Dienstag, 24 Januar 2017 12:00

„Ich wünsche den Schülern Mut“

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s10 8290Vinschgerwind-Interview

Vinschgerwind: Als Direktorin des Oberschulzentrums Schlanders leiten Sie drei Schulstellen mit vier Schultypen. Beginnen wir mit dem Realgymnasium: Voriges Jahr wurde an der an Jahren ältesten Oberschule des Vinschgaus das 50-Jahr-Jubiläum gefeiert. Ist das Realgymnasium Schlanders immer noch attraktiv?


Verena Rinner: Das Realgymnasium Schlanders ist eine sehr solide und traditionsreiche Schule, und – das ist mir wichtig zu sagen - das Realgymnasium ist keine Eliteschule, nein, es bietet allen Schülern beste Bildungschancen. Fächer wie z.B. Mathematik, Physik oder auch Latein verlangen von den Schülern Einsatz und Begeisterung, Ausdauer und Leistungsbereitschaft – alles Kompetenzen, die im späteren Arbeitsleben sehr wertvoll sind. Manchmal höre ich, dass Schüler Angst haben, dass diese Schule für sie „zu streng“ sei und hier wünsche ich mir oft, dass sie sich mehr zutrauen, man wächst an Herausforderungen, denen man sich stellt. Wir hatten im vorigen Jahr 13 Einschreibungen, so dass keine erste Klasse Realgymnasium gebildet werden konnte, sondern eine kombinierte Klasse gemeinsam mit dem Sprachengymnasium, ansonsten hatten wir immer 20 bis 25 Einschreibungen, oft sogar zwei Klassen. Diese geringe Anzahl verwundert mich in Zeiten des Mangels an Ärzten und anderen Fachkräften im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.

Vinschgerwind: Mit welchen Argumenten möchte das Realgymnasium Schüler überzeugen?
Rinner: Bereits zu Beginn des Schuljahres 2015/2016 haben wir begonnen, am Profil des Realgymnasiums zu arbeiten. Wir haben ein Stärken-Schwächen-Profil erstellt, wir haben die Stärken unserer Schüler untersucht.

Vinschgerwind: Was ist da herausgekommen?
Rinner: Sehr interessierte, selbstbewusste Schüler und Schülerinnen besuchen das Realgymnasium, sehr oft auch sportlich und musikalisch Begabte. Die Schüler bringen eine bestimmte Leistungsbereitschaft mit. Leistungs- und Begabtenkurse interessieren die Schüler besonders. Die Schüler haben sich noch weitere Schwerpunkte in den Naturwissenschaften gewünscht und mehr Wahlmöglichkeiten.

Vinschgerwind:Was sind die Konsequenzen daraus bzw. was plant die Schule für das Schuljahr 2017/18?
Rinner: Wir haben intensiv gearbeitet, verschiedene Positionen diskutiert, verworfen, neu aufgegriffen. Fazit ist, das Realgymnasium soll eine allgemein bildende Schule bleiben, die den Schülern nach dem Abschluss alle Wege offen hält in Richtung Universitätsstudien. Auf der anderen Seite zeigt sich mehr und mehr, dass unsere Schulabgänger mittlerweile auch am Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. Ihre Wendigkeit im Denken, ihre Leistungsbereitschaft und Begeisterung, auch ihre ausgezeichneten Sprachfähigkeiten zeichnen sie aus.
Wir haben beschlossen, dass das Realgymnasium diesen allgemeinen naturwissenschaftlich-gesellschaftlichen Schwerpunkt beibehalten soll. Ein spezifischerer Bereich „Gesundheit, Medizin und Ernährung“ soll hinzukommen. Wir richten damit den Blick über den Abschluss der Schule hinaus in Richtung Arbeit im Krankenhaus, in Richtung Medizinstudium, in Richtung Gesundheitsberufe - Claudiana. Wir wollen den Schülern Orientierung geben und sie in Richtung Aufnahmeprüfungen noch besser vorbereiten.
Die Schwerpunkte werden neben dem Pflichtunterricht auf vier Säulen aufgestellt: auf fächerübergreifende Kurse, die Projektwoche und Leistungskurse. Und die vierte Säule, die neu ist, sind die auf das Schuljahr verteilten Schwerpunkttage.

Vinschgerwind: Was ist das Einzugsgebiet, aus dem die Schüler ins Oberschulzentrum Schlanders kommen?
Rinner: Eigentlich vom Reschen bis Naturns, vereinzelt auch darüber hinaus.

Vinschgerwind:Die Stadt Meran zieht Schüler nicht nur wegen der zahlreichen Oberschulen, sondern auch wegen der Stadt an sich an. Wie hält man am Oberschulzentrum Schlanders dagegen?
Rinner: Es hat immer schon diese Stadtnähe gegeben. Wir haben den Vorteil, mitten im Vinschgau zu sein, Schüler verbringen weniger Zeit in Zug und Bus und behalten dadurch mehr freie Zeit auch ihren außerschulischen Interessen nachzugehen. Diese Tätigkeiten in den Vereinen erkennen wir übrigens seit einem Jahr im gesamten OSZ Schlanders bis zu 68h im Jahr an. Auch haben wir einen guten Überblick über unsere Schüler und können individueller reagieren. Im Gegensatz zu Oberschulen mit großen Schülermassen. Mit unseren relativ kleinen Schülerzahlen in den Klassen können wir in Gruppen usw. gut arbeiten. Besonders der Schwerpunkt „Gesundheit, Medizin und Ernährung“ soll zu einem Alleinstellungsmerkmal unseres RG werden.

