Dienstag, 07 Februar 2017 09:26

Heimat ist dort, wo die Liebe wohnt

Artikel bewerten
(0 Stimmen)

s17 0041„Es isch wias isch.“So nennt sich das Schlanderser Bühnenstück der 5 köpfigen Senioren-Schauspielgruppe in welchem Erinnerungen der Darstellerinnen die Hauptrolle spielen. Eine dieser Schauspielerinnen ist Elisabetta Neri, kurz „Lisetta“ genannt.

von Cornelia Knoll

Im Scheinwerferlicht singt sie gerade ein Lied für ihre verstorbene Mutter, rezitiert  im Andenken an ihren Mann Silvano mit bewegter Stimme eines seiner Gedichte und wirbelt kurz darauf fröhlich zu Klängen von Adriano Celentano über die Bühne.


Dieser Auftritt  sei ihr wichtigstes Bühnenerlebnis gewesen, erzählt Lisetta. Darin hätte sie all ihre Lebenserinnerungen nochmals erleben dürfen. Sie wäre in diesem Stück  ihrem ehemaligen Schmerz, ihrer Trauer, aber auch all ihrer sprühenden Lebensfreude nochmals begegnet.
Lisetta wurde 1942 weitab der jetzigen Vinschger Heimat in Appulien geboren, wo sie mit ihren zwei Geschwistern und ihren Eltern die ersten Lebensjahre verbrachte. Ihr Vater, ein ehemaliger Marineoffizier, suchte nach dem Krieg wieder ein neues Arbeitsfeld und so zog die Familie mit Sack und Pack nach Südtirol, nach Schlanders, in die kleine Wohnung einer Tante Lisettas.
Dort lebte die Familie mehrere Jahre. Der Vater fand gute Arbeit und Lisetta besuchte den Kindergarten in Schlanders. Doch bald beschlossen Lisettas Eltern wieder Richtung Süden zu ziehen Es sollte einer der vielen Umzüge sein, welcher die kleine Lisetta und ihre Familie in den darauffolgenden Jahren mehrmals ihren Wohnort wechseln lassen sollte.
Erst als Jugendliche kam Lisetta mit ihrer Familie wieder nach Schlanders zurück. Dort besuchte sie die  Mittelschule in Meran und begegnete im Vinschgerzug  ihrer großen Liebe, dem vier Jahre älteren Silvano Neri, einem ruhigen, künstlerisch veranlagten Mann mit großem Herz.
„Mi sono innamorata subito“, schwärmt Lisetta mit glänzenden Augen und blättert gedankenverloren in einem seiner selbstverfassten Gedichtbände.
Die beiden jungen Menschen wuchsen nun zusammen auf, wurden erwachsen, entdeckten ihre große Liebe füreinander und heirateten 1964. Die beiden Töchter Silvia  und Sabina vervollständigten kurz darauf die kleine, glückliche Familie Neri. In diesen Jahren arbeitete Lisetta auch als Beamtin im Katasteramt von Schlanders.
1968 zog die Familie nach Wolkenstein ins Grödnertal. Dort arbeitete Silvano als Gemeindesekretär, Lisetta kümmerte sich liebevoll um ihre Familie und sang als Sopranistin  im Kirchenchor. Die beiden Töchter  lernten in Gröden Skifahren und genossen zusammen eine wundervolle  Zeit.
1977 war es wieder Zeit für einen Ortswechsel. Diesesmal ging es zusammen in die Toscana, wo die Familie Neri  für weitere 14 Jahre ihre Heimat fand und dort sehr glücklich war. Doch irgendwann wurde das Heimweh nach den Eltern und Großeltern  welche noch im Vinschgau lebten, stärker und so wurden wieder die Koffer gepackt, um eine neue Heimat in Vetzan zu finden.
Viele glückliche, ungetrübte Jahre genoss Lisetta im Kreise ihrer Lieben dort. Schon bald war sie in der Dorfgemeinschaft akzeptiert, integriert und  wurde  in den  verschiedensten heimischen Vereinen ein wichtiges akzeptiertes aktives Mitglied. Besonders der Kirchenchor in Vetzan war überglücklich, eine Sängerin wie Lisetta zu bekommen. Mit ihrer sehr schönen warmen Sopranstimme bereicherte sie  unzählige Messen und sie singt auch heute noch das“ Schubert Ave Maria“ solistisch  in den Kirchen.
Doch schon bald zogen dunkle Wolken über das Glück herein. Silvano erkrankte schwer und starb nach 11-jähriger langer Krankheit im Jahre 2006. „Es isch gwesen, als wenn a Toal von mir selbst gestorben waret“, sinniert Lisetta traurig. “Silvano isch mein Seelenpartner gwesen. Ersch durch ihn bin i a gonzer Mensch gwordn“.
Nach Silvanos Tod zieht Lisetta  nach Schlanders und findet auch dort den Mut und die Energie, um  ihren Platz und ihre Freude wieder zu finden. Sie spielt im Seniorentheater, besucht Meisterkurse im Malen, ist als Solosängerin aktiv, wird 4-fache glückliche Großmutter  und betreut jahrelang ihre kranke Mutter bis zu deren Ableben.
Nun sitzt Lisetta alleine in ihrer heimelig warmen Stube in Schlanders, summt fröhlich eine ihrer Solo-Arien und betrachtet etwas wehmütig die vollgepackten Koffer, Taschen und Körbe .
Es ist wieder an der Zeit „Adieu“ zu sagen. “Adieu“ zu Schlanders, zu Vezzan  und zu all ihren Freunden dort. „Adieu“ zu ihrer Wohnung, zu lieb gewonnenen Plätzen im Vinschgau und zu einer gelebten Zeit im geliebten Vinschgau. Lisetta wird bald nach Meran zu ihren Töchtern und Enkelkindern ziehen. Auch wenn ihr der Abschied von ihrer Vinschger Heimat  und all den Menschen dort  sehr schwer fallen wird, freut sie sich auf einen Neubeginn mit ihren Lieben in Meran.
„Ja,ich bin traurig hier wegzugehen“, sagt Lisetta leise … „Doch: Heimat ist nicht nur ein Ort… Heimat ist dort wo die Liebe wohnt.“

