Dienstag, 28 Oktober 2014 00:00

„Der Vinschger Schutzwald braucht Hilfe“

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s32 3728Mario Broll ist Amtsdirektor des Forstinspektorates Schlanders. Der Vinschgerwind hat mit ihm ein Gespräch geführt: über den Vinschger Schutzwald – dessen Funktion, dessen Leistungen – und wieviel jährlich in die Vinschger Wälder investiert wird.

Interview: Marilena Maas und
Angelika Ploner

Vinschgerwind: Herr Broll, Sie schlagen Alarm: Der Vinschger Schutzwald ist in Gefahr.


Mario Broll: Ja, das ist richtig. Der Vinschger Schutzwald braucht Hilfe, er braucht Unterstützung und er braucht eine Identifikation, damit er weiterhin flächendeckend leistungsfähig bleiben kann.

In welchem Zustand befindet sich der Vinschger Wald?
Grundsätzlich kann man sagen, dass sich der Vinschger Wald in einem relativ guten Zustand befindet, er ist jedoch alt und hat Verjüngungsdefizite. Auf rund 76 Prozent seiner Waldfläche benötigt der Vinschger Wald Unterstützung, da er eine ausgesprochen große Schutzfunktion ausübt: hauptsächlich Schutz vor Lawinen, vor Murgängen und vor Steinschlag. Somit muss man die Entwicklung dieser Wälder besonders unter die Lupe nehmen.

Stichwort Verjüngungsdefizit des Vinschger Schutzwaldes: Welche Auswirkungen haben 60 Jahre Rückstand konkret?
Wenn ich einen Vergleich anstreben darf: Es ist ungefähr so, als ob unsere Gesellschaft nur aus 80-90-Jährigen bestünde, die Mittelklasse fehlen würde und nur noch ein paar Kindergartenkinder vorhanden wären. Wie würden wir damit umgehen? Die Alten müssten die Aufgaben der Gesellschaft übernehmen, weil die Zwischengruppe fehlt. Genau so ist es mit dem Verjüngungsdefizit des Vinschger Waldes.

Welchen Wertverlust müssen die Bauern durch den hohen Anteil an Altholz in ihren Wäldern oder auch die öffentlichen  Verwaltungen, die vielfach Besitzer sind, beklagen?
Wenn die alten Bäume „über die Zeit gestreckt“ werden müssen und nicht entnommen werden können, weil Jungholz nicht reichlich nachkommt, dann sinkt natürlich der Ertrag. Wir schätzen den Ertrags- und Wertverlust auf 10 bis mancherorts sogar 25 Prozent.

Eine kurze Erklärung: Welche Bedeutung hat der Schutzwald, welche Aufgaben erfüllt er?
Die Bedeutung des Schutzwaldes ist auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene definiert. Der Schutzwald hat eine sehr, sehr wichtige Bedeutung, was den Klimaschutz betrifft. Er ist Kohlenstoffspeicher, Sauerstofflieferant und dient - in unseren Gebieten - hauptsächlich zum Schutz vor Muren, vor Lawinen und auch vor Steinschlag. Außerdem ist er für den Wasserhaushalt zuständig, was grad in unserer heutigen Zeit wichtig ist, wo extreme Witterungsereignisse an Häufigkeit gewonnen haben.

Ein großes Problem ist die hohe Wilddichte.
Auf der einen Seite stehen die Einzigartigkeit, der lockere Aufbau, die Steilheit des Standortes und die Klimaerwärmung  samt Temperaturanstieg, die dem Vinschger Schutzwald zusetzen. Wir wissen beispielsweise, dass im Vinschgau in den letzten 85 Jahren die Temperatur um 1,5 Grad angestiegen ist und sich die Niederschlagsverteilung geändert hat. Auf der anderen Seite gibt es die Problematik des Wildes, eine der wichtigsten Thematiken, die es zu berücksichtigen ist.

Was verlangen Sie von der Vinschger Jägerschaft, allen voran vom Jagdverantwortlichen
Berthold Marx?
Verlangen ist etwas zu spitz formuliert. Ich würde ersuchen die Wilddichte angemessen zu halten, damit eine nachhaltige Verjüngung unserer Schutzwälder gewährleistet wird.

Wieviel Geld wird jährlich in den Schutzwald investiert?
Durchschnittlich wurden in den letzten zehn Jahren circa zwei Millionen Euro jährlich in den Schutzwald investiert. Darin enthalten sind verschiedene Kosten: für die Schutzwaldsanierung, für Forstschutzmaßnahmen, für Integralprojekte zur Hochlagenaufforstung und Waldpflege und für die sogenannte Verjüngungseinleitung bei bodenschonender Holznutzung. Es kommen nochmal circa 450.000 Euro dazu, welche in die Weideverbesserung investiert werden, damit es die Waldweide in den Schutzwäldern nicht mehr braucht.

Waren die Schwarzkiefern-Pflanzungen in den „Leitn“ ein Fehlprojekt?
In keinster Weise. Es war ein Erfolgsprojekt gegen Hochwasser und Erosion. Man muss auch bedenken, dass nicht nur Schwarzkiefern gepflanzt worden sind, sondern auch Laubhölzer. Die Schwarzkiefern haben ihre ursprüngliche Funktion des Bodenschutzes und den Schutz vor Bodenabtrag sehr, sehr gut erfüllt. Sie stehen jetzt in einer schwierigen Phase durch die Klimaerwärmung und durch die Umstellung der Witterungsereignisse, die eigentlich den Schädlingsbefall steigern. Deshalb muss man den Schwarzkiefern unter die Arme greifen, damit sie schneller in Mischwälder umgewandelt werden können.

Welche forstwirtschaftlichen Maßnahmen sind in den nächs-ten Jahren geplant?
Die forstwirtschaftlichen Maßnahmen werden sich hauptsächlich auf zwei Risikobereiche konzentrieren. Das sind hauptsächlich die Schwarzföhrenwälder und die Lärchenschutzwälder. Mit dem Lärchenschutz-
waldprojekt haben wir bereits 7.000 Hektar Lärchen kartiert und 470 Einheitsflächen definiert. Von den 7.000 Hektar Lärchenflächen haben 1.400 Hektar einen dringenden Bedarf in den nächsten zehn Jahren unterstützt zu werden, für eine Investition  von circa einer halben Million Euro im Jahr. Was die Schwarzföhrenforste betrifft, möchten wir in zehn Jahren zehn Prozent dieser Waldfläche in Laubholz-Mischwald umwandeln.

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