Vinschgerwind: Andere Schultypen in Schlanders, etwa die technische Fachoberschule (TFO) - die ehemalige Gewerbeoberschule - sind im Aufwind. Neben der Berufsschule entsteht ein neues Gebäude. Wann ist das bezugsfertig?
Rinner: Das Gebäude selbst soll, wenn alles klappt, Ende März fertig sein. Bei der Einrichtung stecken wir noch etwas fest. Aber wir möchten im Herbst 2017 einziehen, notfalls mit alten Bänken und Stühlen.

Vinschgerwind: Die TFO und auch die Wirtschaftsfachoberschule WFO - die ehemalige Handelsoberschule - sind also gut besucht?
Rinner: Die WFO hat sich mit den Schwerpunkten Tourismus und Sport gut entwickelt, die TFO, also die technische Fachoberschule mit der Fachrichtung „Maschinenbau, Mechatronik und Energie“, ist eine sehr begehrte Schule. Die Abgänger der TFO wissen, dass sie nach der Matura weiterstudieren können, oder auch einen guten Job bekommen können. Die Schule hat demnach einen privilegierten Stellenwert.

Vinschgerwind: Ähnliches gilt auch für die WFO und das Sprachengymnasium?
Rinner: Nach einem leichten Schüler-Rückgang vor ein paar Jahren hat sich die WFO in Schlanders auch aufgrund des neuen Schulschwerpunkts „Tourismus und Wirtschaft“ gut entwickelt.
Das Sprachengymnasium hat vor zwei Jahren sein Sprachenangebot erweitert (Spanisch und Russisch dazu genommen) und macht sich jetzt auch mit zwei neuen Schwerpunkten auf den Weg, nämlich mit „Sprache und Kultur“ und „Mehrsprachigkeit und Arbeitswelt“.

Vinschgerwind:Ein anderes Thema: An Südtirols Oberschulen und im Besonderen auch am Oberschulzentrum Schlanders wird Inklusion, also die Mitbetreuung von Schülern mit Behinderung, so praktiziert, dass Schulführungskräfte aus Deutschland, aus Österreich dieses Modell bewundern und studieren. Wie wird Inklusion am Oberschulzentrum in Schlanders gelebt?
Rinner: Gerade an den beiden Gymnasien - dem Realgymnasium und dem Sprachengymnasium - werden seit vielen Jahren Menschen mit besonderen Fähigkeiten inkludiert. Diese finden ein gutes Umfeld vor. Die Akzeptanz ist groß, die Schüler sind im Schulalltag, bei Ausflügen und Projekten usw. Teil unserer Gemeinschaft. Es ist faszinierend zu beobachten, wie Schüler sich in derselben Unterrichtsstunde mit Geldfragen im 20iger Raum beschäftigen, während Schüler am selben Tisch sich an hochkomplexe mathematische Aufgaben heranwagen. Ich finde, dass wir alle von dieser Inklusion profitieren.

Vinschgerwind: Voriges Jahr ist man wegen der geringen Zahl an Neueinschreibungen am Realgymnasium etwas erschrocken, während man mit den Einschreibungen im Sprachengymnasium, an der WFO und an der TFO relativ zufrieden war. Ihr Wunsch für das Schuljahr 2017/18?
Rinner: Die Schüler sollen sich natürlich die Stundentafeln der Oberschulen gut anschauen und ihren Interessen und Neigungen folgen. Auch sollten sie mit dem Übertritt an die Oberschule nicht all ihre bisherigen Aktivitäten in der Freizeit aufgeben müssen. Diese sind nämlich ein guter Ausgleich zu Schule und vom Sozialen her unbezahlbar. Wichtig finde ich auch danach zu fragen, wie anschlussfähig eine Oberschule ist, sowohl in Richtung Weiterbildung, Universität (Schaffe ich Aufnahmeprüfungen? Ausleseverfahren?) als auch in Richtung Arbeitswelt.
Bei der Wahl einer Oberschule würde ich persönlich den Mittelschülern und ihren Eltern dazu raten, nicht den einfacheren Weg zu gehen, mutig zu sein, sich anspruchsvolle Dinge zutrauen. Ich wünsche den Schülerinnen und Schülern, dass sie sich nicht davon abschrecken lassen, wenn es heißt, diese oder jene sei eine „zache“ Schule. Na und? Wenn ich eine anspruchsvolle Arbeit nach der Schule anstrebe, warum soll ich nicht eine anspruchsvolle Schule wählen?Vielleicht braucht es einen neuen „Mut zur Leistung“?

Interview: Erwin Bernhart

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