Dienstag, 04 Oktober 2016 09:26

„Ein Hanfhaus hält hunderte von Jahren“

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s39 428Vinschgerwind: Herr Schönthaler: Wie oft müssen Sie erklären, dass Nutzhanf nicht gleich Drogenhanf ist....
Werner Schönthaler: Erklären müssen wir das laufend. Die Menschen sind aber sehr interessiert und sobald sie die Eigenschaften und Produkte sehen, sind die Vorurteile weg.

Vinschgerwind:Sie wohnen im ersten Hanfhaus Südtirols. Sie haben in Tschengls ihr Eigenheim aus Hanfziegel gebaut. Was waren die größten Herausforderungen?


Schönthaler: Das war einfach das Neue, Unbekannte, es fehlte die Erfahrung. Und es war in gewisser Weise ein Experiment. Putzsysteme und Materialien wurden entwickelt und getestet. Ich hatte aber Glück, dass der Architekt und die Handwerker alle sehr offen waren und mitgedacht haben. Bin heute sehr froh, mich dafür entschieden zu haben. Es kommen laufend Architekten und Interessierte. Außerdem macht die Eurac Langzeittests mit Dokumentationen und unterstützt uns stark.

Vinschgerwind: Hanf wird als uralte Wunderpflanze bezeichnet. Welche Vorteile hat Hanf als Baustoff?
Schönthaler: Die Vorteile sind Wärmedämmung, Wärmespeicher, Wärmereflektion, eine enorm hohe Phasenverschiebung, weshalb Hanf im Sommer auch kühlt. Hanf dämmt Schall und absorbiert die Raumakustik. Er nimmt Luftfeuchtigkeit auf, desinfiziert sie, und gibt die Feuchte wieder regelmäßig ab. Hanf unterbindet Schimmel und ist extrem langlebig. Den Hauptvorteil sehe ich in der reinen, ionisierten Luft. Es wird massiv unterschätzt, welche Auswirkungen die Raumluft auf uns hat bzw. die Luftqualität, die wir ein- und ausatmen. Alte Kulturen, vor allem im asiatischen Raum, geben dem Atem noch die verdiente Wertschätzung und beachten die Auswirkungen auf die ganzheitliche Gesundheit. Weil wir einen Großteil unseres Lebens in den eigenen vier Wänden verbringen, sollten wir da eine reine Luft haben.

Vinschgerwind: Woran liegt es, dass Hanf nicht jene Aufmerksamkeit als ökologisches Multitalent bekommt, die es eigentlich verdient hätte?
Schönthaler: Da sind ganz klar die Wirtschaftslobbys, allen voran die Pharma- und Petrochemie die Schuld. Im Prinzip tritt man mit den Produkten dieser Pflanze jeder Lobby auf die Füße. Diese mögen nicht, dass man selbstständig und unabhängig ist.

Vinschgerwind: Was sind die Vorteile von Hanf etwa gegenüber dem ökologischen Baustoff Holz?
Schönthaler: Hanf-Kalk brennt nicht, reguliert die Luftfeuchtigkeit - Holz trocknet die Luft
aus -, Hanf wächst 50 Mal schneller als Holz, bindet mehr CO² und dämmt Wärme circa doppelt so gut.
Vinschgerwind: Auf wievielen Hektar wird im Vinschgau Nutzhanf angebaut?
Schönthaler: Es sind rund 4 bis 5 Hektar.

Vinschgerwind: Die Hanf-Ziegel werden in Ihrem gleichnamigen Baustoffhandel in Eyrs produziert. Reicht der Hanf, der im Vinschgau angebaut wird, aus?
s39 8962Schönthaler: Momentan wird der Rohstoff Hanf für Baustoffe zugekauft, weil sich die geeignete Maschine, welche das Holz von der Faser trennt, noch nicht rentiert. Kommendes Jahr bekommen wir eine kleine Schäbenmaschine über ein EU-Projekt. Die Maschinen, die auf dem Markt sind, wären für den alpinen Raum zu groß, deshalb wird eine kleinere entwickelt. Wir haben begonnen die Schäben zuerst dazu zukaufen um mit der Entwicklung zu beginnen und den Markt aufzubauen. Sobald die Schäbenmaschine da ist, wird es auch für den Bauern rentabel und es können mehr Bauern anbauen. Mit einem Hektar Hanffeld kann man ein kleines Einfamilienhaus bauen. Angebaut werden kann Hanf bis auf 1.700 Höhenmeter.

Vinschgerwind: Wie verarbeiten Sie den Rohstoff Hanf?
Schönthaler: Das Holz vom Hanf wird mit einem besonderen Naturkalk und Mineralien in einer großen Maschine gemischt, in Eisenformen gepresst, vibriert und luftgetrocket. Bei den Putzen werden feinere Schäben mit Naturkalk gemischt.

Vinschgerwind: Welchen Vorteil ziehen Bauherren aus einem Hanfziegel im Vergleich zu einem herkömmlichen Ziegel?
Schönthaler: Das Haus braucht nicht mehr gedämmt werden und es speichert die Wärme. Ein normales Haus aus Ziegel und Polystyrol  hält ca. 30 bis  40 Jahre und erzeugt einen Berg aus Müll. Ein Hanfhaus hält hunderte von Jahren und kann dann sehr einfach entsorgt werden, weil es zu 100 Prozent ein Naturmaterial ist.

Vinschgerwind: Wieviele Architekten und Bauherren konnten Sie bereits vom Baustoff Hanf überzeugen?
Schönthaler: Überzeugen konnten wir viele, bis sich das Produkt durchsetzt, vergeht aber immer ein bisschen Zeit, das ist normal.

Vinschgerwind: Ihr Wunschtraum: Hanf als globales Bauprodukt?
Schönthaler: Hanf könnte auf jeden Fall wesentlich dazu beitragen mit den Resourcen der Erde schonender umzugehen.

Interview: Angelika Ploner

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