{jcomments on}

 


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /www/htdocs/w00fb819/vinschgerwind.it/templates/purity_iii/html/com_k2/templates/default/item.php on line 248
Gelesen 6163 mal
Mehr in dieser Kategorie: « Endlich allein Daniel Jung »

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Ausgaben zum Blättern

titel 23-24

titel Vinschgerwind 22-24

titel vinschgerwind 21-24

 sommerwind 2024

 

WINDMAGAZINE

  • Jörg Lederer war ein Holzschnitzer aus Füssen und aus Kaufbeuren. Die Lederer-Werkstatt hat viele Aufträge im Vinschgau umgesetzt. Wer will, kann eine Vinschgautour entlang der Lederer-Werke machen. Beginnend in Partschins.…
    weiterlesen...
  • Die Burgruine Obermontani bei Morter am Eingang ins Martelltal wurde für einen Tag aus ihrem "Dornröschenschlaf" wachgeküsst. von Peter Tscholl Die Akademie Meran, die Gemeinde Latsch und die Bildungsausschüsse Latsch…
    weiterlesen...
  • Vinschger Radgeschichten - Im Vinschgau sitzen alle fest im Sattel: Vom ultraleichten Carbon-Rennrad bis hin zum E-Bike mit Fahrradanhänger, Klapprad, Tandem oder Reisefahrrad. Eine Spurensuche am Vinschger Radweg. von Maria…
    weiterlesen...
  • Kürzlich wurde von den Verantwortlichen im Vintschger Museum in Schluderns das Kooperationsprojekt Obervinschger Museen MU.SUI gestartet. Es handelt sich um den gemeinsamen Auftritt der Museen in Schluderns VUSEUM/Ganglegg, Mals, Taufers…
    weiterlesen...
  • Blau, dunkelgrün, schneeweiß schäumend, türkis oder azur - Wasserwege im Vinschgau von Karin Thöni Wasser ist Quell des Lebens und unser kostbarstes Gut. Aber es wird knapper. Der „Wasserfußabdruck“ jedes…
    weiterlesen...
  • Martin Ohrwalders Liebe zu den Pferden muss ihm wohl in die Wiege gelegt worden sein. Bereits im Alter von drei Jahren schlug er seiner Mutter vor, die Garage in einen…
    weiterlesen...
  • Manfred Haringer ist Sammler, Modellbauer und Heimatforscher. Im letzten Jahr konnte er seinen alten Traum verwirklichen. In seinem Elternhaus in Morter, wo bis Ende des Zweiten Weltkrieges die Dorfschule untergebracht…
    weiterlesen...
  • Die historische Bedeutung von Schlossruinen und ihre Geschichte faszinieren die Menschen. Mit mehreren Revitalisierungsmaßnahmen erwacht derzeit die Ruine Lichtenberg in der Gemeinde Prad am Stilfserjoch zu neuem Leben. von Ludwig…
    weiterlesen...
  • Il grano della Val Venosta era conosciuto e apprezzato in tutto l' impero Austroungalico. Testo e Foto: Gianni Bodini Oggi sono i monotoni ed estesi meleti punteggiati da pali in…
    weiterlesen...
  • Questa importante strada romana attraversava tutta la Val Venosta. Testo e Foto: Gianni Bodini Iniziata da Druso nel 15 a.C., venne completata dall’imperatore Claudio Cesare Augusto. Questa importante via transalpina…
    weiterlesen...
  • von Annelise Albertin Das Val Müstair mit seiner intakten Naturlandschaft und den kulturellen Besonderheiten ist das östlichste Tal der Schweiz. Es liegt eingebettet zwischen dem einzigen Schweizerischen Nationalpark, den „Parc…
    weiterlesen...
  • Eine Symbiose zwischen der Geschichte und dem Lebensraum rund um das kunsthistorische Hotel „Chasa Chalavaina“ im benachbarten Val Müstair von Christine Weithaler Das Hotel Chasa Chalavaina wurde am 13. November…
    weiterlesen...

Sommerwind 2024

zum Blättern

Sommer Magazin - Sommerwind 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Wandern, Menschen, Urlaub, Berge, Landschaft, Radfahren, Museen, Wasser, Waale, Unesco, Tourismus

wanderfueher 2024 cover

zum Blättern

Wanderführer 2024 - Bezirk Vinschgau Südtirol - Traumhafte Touren Bergtouren Wanderungen Höhenwege

 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.