Ebenfalls wichtiger Bestandteil sind die Natur und Pflanzen. In meiner Vorstellung verschwimmen die Grenzen zwischen Außenbereiche und Innenräume. Die Natur soll auch innerhalb des Hauses erlebbar sein. Pflanzeninseln schaffen, das wäre mein Traum.
Vinschgerwind: Also Ihr Traumhaus soll viel Tageslicht haben, offene Räume und Natur.
Julia Pircher: Ja. Gärten finde ich immer sehr beruhigend, diese sind sehr wichtig für die Lebensqualität.
Vinschgerwind: Also sollte Ihr Traumhaus einen Garten haben?
Julia Pircher: Ja, wenn es möglich ist.
Vinschgerwind:An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?
Julia Pircher: Also, ich arbeite seit einigen Monaten am Projekt Balzergasse. Wir haben angefangen zu bauen und sind jetzt beim Keller. Dann habe ich in Terlan das Vorprojekt für eine Eislaufhalle abgeschlossen. Da sind jetzt mehrere Phasen zu durchlaufen.
Vinschgerwind:Sie haben den Messestand des HGV geplant, die Wohnanlage in der Balzergasse in Kortsch trägt Ihre Handschrift. Wie würden Sie selbst Ihren architektonischen Stil beschreiben?
Julia Pircher: Wenn man sich diese beiden Projekte anschaut, dann sind diese von ihrer Funktion her völlig unterschiedlich. Das eine ist für vier Tage geplant, das andere für Jahrzehnte. Beide sind als Quader konzipiert mit klaren Linien. Die Hülle kann man beim HGV-Messestand theoretisch austauschen und jedes Jahr neu interpretieren. Ich würde sagen: Mein Stil ist sehr pragmatisch.
Aber auch verspielte Elemente flechte ich ein. Ich glaube ein Stil verändert sich mit der Zeit; entwickelt sich im Laufe der Jahre.
Vinschgerwind: Müssen Architekten kompromissbereit sein, wenn es um ihre architektonische Handschrift geht?
Julia Pircher: Kompromiss klingt in diesem Zusammenhang meistens negativ. Ich glaube schon, was die Funktionen und die Materialien angeht, dass man auf den Kunden eingehen muss. Bei bestimmten Dingen muss man kompromissbereit sein, ja, aber es gibt Dinge, wo man das auch nicht kann, Dinge, hinter denen ich als Architektin oder Architekt nicht stehen kann. Beispiel: Wenn jemand kommt und sagt: Ich will ein Haus im traditionellen Tiroler Stil, dann muss ich sagen, da bin ich die Falsche. Will heißen: Kompromisse kann man bis zu einem bestimmten Punkt eingehen. Das ist wie in einer Beziehung. Bestimmte Kompromisse kann man eingehen, bestimmte nicht.
Vinschgerwind: Allgemein gefragt: Was muss Architektur können?
Julia Pircher: Ein Architekt muss die Wünsche des Kunden interpretieren können und ein bisschen Psychologe sein, um dessen Bedürfnisse zu verstehen. Jeder hat individuelle Vorstellungen, wie er leben will und das muss ein Architekt herausfinden und entsprechend in Räume und Formen übersetzen.
Vinschgerwind: Was muss Architektur als Lebensraumgestaltung können.
Julia Pircher: Architektur kann Orte und Plätze tot machen oder lebendig. Architektur darf nicht nur ästhetisch sein, sondern muss leben, beleben und Begegnung schaffen, auch Diskussionen. Manchmal soll Architektur laut sein, manchmal leise. Manchmal soll sie schreien und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, manchmal sich zurückziehen. Architektur muss sich der jeweiligen Situation anpassen und als Antwort die beste Lösung finden. Ob sich die Zielsetzung erfüllt hat, zeigt sich oft erst im Laufe der Zeit.
Vinschgerwind: Seit Jahrzehnten lautet die Devise: Verdichten und nicht zersiedeln. Wie kann man trotzdem Wohnqualität sicherstellen? Vor allem vor dem Hintergrund, dass es das Haus im Grünen nicht mehr gibt.
Julia Pircher: Man kann einen Wald auch auf einem Hochhaus pflanzen, wie der Bosco Verticale des Mailänder Architekten Stefano Boeri zeigt. Grün kann fester Bestandteil der Architektur werden. Zum Beispiel beim Projekt in der Balzergasse haben alle Erdgeschosswohnungen einen Garten und jene in den oberen Geschossen jeweils ein Hochbeet. Das heißt im Prinzip hat jeder seinen eigenen Garten, seine Grünfläche. Beim Messestand des HGV konnte man mitten im Wald und bei Vogelgezwitscher zu Mittag essen.
Vinschgerwind: Anders gefragt: Von welchen Faktoren hängt Wohnqualität ab?
Julia Pircher: Licht, Grün und dem Wechselspiel zwischen Frei- und Privaträumen.
Vinschgerwind: Kann man diese Faktoren in jedem Haus oder in jeder Wohnung sicherstellen?
Julia Pircher: Ja natürlich, das hängt dann vom Architekten ab. Man bringt den Garten aufs Dach, man macht intelligente Einschnitte. Man kann riesige Fenster planen, das Licht von oben holen, und und und.
Vinschgerwind: Welches sind Ihre Lieblingsmaterialien?
Julia Pircher: Es gibt so viele Materialien, ich würde sagen einfache und natürliche Materialien, wie unbehandeltes Holz, Glas, Schwarzstahl, Cortenstahl, um einige zu nennen. Dabei finde ich die Kombination von unterschiedlichen Texturen, das Wechselspiel von rauhen und rohen Oberflächen mit eleganten und schlichten immer wieder spanndend.
Vinschgerwind: Themenwechsel: Gibt es ein Vorbild oder anders gefragt: Wer von der „alten“ Vinschger Architektenriege imponiert Ihnen am meisten?
Julia Pircher: Von Werner Tscholl und Walter Dietl hab ich in meinen Praktikas viel gelernt. Grundsätzlich kann man von allen Architekten etwas lernen. Wir haben hier in Südtirol eine sehr hohe architektonische Qualität.
Vinschgerwind: Sie sind noch eine junge Architektin, wenn Sie in die Zukunft blicken: Was würden Sie gerne einmal planen?
Julia Pircher (lacht): Ein Hotel würde ich gerne einmal planen. Das wäre schon toll.
Zur Person
Julia Pircher,
- geboren in Bregenz
- Studium der Architektur in Florenz und Lyon
- Praktikas bei Architekt Werner Tscholl und Architekt Walter Dietl.
- Erfahrungen gesammelt bei Plan Team in Bozen und Beat Rothen in Winterthur.
- seit Februar 2016 selbstständige Architektin in Schlanders.
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