutkasten. Das Gründerzentrum in Innsbruck sieht sich als Unternehmensschmiede und Anlaufstelle für die gesamte Tiroler Gründerszene. Von Lehrlingen über Studenten bis hin zu Quereinsteigern, das Angebot des INNcubators steht allen unternehmerisch denkenden Menschen zur Verfügung. Das IDM (Innovation, Development und Marketing) in Bozen hat ähnliche Aufgaben. Das Land Südtirol ist nun dabei zusammen mit dem IDM in den einzelnen Bezirken solche Gründerzentren aufzubauen. In Meran wurde bereits das erste Gemeinschaftsbüro mit Gründerunterstützung aus der Taufe gehoben. Und Schlanders ist vor dem Eisack- und Pustertal dabei, ebenfalls ein Innovations- und Gründerzentrum aufzubauen.
Die Vorgeschichte
Im Konzept „Schlanders 2020“ ist von einem Gründerzentrum noch keine Rede. 2013 und 2014 haben 15 Frauen den ESF-Lehrgang „Strategisches Management“ im Bildungshaus Schloss Goldrain besucht. Gertraud Wellenzohn aus Schlanders war eine dieser Frauen. Im Rahmen dieser Ausbildung wurde das Gründerzentrum „WeiberWirtschaft“ in Berlin, sowie auch andere Gründerzentren in der Schweiz und in Österreich besichtigt. Damit entstand bei Wellenzohn die Idee, auch im Vinschgau so etwas zu gründen. Der Schlanderser Bürgermeister Dieter Pinggera war sofort von der Idee begeistert und ermunterte Wellenzohn ein Konzept für ein solches Gründerzentrum im Vinschgau auszuarbeiten. Gertrud Wellenzohn fing an sich intensiv mit der Thematik zu beschäftigen. Im Jahre 2015 sprach auch Hannes Götsch mit dem Bürgermeister. Ihm ging es um eine innovative Kultur- und Wirtschaftsförderung im Vinschgau. Als Angestellter in leitender Funktion bei der Firma Schweizer in Naturns und als Organisator mehrerer Kulturveranstaltungen hatte er klare Vorstellungen und Ideen. Im Frühjahr 2016 hat die Gemeinde Schlanders die Stelle eines Koordinators für ein Innovations- und Gründerzentrum ausgeschrieben. Hannes Götsch war der einzige Bewerber und wurde am 1. Juni für 7 Monate angestellt. Im Jänner wurde sein Vertrag verlängert. Seit dieser Zeit ist Hannes Götsch dabei, auf vielen Ebenen Gespräche zu führen, Kontakte aufzubauen und die Grundideen zu konkretisieren. Sein Ziel ist es, im Kasernenareal das ehemalige Servicegebäude mit Mensa, Kinosaal und Wäscherei zu einem Arbeits- und Kommunikationszentrum umzugestalten. Dort sollen Menschen unterschiedlichen Alters mit verschiedenen Erfahrungen und Ideen zusammenkommen, um Neues zu entwickeln, das die Wirtschaft und die Kultur im Vinschgau beleben kann.
Von der Idee zur Umsetzung
Hannes Götsch arbeitet intensiv daran, ein Konzept eines Innovations- und Gründerzentrums für den ganzen Vinschgau auszuarbeiten. Neben der Mitarbeit in Arbeitsgruppen im Lande, welche die Gründerzentren auf Bezirksebene vorantreiben, besuchte er andere Gründerzentren in ganz Europa und begann erste Kontaktgespräche mit Verbänden und Institutionen im Tal zu führen. Außerdem hat er ein Projektgesuch um Unterstützung dieser Innovationsdienstleistungsstruktur beim Europäischen Fond für regionale Entwicklung (EFRE-FESR) ausgearbeitet. Über diesen Fond sollen in erster Linie die Personalkosten finanziert werden. Götsch möchte aber nicht nur ein Gründerzentrum schaffen und kreativen Personen bei der Firmengründung unterstützen. Das Zentrum soll nicht nur wirtschaftliche Impulse und Hilfen geben, sondern auch kulturelle und gesellschaftliche Innovationen aufgreifen und vertiefen. Wir leben in einer Zeitenwende, es wird wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbrüche geben, auf die sich die Gesellschaft vorbereiten muss, meint Götsch. Diskussionsforen, Workshops und Symposien sollen solche Entwicklungen vorbereiten. Das kann der Nährboden für neue Impulse sein. Peter Mitterhofer wurde vor 150 Jahren von den kaiserlichen Beamten nicht ganz ernst genommen und mit ein paar Gulden abgespeist. Die heutige Gesellschaft ist offen für neue Ideen, trotzdem wird Hannes Götsch viel Geduld und Stehvermögen und viele Verbündete brauchen, um im Vinschgau ein solches Zentrum aufzubauen. Und es braucht Zeit, damit das Projekt wachsen und sich entwickeln kann.
{jcomments on}